Ein zweischneidiges Schwert: In den falschen Händen richten Cold Wallets grossen Schaden an. Quelle: CCN
Hintergrund

Cold Wallets als Einladung zum Exit Scam?

Millionen von digitalen Währungen türmen sich in «kalten Geldbeuteln». Losgelöst vom Internet, sind sie der sicherste Lagerplatz für virtuelle Vermögen. Ebenjene Sicherheit verleitet aber auch gerne zu einem letzten grossen Coup.

Am Abend des 9. Dezember 2018 atmet Gerald Cotten ein allerletztes Mal. Die Zeiger auf der Uhr an der Wand des Fortis Escorts Hospital in Jaipur stehen auf 19:26 Uhr. Der dreissigjährige Gründer und CEO der kanadischen Kryptobörse QuadrigaCX erliegt einem septischen Schock – ausgerechnet auf seiner Wohltätigkeitsreise. Ein tragisches, aber natürliches und daher kaum Aufsehen erregendes Ereignis, sind sich Ärzte und Anleger einig.

Was in jener Nacht niemand ahnt: Cottens plötzlicher Tod wird wenige Stunden später das Cold Wallet und mit ihm die gesamte Kryptowelt in ihren Grundfesten erschüttern.

Ein Bild, als scheinbar noch alles in Ordnung war – Cotten an einer Firmenpräsentation. Quelle: straight.com/Stephen Hui

Cold Wallets: Ein notwendiges Übel?

Wallets sind das Portemonnaie beziehungsweise Konto für Bitcoins und andere Kryptowährungen. Die Auswahl ist gross, nicht allen solltest du dein Geld anvertrauen. Und dennoch brauchst du zwingend eines, willst du mit digitalen Währungen Transaktionen tätigen. Hierfür sind die sogenannten Hot Wallets mit dem Internet verbunden. Was wiederum Hacker magisch anzieht, die dir deinen Wallet Key – dein Passwort – und somit dein Erspartes klauen möchten.

Cold Wallets hingegen sind virtuelle Speicherorte, die ohne Netzzugang funktionieren. Die Schlüssel für diese Wallets werden offline gespeichert und sind so vor Cyberkriminellen geschützt – nur du kennst die Keys. Doch diese Sicherheit ist Segen und Fluch zugleich: Wenn sich dein Sargdeckel schliesst, nimmst du im Worst-Case-Szenario nicht nur dein ganzes Vermögen mit ins Grab, sondern öffnest gleichzeitig auch die Büchse der Pandora.

Und mit Cottens Ableben trat Ende des letzten Jahres eben genau jener schlimmste Fall ein.

Bis dass der Tod euch scheidet

Klein, aber oho: Cold Wallets können grossen Schaden anrichten, wenn du damit nicht umzugehen weisst. Quelle: medium.com

Ein ungewollt kostspieliges Ende

Stürzte mit Cotten in den Abgrund: Ein Screenshot der QuadrigaCX-Page. Quelle: engadget.com

Bewiesen wurde die Theorie eines Exit Scams des Kryptoprofis aus Kanada nie. Und: im Zweifel für den Angeklagten. Daher müssen Cottens Geschichte und die Medienmitteilung des indischen Spitals genügen. Alles andere werden die derzeit laufenden Gerichtsverhandlungen in einem bis zwei Jahren offenlegen.

Unus pro omnibus, omnes pro uno

Dass Profis wie Cotten und sein Team bei Quadriga CX derart unprofessionell mit Kundengeldern umgegangen sind, lässt die Kryptowährungs-Branche in keinem guten Licht dastehen. Wenn nur der Vorsitzende alleine die Kombination für den Safe zum gesamten Vermögen seiner Firma kennt, zeugt das nicht von grossem Vertrauen den Mitarbeitenden gegenüber und lässt an seiner Personalpolitik zweifeln.

In the long run, we're all dead

Ein Multisignatur-Wallet verteilt die Vermögensverwaltung auf mehrere Personen. Quelle: holytransaction.com

Was bleibt, sind offene Fragen: Schoss sich der junge Kanadier aus lauter Fahrlässigkeit selbst ins Knie? Oder hat er es geschafft, die Kryptobühne à la Houdini und mit einem ordentlichen Sackgeld durch den Hinterausgang zu verlassen? Oder wollte er gar all seine Bitcoins in die ewigen Jagdgründe mitnehmen? Die Antworten kennt nur einer: Gerald Cotten.

Titelbild: Ein zweischneidiges Schwert: In den falschen Händen richten Cold Wallets grossen Schaden an. Quelle: CCN

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Wenn ich nicht gerade haufenweise Süsses futtere, triffst du mich in irgendeiner Turnhalle an: Ich spiele und coache leidenschaftlich gerne Unihockey. An Regentagen schraube ich an meinen selbst zusammengestellten PCs, Robotern oder sonstigem Elektro-Spielzeug, wobei die Musik mein stetiger Begleiter ist. Ohne hüglige Cyclocross-Touren und intensive Langlauf-Sessions könnte ich nur schwer leben. 


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