Martin Jungfer
Hintergrund

Cookie-Banner: Was wir aus den Fehlern der EU lernen können

Die EU will mit den Cookie-Banner aufräumen. Denn der versprochene Nutzen bleibt aus, die Kosten hingegen sind hoch. Wir setzen deshalb in der Schweiz auf eine alternative Lösung.

Die Sache mit der Pizza hat sich mir eingeprägt. In der Pizzeria, so erklärte uns im Studium Professor Peter Grossen, will der Kunde keine 300-seitige Speisekarte mit 3000 Pizzen in allen möglichen Kombinationen. Er will zehn bis 15 Vorschläge. Oder noch besser: eine Tagesempfehlung. Denn immer mehr Auswahl, immer mehr Entscheidungen, das beflügelt die Menschen nicht nur. Oft überfordert es sie. Das sei die Kehrseite der heutigen Multioptionsgesellschaft.

Multioptionsgesellschaft. An dieses Wort muss ich denken, wenn ich zum tausendsten Mal einen Cookie-Banner wegklicke.

In der EU ist der Cookie-Banner seit 2009 Pflicht. Ziel ist die so genannte informationelle Selbstbestimmung: Die Nutzerinnen und Nutzer sollen informiert entscheiden können, welche Daten die Betreiber von Homepages über sie sammeln und verwerten können. Haben die wildwuchernden Cookie-Banner die informationelle Selbstbestimmung seither gestärkt? Nein, resümiert die EU-Kommission zuletzt selbstkritisch.

76 Prozent fühlen sich genervt

Zunächst einmal gehen die Banner den Nutzerinnen und Nutzern schlicht auf die Nerven – laut einer Bitkom-Umfrage stören sich 76 Prozent daran. Die Forschung zeigt zudem, dass die Nutzer mit den Bannern nicht selbstbestimmt durchs Netz surfen. Viel mehr stellt sich eine so genannte Consent Fatigue ein, frei übersetzt Bewilligungsmüdigkeit. Niemand hat Zeit und Musse, bei jedem Aufruf einer Homepage den dazugehörenden Daten-Wälzer zu lesen. Kaum jemand versteht die technischen Inhalte der Erklärungen überhaupt. Wenig erstaunlich bezweifeln die Nutzer sodann, mit Cookie-Banner überhaupt Kontrolle ausüben zu können. Die Folge: Erschlagen von der Informationsflut klicken die Internetnutzer unüberlegt auf etwas. Die multiplen Optionen in den Cookie-Banner verkommen zur Illusion einer echten Auswahl. Darum plädiert die EU-Kommission nun für ein Ende der Cookie-Banner-Flut. Die Nutzer sollen Dateneinstellungen künftig zentral über den Browser vornehmen – so wie sie es auch schon heute über anerkannte Tools können.

In der Praxis klicken die meisten Menschen bei Cookie-Banner auf «Accept All» – unter anderem auch wegen so genannter Dark Patterns: manipulative Designelemente, die die Zustimmung erleichtern sollen. Für «Accept All» reicht ein Klick, «Refuse All» hingegen benötigt mehrere – und schon ist die Entscheidung in die gewünschte Richtung genudget.

Beispiel für Dark Patterns bei Cookie-Banner: Die Option «Accept All» wird dir deutlich leichter gemacht als die Option «Refuse All», für die man zusätzliche Klicks tätigen muss.
Beispiel für Dark Patterns bei Cookie-Banner: Die Option «Accept All» wird dir deutlich leichter gemacht als die Option «Refuse All», für die man zusätzliche Klicks tätigen muss.
Quelle: Screenshot

Sind hingegen beide Optionen gleich prominent, klicken viele deutlich häufiger auf «Refuse All». Unsere eigenen Untersuchungen legen nahe, dass sie auch dies nicht unbedingt selbstbestimmt machen. Wir haben dazu über 678 User in der Schweiz und Deutschland befragt. Unsere Kundinnen und Kunden vertrauen uns grundsätzlich im Umgang mit Daten. Auf einer Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll zu) erhalten wir im Schnitt einen Wert von 4.23 für die Aussage «Galaxus erfüllt meine Erwartungen an einen verantwortungsvollen Umgang mit meinen personenbezogenen Daten».

Obwohl sie uns bei der Datenverarbeitung vertrauen, klicken sie in der EU bei den Cookie-Banner dennoch zu 38 Prozent auf «Refuse all» und verwehren uns damit den Zugang zu den Daten. Das scheint widersprüchlich. Bemerkenswert ist in der EU zudem, dass nur 0,02 Prozent der Nutzer einzelne Cookies selektiv akzeptieren. All das deutet darauf hin, dass Cookie-Banner kaum zu informierten Entscheidungen beitragen. Sondern eher zu Willkür.

Gestatten: das Personalization-Privacy-Paradoxon

Hier liegt ein weiterer Hund begraben. Unsere Kundinnen und Kunden wünschen sich eine personalisierte Einkaufserfahrung. Genau dafür braucht es Cookies - die sie in der EU häufig ablehnen. In der Forschung nennt sich das das personalization-privacy paradox (Link inklusive Cookie-Banner mit Dark Pattern).

Ich komme zurück zum Pizzeria-Vergleich: Sind wir auf uns alleine gestellt im Restaurant und haben keine Lust, schon wieder eine ellenlange Karte zu studieren, wird’s halt standardmässig die langweilige Margherita. Weihen wir den Kellner aber ein, dass wir gerne Bresaola haben, empfiehlt er uns die Pizza Della Casa.

Wir gehen neue Wege

Daher setzen wir bei Digitec Galaxus für die Schweiz auf eine Alternative zum Cookie-Banner. Wir haben den Wunsch nach Transparenz unserer Nutzerinnen und Nutzer gehört und bieten neben den Dateneinstellungen neu auch ein Interessenprofil. Auf diesem Weg kannst du offen einsehen, welche Daten wir über dich sammeln und diese Sammlung entlang deiner Interessen steuern. So wollen wir dir echte informierte Kontrolle ermöglichen – ohne deine Nerven zu strapazieren und ohne das Einkaufserlebnis zu beeinträchtigen.

Titelbild: Martin Jungfer

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Beschäftige mich für Digitec Galaxus mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Abgesehen davon kauf ich gern Bücher und staple sie daheim. Tsundoku.


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