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Artemis Fowl Review: Nein

Disney hat sich gedacht, dass «Artemis Fowl» dem Konzern unendlich Geld einspielen soll. Keine Chance. Denn der Film ist so dermassen schlecht, dass keiner ihn sich je ansehen sollte. Er verrät alles, was Autor Eoin Colfer in seinen Büchern aufgebaut hat.

«Artemis Fowl», der Film, ist das Franchise, mit dem Disney dich jahrelang unterhalten und damit gross Geld verdienen will. Artemis Fowl, die Buchserie, umfasst sieben Bücher, die sich international eine Nische auf dem Markt geschaffen haben, die keiner bisher gefüllt hat. Artemis Fowl, der Charakter, ist eine der liebenswürdigsten Figuren, mit denen du als Leser mitfieberst.

«Artemis Fowl», der Film, verrät all das, was Autor Eoin Colfer in seinen Büchern geschaffen hat, in den den ersten zehn Minuten. Dieses Review wird wohl nicht ganz spoilerfrei sein, aber du kannst beruhigt weiterlesen. Ich habe mir den Film angesehen, damit du ihn dir nicht antun musst. Zudem ist es ohnehin schwierig, genau zu sagen, worum es im Film eigentlich geht.

Am Ende bleiben dann vor allem zwei Eindrücke, nebst vielen Flüchen:

  1. Judi Dench sollte ihren Agenten fristlos entlassen. Zuerst Cats, jetzt das.
  2. Matthew Tucker, Film Editor, sollte sich seine Berufswahl noch einmal überlegen
  3. Screenwriter Conor McPherson und Hamish McColl sollten nie wieder einen Film schreiben dürfen
  4. Disney soll mal klarkommen. Echt.

The People: Die Mythologie, die so ganz anders ist

«We have fed the troll a little potion of nettles and wasp juice. Everything trolls are allergic to. It's made it twice as strong and ten times as mad», sagt kurz vor dem grossen Finale eine Elfe, die wohl Briar Cudgeon (Joshua McGuire) sein sollte.

Diese Szene, in der Cudgeon zu dramatischer Musik den Zuschauern für den Plot wichtig Informationen in die Kamera spricht, dauert 11 Sekunden. Dafür musste der Plot schnell Pause machen, damit wir Doofen vor dem Bildschirm auch verstehen, warum wir jetzt besorgt sein sollten.

Unter dieser Erzählweise leidet jeder Aspekt des Films. Editor Matthew Tucker muss den Film so aussehen lassen, als ob da was passiert und als ob es tatsächlich aufregend ist. Ist es nicht. Ist es nie. Der Film kann so kein Momentum aufbauen, keine Spannung und keine emotionale Bindung.

Ich wage mal einen Versuch, eine Expositionsszene mit etwas Charakterisierung zu machen:


Die Lower Elements Police Recon (LEPRecon) landet im Time Freeze – jetzt wüsstest du gerne was das ist, nicht? Wir auch – vor Fowl Manor. Die Elfen mit ihren Flugrucksäcken gleichen weniger einer Polizeieinheit, sondern mehr einer Armee. Da sind Panzer, Gewehre und Kampfjets.

Der Armee stellen sich zwei Personen gegenüber: Butler und Artemis Fowl. Ein Hüne mit einer Handfeuerwaffe und ein zerbrechlicher Bub im schwarzen Anzug ohne Waffen. Die beiden stehen auf der Veranda des alten Herrenhauses, blicken dem emsigen Treiben der Wesen zu.

«Artemis, ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist», sagt Butler.

«Keine Sorge, Butler, solange wir im Haus bleiben, sind wir sicher. Es ist ihnen verboten, ein Haus zu betreten, es sei denn, sie werden hineingebeten», sagt der 12-Jährige. Ein Lächeln huscht über seine Lippen. Er dreht sich um, geht schnellen Schrittes in Richtung Haustür.

«Komm, Butler, wir haben zu tun»


Mit dieser Inszenierung würde der Film bereits mehr für die Charaktere tun, als das es der Film in seiner aktuellen Form tut. Denn wo alles und jeder zu jedem Zeitpunkt damit beschäftigt ist, in Exposition zu sprechen, leiden vor allem die Charaktere.

Diese kommen in «Artemis Fowl», dem Film, so dermassen unter die Räder, dass ich mich frage, ob Screenwriter Conor McPherson und Hamish McColl überhaupt je eines der Bücher gelesen haben.

Artemis Fowl: Der Bub, der so ist, wie er nicht ist

Am Ärgsten trifft es den Titelhelden.

Buch-Artemis ist ein Soziopath. Buch-Artemis sieht kein Problem darin, anderen Lebewesen Schaden zuzufügen. Das Buch «Artemis Fowl» beginnt mit einer starken Passage:

«Artemis Fowl», das Buch ist anno 2001 erschienen, also kurz nach J.K. Rowlings «Harry Potter and the Goblet of Fire». Buch-Artemis ist der Anti-Harry-Potter. Wo Harry sein Leben lang gelitten aber trotzdem ein reines Herz hat, wurde Artemis in den Geldadel geboren. Aber er ist kalt, berechnend und gefährlich. Der Malfoy der Geschichte, so in etwa. Im ersten Buch ist Artemis sogar der Böse. Er entführt eine Elfe und fordert von den Fairies eine Tonne Gold.

Scheint dem Film egal zu sein, denn Vater Fowl ist ja da, damit Artemis Junior ihm Exposition an den Kopf werfen kann. «I just want to believe in you, Dad», sagt der Jungspund, der eigentlich Erpresser, Entführer und Soziopath sein sollte.

Film-Artemis schreit «He's not a criminal. He's my dad. He's my dad!» während er von Butler aus dem Zimmer gezerrt wird, damit er nicht weiter den Fernseher anschreien muss.

Wenn dann noch enthüllt wird, dass der Fowl Clan seit Jahrhunderten irgendwie irgendwas tut, das die Elfenwelt schützt und es Film-Artemis' Bestimmung ist, das auch zu tun, dann ist dann vollends fertig. Buch-Artemis hat sich die Fairy Bible angeeignet und sie entziffert. Er hat sich die Sprache der Fairies eigenhändig beigebracht, ihre Regeln studiert und sie gegen LEPRecon verwendet.

Im Film Butler so: «Hier hast du ein Regal, in dem alles ist, was du für den Plot brauchst. Du bist so intelligent, Artemis. Intelligente du mal hier ein bisschen rum, während ich Löcher in die Luft starre.»

Holly Short: Die Frau, die als Idiotin vom Dienst hinhalten muss

Ich hasse das Script des Films.

Während des Endkampfes, übrigens, hat sich Holly mit ihren Flügeln in einem Kronleuchter verheddert und darf nicht mitkämpfen. Holly Short ist das beste, was LEPRecon zu bieten hat.

Butler: Der Butler, dessen Geheimnis in zwei Worten gelüftet wird

Mulch Diggums aus dem Off plappert fröhlich drauf los und lässt die Weltöffentlichkeit wissen, wie Butler mit vollem Namen heisst.

Butler in den Büchern ist mehr Naturgewalt als Mensch. Wenn da ein wilder Troll, drei Meter gross, mehrere hundert Kilo schwer, zähnefletschend, bewaffnet und mit Mordgedanken in Fowl Manor steht, dann stellt sich ihm Butler entgegen. Ohne zu zögern und ohne Waffen. Sein einziger Gedanke: «Keine Ahnung, was das Viech da ist, aber es hat einen richtig schlechten Tag vor sich». Butler ist das, wovor die Angst Angst hat.

Schauspieler Nonso Anozie kann kein Vorwurf gemacht werden. Sein Butler versucht, so beeindruckend wie der blasse Hüne aus den Büchern zu sein. Das Script erlaubt es ihm nicht, irgendetwas ausser der zu sein, der auf Dinge zeigt und sagt «Oh, das ist ein Magitropilux, ein magisches Objekt, das gerade für den Plot nötig ist.». Wozu braucht ein Bub, der Laserwaffen der Elfen so gut beherrscht wie ein Hoverboard, einen Bodyguard?

Das Buch war besser, aber…

Leser sagen bei praktisch jeder Verfilmung eines Romans «Das Buch war besser». Das stimmt auch meist, mit einigen grossen Ausnahmen wie Nick Hornbys «High Fidelity» oder Paul Verhoevens «Starship Troopers». Meist aber könnte der Satz so weitergeführt werden «Das Buch war besser, aber der Film war okay».

Niemand hat «Artemis Fowl», den Film, geliebt. Alle haben das finanzielle Potenzial des Films geliebt, das bestehende Fandom, das Franchise-Potenzial. Doch den wichtigen Elementen des Films, der Story und den Charakteren, hat keiner Sorge getragen.

Der Film ist eine Katastrophe.

Schau ihn dir nicht an.

Bah.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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