Luca Fontana
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Netflix kauft Warner Bros.: Der grösste Streaming-Umbruch aller Zeiten beginnt

Luca Fontana
5.12.2025

Netflix kauft Warner Bros. samt HBO. Ein Deal in Titanengrösse, der den weltweiten Streamingmarkt erschüttern wird – und vielleicht die grösste Medienmacht seit Hollywoods Anfängen schafft.

Eben schrieb ich noch, der HBO-Max-Start in der Schweiz fühle sich wie ein «aussergewöhnlich organisierter Clusterfuck» an. Heute wissen wir: Der Clusterfuck ist jetzt global. Netflix hat offiziell bekanntgegeben, Warner Bros. – inklusive HBOs und Warners kompletten Film- und Kinokatalog – zu übernehmen. Kaufpreis: 82,7 Milliarden Dollar.

Mit anderen Worten: Der weltweite Streamingmarkt steht vor der grössten Umgestaltung, die’s bisher je gegeben hat.

Das verspricht Netflix

Netflix betont in der offiziellen Mitteilung, man wolle Warner Bros. «in seiner aktuellen Form weiter betreiben». Heisst: Die Warner-Bros.-Studios bleiben bestehen, es werden weiterhin Kinofilme gedreht und alle bisher geplanten Produktionen laufen weiter. Gleichzeitig wandert einer der wertvollsten Kataloge der gesamten Filmgeschichte in die Hände des grössten Streamingdienstes der Welt.

Gemeint sind nicht nur Klassiker wie «Casablanca», «Inception» oder «Citizen Kane». Gemeint sind auch die Milliarden-Franchises «Harry Potter», «The Lord of the Rings», das gesamte DC-Universum und vor allem der vielleicht prestigeträchtigste TV-Katalog der letzten drei Jahrzehnte: HBO. «The Sopranos», «The Wire», «Game of Thrones», «Succession», «The Last of Us», «IT» – all das soll künftig Netflix gehören.

Netflix spricht von «mehr Auswahl», «mehr Wert» und «mehr Chancen für Kreative». Hinter diesen PR-Formulierungen steckt vor allem eines: die Aussicht auf einen Streamingdienst, der künftig fast alles hat, was im Bewegtbild zählt. Und Synergien im Milliardenbereich, die Netflix bereits jetzt einpreist.

Das sagt Warner Bros. Discovery

David Zaslav, CEO von Warner, verkauft den Deal als Zusammenschluss zweier «Storytelling-Giganten». In der Realität musste Warner verkaufen. Der Konzern war hoch verschuldet, strategisch orientierungslos und steckte seit Jahren in Umstrukturierungen fest.

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    von Luca Fontana

Die Aufspaltung in zwei Firmen – «Discovery Global» für die linearen TV-Sender wie CNN, TNT Sports, Discovery und Eurosport, «Warner Bros.» für sein Filmstudio und HBO – war bereits ein Versuch, das Unternehmen für Investoren attraktiver zu machen. Jetzt kommt die Übernahme durch Netflix wie ein Befreiungsschlag – oder wie das Ende einer Ära, die Netflix noch mehr zum Unterhaltungs-Monopol machen wird.

Je nachdem, aus welcher Perspektive man schaut.

Das ist der (grösste) Knackpunkt

Mit diesem Deal wird Netflix zum wohl mächtigsten Content-Besitzer der modernen Unterhaltung. Kein anderer Anbieter vereint gleichzeitig die einflussreichsten Prestige-Serien der Gegenwart, die ikonischsten Klassiker der Filmgeschichte, milliardenschwere Blockbuster-Franchises und ein überaus profitables Streaming-Ökosystem mit hunderten Millionen Abonnentinnen und Abonnenten unter einem Dach.

Sprich: Eine solche Konzentration von Film- und Serienmacht hat es in dieser Form noch nie gegeben – und sie wird die kartellrechtlichen Prüferinnen und Prüfer in den USA, Europa und anderen wichtigen Märkten weltweit über Jahre hinweg beschäftigen. Und überhaupt: Bis die Übernahme tatsächlich durch ist, braucht es zusätzlich noch die Abspaltung von Warners TV-Sendern (geplant fürs dritte Quartal 2026) sowie die Zustimmung der Warner-Aktionäre.

Netflix selbst rechnet, dass das Prozedere etwa 12 bis 18 Monate dauern wird. Die Übernahme wird also frühestens Ende 2026, möglicherweise auch erst Mitte 2027, vollendet. Erst danach dürften Titel wie «White Lotus» oder «Euphoria» offiziell zu Netflix wandern. Bis dahin bleibt der Status quo bestehen – HBO Max in der Schweiz eingeschlossen.

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Und was ist mit allen anderen?

Für einige Anbieter sieht es ungemütlich aus. Sky Europe verliert mit HBO seine wichtigste Prestige-Marke und wird sich als Aggregator neu erfinden müssen. Paramount+ verliert einen potenziellen Fusionspartner und droht im Markt weiter nach unten zu rutschen.

Disney+ hingegen bleibt mit seinem einzigartigen Portfolio (Disney, Pixar, Star Wars, Marvel) stabil, aber auch etwas isoliert. Amazon und Apple hingegen können sich eher zurücklehnen: Beide subventionieren ihr Streaming ohnehin über ihre Kerngeschäfte – Apple über seine Hardware und dem Service Bundle «Apple One», Amazon über «Prime». Streaming ist dort ein Lockstoff, kein zwingendes Profitcenter.

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Die neue Realität lautet also: Wenn es Netflix nicht schon wäre, dann würde der Streaming-Gigant nach der Übernahme Warner Bros.’ und HBOs nun wahrlich zum Kino- und Streaming-Titanen werden, während sich alle anderen neu positionieren müssen – oder verbünden.

Ein Streamingmarkt, der ohnehin schon wackelte, bekommt jetzt einen regelrechten Erdrutsch. Und wir stehen mittendrin.

Titelbild: Luca Fontana

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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