Hintergrund

Einfach den Stecker ziehen: Die Geschichte von Konrad Zuse

Kevin Hofer
13.11.2020

Wer hat’s erfunden? Die Deutschen! Genauer: Konrad Zuse. Der Träumer, Visionär und Erfinder entwickelte den ersten, vollautomatischen, digitalen Universalrechner der Geschichte und das während dem Zweiten Weltkrieg.

Es dröhnt und pfeift. Die Erde zittert. Das Werkzeug auf dem Tisch rattert von den Erschütterungen. Es ist das Jahr 1943. Berlin befindet sich im Ausnahmezustand. Die Alliierten fliegen fast jede Nacht Luftangriffe. Wer kann, bringt sich im Bunker in Sicherheit. Nicht so Konrad Zuse. Der begnadete Tüftler tut, was er am besten kann: Er erfindet Rechenmaschinen – auch dann, wenn die Bomben bereits fallen.

Vom Künstler zum Erfinder

Nach dem Abitur 1928 bewirbt sich Zuse bei der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Dort will er Maschinenbau studieren. Die Kunst lässt er erstmal liegen, da er im politischen Klima Deutschlands keine Zukunft darin sieht. Bald stellt er jedoch fest, dass das enge Korsett der Universität seinen schöpferischen Geist hemmt. Er wechselt mehrfach die Fakultät und studiert schliesslich Bauingenieurwesen.

Nach dem Studium 1934 arbeitet er für kurze Zeit bei den Henschel-Flugzeugwerken in Berlin. Seine Hauptaufgabe dort: Rechnen. Von früh bis spät. Er bezeichnet diese Arbeit als menschenunwürdig und kündigt 1935. Bereits gegen Ende des Studiums hat sich Zuse überlegt, eine vollautomatische Rechenmaschine zu konstruieren. Diesen Plan will er jetzt in die Realität umsetzen.

Von der Z1 zur Z3

Da ihm das Geld für eine Werkstatt fehlt, eröffnet er seinen Eltern seine Vision. Die wollen ihren Sohn unterstützen und stellen ihm ihr Wohnzimmer zur Verfügung. Und noch mehr: Der Vater, eigentlich bereits Rentner, geht wieder arbeiten, um dem Sohn seinen Traum zu finanzieren. Aber auch die Schwester und der Rechenmaschinenfabrikant Kurt Pannke unterstützen Zuse.

Die Z3 besteht aus rund 600 Relais im Rechenwerk und 1400 im Speicher. Am 12. Mai 1941 ist es soweit: Zuse stellt den Z3 vor. Die Anwesenden sind begeistert, jedoch versteht niemand ausser Konrad Zuse selbst die Tragweite seiner Erfindung. Der Z3 ist die erste digitale, binäre, programmierbare und speicherfähige Rechenanlage der Welt.

Schicksalsschläge und Neuanfänge

Zu dieser Zeit ist der 2. Weltkrieg in vollem Gange. Auch die Nationalsozialisten werden auf Zuse aufmerksam. Er wird von mehreren Institutionen mit Geld gefördert. Wie Zuse zum Nationalsozialismus steht, ist nicht klar. Er lässt sich auf jeden Fall vom Apparat unterstützen und distanziert sich nicht davon.

Zu dieser Zeit wird in den Staaten Howard Aiken als Erfinder des modernen Computers gefeiert. Mehrere Jahre, nachdem Zuse erfolgreich seine Z3 in Betrieb genommen hat. Da die Maschine zerstört wurde und sein Patentantrag von 1941 noch nicht entschieden ist, kann Zuse aber nicht beweisen, dass er der Erste war.

Späte Anerkennung

Zuse selbst verfolgt die Entwicklung der Computer zeitlebens weiter. Er wird auch zum Mahner und setzt sich für Datenschutz und Kontrolle ein. Er beschreibt seinen Werdegang später mit:

Verträumter Pennäler, Bummelstudent, verhinderter Künstler, Maurer, Computer-Bastler, gescheiterter Unternehmer, Professor ohne Honorar, Büttenredner, verkannter Weltverbesserer, überspannter Erfinder, abgeklärter Philosoph.
Zitat aus «Deutsche Nullen: Sie kamen, sahen und versagten»

Zuse stirbt im Dezember 1995. Er wurde 85 Jahre alt. Und einen Tipp dafür, was wir tun sollen, wenn Computer einmal zu mächtig werden, gibt er uns ebenfalls mit:

«Wenn die Computer zu mächtig werden, dann zieht den Stecker aus der Steckdose.»

75 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


Computing
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Sergej Lebedev und der erste sowjetische Computer

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Kennst du noch? «Xenogears»

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Jack Tramiel: Wie der knallharte Tycoon Commodore auf die Siegerstrasse führte

    von Kevin Hofer