Kritik

«Andor» – Der Krieg der Sterne wird erwachsen

Luca Fontana
21.9.2022

Düster im Ton. Erwachsen in der Erzählweise. Fokus auf die Charaktere. «Andor», in ihrem Kern eine Spionage-Kriegsserie, ist das Reifste, was «Star Wars» je geboten hat – aber vor allem der dringend benötigte frische Wind.

Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


Anders. Müsste ich «Andor», die Prequel-Serie zu «Rogue One: A Star Wars Story», in einem Wort zusammenfassen – es wäre «anders».

Anders, als ich «Star Wars» gewohnt bin. Anders, als ich «Star Wars» erwarte. Aber diese Andersartigkeit gefällt mir. Sie ist facettenreich. Düster. Reif. Und manchmal sogar widersprüchlich: Gross in ihrer Ambition und Tragweite, aber erzählt als kleine Geschichte in einer Spionage-Kriegsserie – anfangs zumindest. Vor allem aber ist «Andor» eines: kein Kinderkram. Und damit frischer Wind.

Darum geht’s in «Andor»

Aber Andor wäre nicht Andor, wenn er keine Risiken einginge. Manchmal auch eines zu viel. So landet der Titelheld letztlich doch noch auf der Fahndungsliste des Imperiums – und bringt damit ungewollt Dinge ins Rollen, die ihn eines Tages zu jenem Revolutionär machen werden, den wir aus «Rogue One» kennen. Und der dereinst den Funken jener Rebellion entfachen wird, die die Galaxie gegen die Dunkelheit vereint.

Tony Gilroy: Merkt euch diesen Namen

Hättet ihr mich vor einem Jahr gefragt, auf welche «Star Wars»-Serie ich mich am meisten freue – «Andor» wäre bestimmt nicht die Antwort gewesen. Zu gross der Reiz von «Book of Boba Fett». Die Vorfreude auf «Obi-Wan Kenobi». Und die leise Hoffnung, die dritte Staffel von «The Mandalorian» doch noch dieses Jahr zu kriegen.

Aber «Andor»?

Mit Erfolg. Auch, oder gerade wegen der berüchtigten Hallway Scene.

Das vielleicht ambitionierteste «Star Wars»-TV-Projekt ever

Tony Gilroys komplizierte, aber durchaus erfolgreiche Geschichte mit Lucasfilm muss ihm viel Vertrauen eingebracht haben. Denn ausgerechnet sein «Andor» entpuppt sich als das bislang ambitionierteste «Star Wars»-TV-Projekt – nicht etwa «Book of Boba Fett» oder gar «Obi-Wan Kenobi», in denen es um zwei der populärsten «Star Wars»-Figuren überhaupt geht.

Deutlich cineastischer als die Schwester-Serien ist «Andor» auch in ihrer Machart: Gilroy verzichtet komplett auf Stagecraft, die neue Allzweckwaffe Hollywoods, die ironischerweise von den «The Mandalorian»-Machern mitentwickelt worden ist.

Nicht, dass Stagecraft schlecht wäre. Im Gegenteil: Eine Reihe hochauflösender LED-Bildschirme erzeugen um und über den Schauspielern eine Welt, die direkt von der Kamera eingefangen werden kann. Das sieht deutlich realistischer aus als nachträglich am Computer eingefügte Effekte, hilft den Darstellerinnen beim Schauspiel – und ist obendrein noch kostensparender.

«Andor» hingegen wurde ausschliesslich an echten Locations oder auf grossen Sets gedreht. Das merkt man der Serie augenblicklich an. Sie ist bildgewaltiger. Epischer. Wirkt geerdet und real. Und eben cineastischer – kinohafter – als alle «Star Wars»-Serien zuvor, «The Mandalorian» mit eingeschlossen.

Eine Warnung: Nichts für Kinder – und keine oberflächliche Unterhaltung

Ein Drahtseilakt, der spannender nicht sein könnte. Und ein frischer Wind im Universum, der dringend nötig war, seit «Star Wars»-Schöpfer George Lucas höchstpersönlich einst sagte, dass «’Star Wars’ für 12-jährige Kinder gemacht» sei.

Fazit: Ich bin begeistert

Intrigen. Konflikte. Grautöne. Widersprüche. Mich faszinieren diese neuen, groben und andersartigen Facetten von «Star Wars». Kinder hingegen dürften sie langweilen oder gar abschrecken. Überhaupt halte ich es für ausgeschlossen, dass sich das jüngere Publikum gross für «Andor» interessieren wird.

Das ist keine Kritik, sondern ein Kompliment. «Andor» richtet sich an ein älteres, reiferes Publikum, das ein Epos zu schätzen weiss, dessen anfangs fest zusammengeknüllte Geschichte nur langsam und sachte auseinandergefaltet wird. Dass das «Star Wars» tatsächlich so gut stehen würde, überrascht selbst mich als grossen «Rogue One»-Fan. Und das ausgerechnet in der Disney-Ära von «Star Wars». Mutig. Angenehm mutig.


«Andor» läuft ab dem 21. September auf Disney+ und startet mit einer Drei-Folgen-Premiere. Danach folgt eine Folge pro Woche.

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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