Kritik

CS 1.6 als Sehnsuchtsort: «It Takes a War» im Test

«It Takes a War» ist auf den ersten Blick ein billiger Abklatsch von Counter Strike 1.6. Schnell ist klar, dass das Game nur ein Gefäss für eine tiefere Story ist. Eine, die ich nicht so schnell vergesse.

Der Startbildschirm ist rudimentär. «Join Game» steht dort, ich teste kurz mein Mikrofon und werde darauf hingewiesen, dass ich Voicechat nicht benutzen kann, bis ich die erste Partie abgeschlossen habe. Eine Vorsichtsmassnahme, um störenden Trolls vorzubeugen.

Dann finde ich mich auf einer Map, die direkt aus Counter Strike 1.6 stammen könnte. Ich bin in einem Squad von Freunden gelandet, die sich kennen und einander munter Sprüche um die Ohren hauen. Runde um Runde versuchen wir, das gegnerische Team auszulöschen. Runde um Runde geschehen immer seltsamere Dinge. Türen, wo vorher keine waren. Glitches, die plötzlich erscheinen.

«Wollen wir nicht wieder CS zocken?», schlägt einer aus der Truppe vor. Zu dem Zeitpunkt ist es schon zu spät. Wir sind gefangen in dieser Online-Welt von falschen Freunden und flüchtigen Bekanntschaften. Die Texturen verwaschen, die Soundeffekte Lo-Fi. Und doch sind es bessere Zeiten. Eine nicht enden wollende Runde Counter Strike als Allegorie aufs Erwachsenwerden zwischen Teamspeak und Teen Angst.

«It Takes a War» ist eine kurze Episode von unter einer Stunde, die viel länger wirkt. Ein Snack, der mich mit Nostalgie und Gewissensbissen hinterlässt und mich daran erinnert, dass das Internet nicht der anonyme Ort ist, in dem man sich manchmal wähnt. Am anderen Ende der Leitung sitzt meistens auch ein Mensch …

«It Takes a War» erscheint am 6. November auf Steam und wird unter 10 Franken oder Euro kosten

Fazit

Kafkaeskes Counter Strike

«It Takes a War» erreicht in unter einer Stunde etwas, was die meisten Blockbuster auch in hunderten Stunden nicht schaffen. Es bewegt etwas in mir. Counter Strike 1.6 als Reminiszenz und Bühne für eine grössere Erzählung ist gewagt, funktioniert allerdings hervorragend. Aus dem Level auszubrechen bedeutet, sich seinen eigenen Ängsten stellen zu müssen und sich mit der Realität zu konfrontieren. Dieser Spagat zwischen virtueller Vertrautheit und einem Ort jenseits der Komfortzone macht «It takes a War» zu einem Erlebnis, das lange nachhallt wie der Schuss aus einer AWP.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell. 


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