Hintergrund

Games Made in Afrika: «In der Zentralafrikanischen Republik gibt es keine Geek-Kultur»

Über die Schwierigkeiten in Afrika Games zu entwickeln, Geek-Kultur und warum «Uncharted 4» eines der Lieblingsgames in Madagaskar ist, habe ich mit drei Spieleentwicklern aus dem Schwarzen Kontinent gesprochen.

Am meisten Afrika-Flair versprühte wohl noch «Far Cry 2». Malariaspritzen, Buschfeuer (meist selbst verschuldet) und Rohdiamanten lieferten zwar ein unverbrauchtes Szenario, aber afrikanische Kultur vermittelte das Spiel kaum. Wenig verwunderlich, wurde das Spiel schliesslich von Ubisoft Montreal entwickelt. Mit deutlich kleineren Budgets, dafür auf Homemade setzen die fünf afrikanischen Game-Studios, die anlässlich der Entwicklerkonferenz Defcom an der diesjährigen Gamescom ihre Spiele präsentierten.

Organisiert wurde der sogenannte «Africa Corner» von Paradise Games, die nach eigenen Angaben führende Videospiel-Firma in Westafrika. Gründer und CEO Sidick Bakayoko verfolgt mit dem Projekt ein klares Ziel: «Unser Traum ist es, Videospiele als eine der treibenden Kräfte der afrikanischen Wirtschaft zu realisieren, und dadurch Millionen von Menschen über den Kontinent verteilt zu beschäftigen.» Dazu brauche es ein starkes Ökosystem an Spielentwicklern, die ihre Spiele weltweit exportieren und internationale Bekanntheit erlangen, schreibt er in einer Medienmitteilung. Mit 500 Millionen Afrikanern, die ein Mobiltelefon besitzen, ist es wenig verwunderlich, dass die meisten Entwickler auf Mobile Games setzen.

Auf Kultur-Mission für die Zentralafrikanische Republik

Teddy Kossoko in ein Gespräch vertieft an der Gamescom
Teddy Kossoko in ein Gespräch vertieft an der Gamescom
Quelle: zVg

So auch Teddy Kossoko, der mit dem Masseka Game Studio das «Kissoro Tribal Game» für Android und iOS entwickelt. Sein Spiel ist mir gleich bekannt vorgekommen. Ein Blick in meinen Brettspielschrank bestätigt meine Vermutung: Ich besitze das gleiche Spiel als physische Version. Auf meine Frage, ob das Spiel in der Zentralafrikanischen Republik populär sei, winkt er jedoch ab: «Die meisten finden es altmodisch», sagt Teddy. Ausserdem verstünden sie nicht, dass das Spiel viel weniger mit Glück als mit Mathematik zu tun hat. Das versucht Teddy den Menschen auf seinen Reisen näherzubringen. Werbung für sein Spiel macht er entweder über Facebook oder indem er Flyer in seinem Dorf aufhängt.

Was denn die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik sonst spielen, möchte ich von ihm wissen. «Fifa und PES. Fussball ist König», sagt Teddy. Eine Geek-Kultur gebe es hingegen nicht. Es gäbe keine Festivals, Messen, Cosplay etc. «Videospiele haben in der Allgemeinheit immer noch einen schlechten Ruf», erklärt Teddy. Das versucht er nun zu ändern. Unter anderem mit «Kissoro», das die afrikanische Kultur in den Vordergrund rückt. Keine leichte Aufgabe, die er sich gesteckt hat. Die Game-Szene habe sich in den letzten Jahren in seinem Land überhaupt nicht verändert. Er will das Niveau der Spiele auf ein neues Niveau hieven. Darum arbeitet er zudem an einem Projekt, um einen Platz zu schaffen, wo solche Aktivitäten strukturiert werden können.

Keine Visa für Madagaskar

Das Team von Lomay an einer lokalen Veranstaltung einer internationalen Schule.
Das Team von Lomay an einer lokalen Veranstaltung einer internationalen Schule.

Matthieu Rabehaja und sein Team aus Madagaskar haben mit noch grösseren Schwierigkeiten als Teddy zu kämpfen. Ihre Visa wurde nämlich abelehnt. Sie haben es gar nicht erst nach Köln an die Gamescom geschafft, um ihr Spiel promoten zu können. Dabei ist die Entwickler-Szene des Inselstaats genauso wie die der Zentralafrikanischen Republik besonders auf solche Events angewiesen. Die Hürden, um Spiele zu entwickeln, sind in Madagaskar noch relativ hoch. Da verwundert es nicht, dass nur wenige diesen Beruf wählen. «Die meisten sind Indie-Entwickler, da der Markt noch völlig unterentwickelt ist», sagt Matthieu.

Dazu gehört auch Matthieu und das Studio Lomay, welches seit ein paar Jahren am Rennspiel «Gazkar» arbeitet. Da seit 2012 die Zahl der Smartphone-Verkäufe dank günstigen China-Geräten explodiert sei, entwickelt Lomay «Gazkar» für Android. Im Spiel kann man mit typischen Fahrzeugen herumkurven, die man auch auf Madagaskars Strassen antrifft. Wie den antiken Citroen 2CV oder den Renault 4L. Obwohl sie ein Mobile-Spiel entwickeln, bevorzugt Matthieu den PC. «Der PC bleibt meine ultimative Waffe, weil er am vielseitigsten ist und ich damit besser herumbasteln kann als mit Konsolen.» Eine Ausnahme macht er für Abenteurer Nathan Drake – und damit ist er nicht alleine. «Uncharted 4» gehört zu den populärsten Spielen in Madagaskar. Selbst Menschen, die sonst nicht viel mit Games anfangen können, fanden es cool, dass ihre Heimat als Kulisse in einem Blockbuster-Game von Sony dient.»

Dass eigentlich niemand für PC oder Konsolen entwickelt, liegt auch daran, dass das durchschnittliche Einkommen in Madagaskar im Monat 70 Dollar beträgt. «Ein Spiel für 40 Dollar können sich 80 Prozent der Menschen hier nicht leisten. 60-Dollar-Spiele wie Tomb Raider hier zu kommerzialisieren wäre komplett unmöglich.» Darum sei Piraterie immer noch enorm verbreitet.

Die Spielkultur in der ehemaligen französischen Kolonie sei sehr gross, erzählt Matthieu. Mit der Tana Games Week fand in der Hauptstadt Antananarivo 2017 und 2018 eine Game-Messe statt, die knapp 7000 Besucher anlockte. Mit Cosplay und allem was sonst noch dazugehört.

Anime-Fans aus Algerien

Weniger Probleme mit der Einreise hatte Frontfire aus Algerien. Das lag wohl auch daran, dass die Hälfte des Studios aus Franzosen besteht. Alexandra Vialard ist halb halb. Sie wuchs in Algerien auf und wanderte als Kind nach Südfrankreich aus, wo sie zum Game-Geek mutierte.

Mit ihrem Prügelspiel «Onizumu» will sie nun auch andere Geeks ansprechen. Die bunte Präsentation, die schnellen Fights und die geschmeidigen Animationen sind jetzt schon ein Hingucker. «Als grosser Fan von Anime wie Dragon Ball, Naruto etc. wollte ich mit Onizumu meinen Tribut zollen, für all das, was ich als Kind geliebt habe.»

Während Frankreich eine blühende Game-Kultur besitzt, fange Algerien erst an, das Potenzial zu erkennen. Immerhin gebe es mittlerweile sogar eine Schule, die Animation und CG vermittle, sagt Alexandra. «Es gibt viele Talente in Algerien, aber wir sind auf die Unterstützung von Publishern und Investoren angewiesen.» Die Finanzierung ist in der Game-Branche immer ein Knackpunkt und trifft auf afrikanische Staaten noch viel stärker zu. «Wir zählen auf Initiativen wie Paradise Games, dass sie helfen, die algerische Entwickler-Szene zu bewerben», so Alexandra. Ich bin überzeugt, dass sich an der Gamescom der eine oder andere Fan von Games Made in Africa gefunden hat. Schliesslich profitieren wir alle davon, wenn unverbrauchte kulturelle Einflüsse unsere Spiele bereichern. Ich jedenfalls wäre nicht abgeneigt, wenn «Far Cry 6» wieder in Afrika spielt – nur etwas mehr Tiefgang wäre dann schon nett.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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