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Apple TV Plus: Ist es wirklich so schlecht?

Luca Fontana
18.11.2019

Apples neuer Streamingdienst ist da. Erste Stimmen sprechen vom viel zu kleinen Angebot und einer unübersichtlichen App. Zeit, herauszufinden, was die App wirklich taugt – und wieso Apple überhaupt ins Streaming-Geschäft eingestiegen ist.

Apple TV Plus, Apples hauseigener Streamingdienst, ist seit dem 1. November 2019 auf allen Apple-Geräten verfügbar.

Weil: Apple wäre nicht Apple, wenn die nicht genau wüssten, was sie tun.

Erste Schritte: Gar nicht so unübersichtlich, wie alle tun

Das Design ist schlicht: Da sind viele Kacheln auf weissem Hintergrund. Sie zeigen den ganzen Streaming-Katalog, sowohl On-Demand-Inhalte als auch Apple-Originale. Das fanden manche Reviewer Mist, weil die Inhalte nicht klar voneinander unterscheidbar seien. Stimmt aber nicht. Apple-TV-Plus-Inhalte haben in der unteren rechten Ecke der Kachel das Apfel-Logo mit dem Plus. Ähnlich wie das rote «N» bei Netflix, das Netflix Originale vom restlichen Katalog unterscheidet.

Zudem gibt’s noch den Reiter «Apple-TV+». Mit dem lassen sich ausschliesslich besagte Eigenproduktionen anzeigen. So unübersichtlich ist das nicht.

Schön: Anders als beispielsweise bei Teleclub zahlst du bei Kauf und Leihe von On-Demand-Inhalten immer den gleichen Preis, unabhängig von Bild- und Tonqualität – auch bei neueren Filmen wie etwa «Spider-Man: Far From Home» oder «John Wick 3». Da gibt’s keinen UHD- oder HDR-Zuschlag. Apple spielt den Inhalt einfach in der bestmöglichen Version ab, die das Wiedergabegerät unterstützt.

Ein Klick auf die Kachel zeigt eine kurze Inhaltsangabe, verfügbare Episoden, wann die nächste Episode erscheint, welche Bild- und Tonqualität verfügbar ist, welche Inhalte auf Apple TV ähnlich sind und welche Schauspieler da überhaupt mitmachen.

Ein weiterer Klick auf den Schauspieler führt zu einer Übersicht an verfügbaren Filmen oder Serien, bei denen der Schauspieler ebenfalls mitmacht. Kenne ich so von keinem anderen Streaming-Dienst, ist aber total nützlich, um neue Inhalte zu finden.

Einverstanden: Bei Netflix kommst du sofort zum nächsten Inhalt. Das ist so gewollt. Binge watching at it’s finest. Apple hingegen setzt auf mehr relevante Informationen zu Inhalt, Cast und Crew, um dir dabei zu helfen, Neues bewusster auszusuchen. Das ist weder richtig noch falsch, sondern einfach anders.

Wie bei Netflix, Prime und Co. lassen sich auch bei Apple Filme oder Serien auf eine Watchlist setzen. Die heisst hier einfach «Als Nächstes». Nicht verwirren lassen. Zudem lassen sich mit einem Klick aufs Wölkchen-Icon einzelne Filme oder Folgen herunterladen. Gut, um unterwegs keine mobilen Daten zu verbrauchen.

Während dem Gucken: Auch das funktioniert gut

Die Bedienung mit der Fernbedienung auf der Apple-TV-Box ist anfangs etwas fummelig. Wenig Knöpfe. Je nachdem, ob ich ein- oder zweimal kurz drücke, werden unterschiedliche Befehle ausgeführt. An die Empfindlichkeit der Touch-Oberfläche der Fernbedienung muss ich mich auch erstmal gewöhnen. Das braucht eine Weile, bis es sitzt.

Auf der iPad- oder iPhone-App funktioniert das alles noch ein bisschen einfacher, weil ich einfach aufs Bild tippen oder streichen kann. Auch hier also: So weit, so komfortabel.

Die grosse Frage: Wozu das Ganze?

Wirklich Kritik gefallen lassen muss sich Apple TV Plus in Punkto Umfang. Der ist erbärmlich. Acht Serien und ein Dokumentarfilm sind bis jetzt verfügbar. Zum Start vor zwei Wochen gab’s gar nur drei Episoden pro Serie – eine weitere Episode wird jeweils freitags nachgereicht.

So will Apple die anderen Anbieter vom Markt drängen?

Das ist die Frage. Eine mögliche Antwort: Der Computer- und Smartphone-Hersteller aus Kalifornien will seine Konkurrenz gar nicht verdrängen. Nicht in naher Zukunft. Die Entscheidung, ins Streaming-Geschäft einzusteigen, könnte viel mehr der nächste logische Schritt in Apples Bestreben sein, die gesamte Unterhaltungs-Wertschöpfungskette zu kontrollieren: Von der Hardware über die Software bis zu den darauf abgespielten Inhalten.

Mit solchen exklusiven Services, die du nur geniessen kannst, wenn du ein Apple-Gerät besitzt, lässt dir Apple fast keine andere Wahl, als selbst dann Apple-Geräte zu behalten, wenn du eigentlich zur Konkurrenz wechseln willst. Du kannst dir zum Beispiel ein Samsung-Handy kaufen – wirst aber das iPhone trotzdem behalten, um weiterhin Apple TV Plus geniessen zu können. Und Apple Arcade. Und Apple Music. Und so weiter.

Oder anders gesagt: Apple TV Plus ist das teuerste Kundenbindungsprogramm, das ich kenne.

Fazit: Wenn Apple den Umfang hochschraubt, dann geil

Die App ist schlicht, dafür übersichtlich. Sowohl auf meinem iPad als auch zuhause auf meinem Fernseher – via Apple-TV-Box – läuft sie geschmeidig wie Seide. Bis auf die Möglichkeit, mehrere Profile mit einem Account zu erstellen, habe ich keine einzige Komfortfunktion vermisst, die ich von anderen Streamingdiensten kennen würde.

Apple TV Plus wird allerdings zumindest anfangs Millionen Nutzer haben. Schliesslich bekommen alle, die sich jetzt ein Apple-Gerät kaufen, Apple TV Plus ein Jahr lang geschenkt. Ein Jahr, in dem Apple beweisen muss, dass sie nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ mit der Konkurrenz mithalten können.

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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