
Hintergrund
Dieser Saugroboter-Test ist peinlich, Kassensturz!
von Lorenz Keller

Kakerlaken gelten als Schädlinge, hier werden sie zur Ressource. Das Start-up Swarm Biotactics nutzt die natürliche Robustheit und Beweglichkeit von Schaben und macht sie zu mobilen Aufklärungssystemen.
Ein deutsches Start-up arbeitet an einer Idee, die zunächst irritiert und beinahe absurd klingt, gleichzeitig aber auch fasziniert. Swarm Biotactics entwickelt sogenannte biohybride Systeme, bei denen lebende Insekten mit Mikroelektronik ausgestattet werden. Im Fokus stehen lebende Madagaskar-Fauchschaben, die mithilfe winziger elektronischer «Rucksäcke» zu mobilen Aufklärungseinheiten werden sollen.
Der Ansatz verbindet Biologie mit moderner Sensortechnik und wirft zugleich technische wie ethische Fragen auf.
Die potenziellen Einsatzfelder der biohybriden Systeme sind breit gefächert. Im Katastrophenschutz könnten sie dabei helfen, Verschüttete in Trümmern aufzuspüren oder schwer zugängliche Bereiche zu erkunden, in denen herkömmliche Roboter an ihre Grenzen stoßen. Auch militärische Anwendungen liegen nahe, etwa für verdeckte Aufklärungsaufgaben in komplexem Gelände.

Darüber hinaus sind zivile Einsatzszenarien denkbar. In der Industrie könnten die Systeme zur Inspektion oder Überwachung von Anlagen eingesetzt werden, etwa in engen Schächten oder abgeschirmten Bereichen. In der Forschung wiederum bieten sie neue Möglichkeiten, ökologische oder geologische Umgebungen zu untersuchen, die bislang nur eingeschränkt zugänglich sind.
Klassische Miniroboter sind aufwendig zu bauen, teuer und in ihrer Energieversorgung stark limitiert. Insekten dagegen bewegen sich effizient, kommen mit minimalem Energieaufwand aus und sind extrem robust. Die Madagaskar-Fauchschabe eignet sich zudem durch ihre Größe dafür, zusätzliche Hardware zu tragen, ohne in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt zu werden.
Die entwickelten Rucksäcke enthalten Mikroelektronik, Sensoren, KI-Funktionen und Kommunikationseinheiten. Sie sollen Umgebungsdaten erfassen und drahtlos übermitteln. Dazu gehören etwa Temperaturwerte oder Hinweise auf Bewegungen und Hindernisse.

Ein zentrales Element des Konzepts ist der Schwarmgedanke. Swarm Biotactics denkt nicht in einzelnen Einheiten, sondern in Gruppen vieler einfacher Träger. Mehrere ausgestattete Insekten sollen gemeinsam ein Lagebild erzeugen. Dieser Ansatz ist aus der Schwarmrobotik bekannt, gewinnt in Kombination mit lebenden Organismen aber eine neue Dimension.
Die Koordination übernimmt eine KI-gestützte Software. Sie wertet die Daten einzelner Einheiten aus, führt sie zusammen und macht daraus ein konsistentes Bild der Umgebung. Auf diese Weise lassen sich auch komplexe Terrainstrukturen erfassen und relevante Informationen gebündelt an Einsatzkräfte oder Kontrollstationen weiterleiten. Gleichzeitig erhöht der Schwarmansatz die Ausfallsicherheit: Fällt eine Einheit aus, bleibt das Gesamtsystem funktionsfähig.
Swarm Biotactics betont dabei, dass die Schaben nicht als ferngesteuerte Roboter im klassischen Sinn eingesetzt werden. Die Technik greift auf ihre natürlichen Bewegungsmuster zurück und ergänzt sie durch elektronische Impulse und KI-gestützte Auswertung. Ziel ist es, Navigation und Datenerfassung zu unterstützen, ohne das Tier vollständig zu kontrollieren.
Die Nutzung lebender Organismen als mobile Sensoren wirft eine Reihe ethischer Fragen auf. Kritiker befürchten, dass der Einsatz von Insekten als biohybride Systeme den Umgang mit Lebewesen trivialisiert und neue Grenzen in der Technik-Natur-Interaktion überschreitet. Insbesondere die Frage, ob und wie weit die Autonomie der Tiere eingeschränkt wird, ist Gegenstand der Debatte. Swarm Biotactics betont, dass die eingesetzten Verfahren schmerzfrei seien und die Schaben nach dem Einsatz weiterleben könnten.
Unabhängig davon bleiben praktische Bedenken bestehen. Während viele haushaltsnahe Schabenarten als potenzielle Überträger von Bakterien wie E. coli oder Salmonellen gelten, trifft dies auf die unter kontrollierten Bedingungen gezüchtete Madagaskar-Fauchschabe nur eingeschränkt zu. Dennoch hebt der Einsatz lebender Organismen als mobile Sensorsysteme biologische Risiken nicht grundsätzlich auf und wirft Fragen nach Hygiene, Kontrolle und Einsatzgrenzen auf.
Konkrete Hinweise zum Stand der Entwicklung lieferte zuletzt ein Bericht der US-Sendung 60 Minutes, ausgestrahlt von CBS News, in dem Swarm-Biotactics-Gründer Stefan Wilhelm Einblick in die Arbeit des Start-ups gab. Demnach arbeitet das Unternehmen bereits mit der Bundeswehr zusammen, um die biohybriden Systeme unter realitätsnahen Bedingungen zu testen und ihre Eignung für Aufklärungsaufgaben zu prüfen.
Technisch liegt der Fokus derzeit auf der weiteren Miniaturisierung. Das kombinierte Biologie-, Elektronik- und Robotiksystem wiegt aktuell noch bis zu 15 Gramm. Ziel der Entwickler ist es, dieses Gewicht auf rund zehn Gramm zu senken, um Beweglichkeit und Belastbarkeit der Schaben zu verbessern. Größere Einsätze hält Swarm Biotactics nach eigenen Angaben innerhalb eines Zeitraums von 18 bis 24 Monaten für realistisch.
Der Bericht macht zugleich deutlich, dass sich das Projekt noch in einer Übergangsphase befindet: zwischen experimenteller Forschung und möglichem operativem Einsatz. Ob und in welcher Form die Technologie tatsächlich breit genutzt wird, dürfte daher nicht allein von ihrer technischen Reife abhängen, sondern ebenso von politischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Entscheidungen.
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