Hintergrund

Andi be free: Über Retouren, Bewertungen und Plagiate

Livia Gamper
12.5.2023

Wir verkaufen die Kopfhörer, Powerbanks und Charger der Schweizer Marke «Andi be free» bei uns im Shop. Dabei sorgen sie in der digitec-Community für einige Unstimmigkeiten. Ich habe den Geschäftsführer des Start-Ups damit konfrontiert.

Punkt 1: die Retouren

In meinem Beitrag empfahl ich den Concert 1-Kopfhörer nur bedingt – wobei ich den Kopfhörer selbst nur kurz getestet hatte. Nun zeigt sich: Vom Concert 1 erhalten wir sehr viele Retouren – die Quote liegt bei fast 25 Prozent. Die Retouren- und Garantiefallquote zeigen wir seit Anfang dieses Jahres bei allen Produkten.

Diese 25 Prozent sind sehr hoch. Und ist übrigens bisher nur eine interne und vorläufige Zahl. Erst wenn wir eine grössere Menge an Verkaufsdaten haben, wird diese auf der Produktseite angezeigt. Bei den Kopfhörern hat bei uns nur Nokia mit 28,8 Prozent eine noch höhere Retourenquote.

Wichtig bei dem Ganzen: Die Retourenquote ist nicht dasselbe wie die Garantiequote. Das heisst, der Concert 1 ist bei den meisten Kundinnen und Kunden nicht kaputt gegangen, sondern gefiel nicht und wurde daher zurückgesendet. Die Garantiefallquote – also Kopfhörer, die einen Defekt vorweisen, beträgt beim Concert 1 lediglich zwei Prozent. Damit ist er im Vergleich zu anderen Kopfhörern im soliden Mittelfeld.

Die retournierten Geräte sind übrigens auf unserer Wiederverkaufsplattform gelandet. Dies zu sehr unterschiedlichen Preisen, da der Concert 1 zunächst teurer verkauft wurde.

Punkt 2: die Bewertungen

Dass der Concert 1 in unserem Shop auf eher wenig Anklang stösst, zeigt sich bei den Bewertungen. Spannend ist hier zunächst die Verteilung: Zwischen einem oder fünf Sternen gibt’s nicht viel.

Der Grund, dass die Bewertungen auf Digitec hingegen weitaus schlechter ausfallen, vermutet Wohler in der «negativen Dynamik», die in den Kommentaren meines Hintergrund-Beitrags zum Concert 1 entstanden sei.

Auch User c.andy bläst ins selbe Horn: «Auch fast auf die anfänglich noch sehr guten Produktbewertungen reingefallen…aber dann plötzlich misstrauisch geworden: Sämtliche dieser Bewertungen wurden vor rund 2 Monaten verfasst 🤔Dann mal aufs Geratewohl nach einem dieser Rezensenten, nämlich ‘Remostaubli’ gegoogelt:

  • Ehemaliger Fussballprofi… Cool!
  • Absolvent der HSG… Respekt!
  • Investor Tecflower AG… Et voilà! »

Wenn man heute die Bewertung von «Remostaubli» finden will, sucht man vergeblich. Unser Community-Team hat sie bereits vor einiger Zeit gelöscht. Da die Bewertung von einem Investor des Unternehmens abgegeben wurde, ist sie klar befangen – und damit unlauter.

Ich konfrontiere Jonas Wohler mit den obigen Punkten. Er schreibt mir: «Es gibt einige Andi be free Fans unter unseren rund 20’000 Kundinnen und Kunden, und ich schliesse nicht aus, dass ein paar wenige davon eine Bewertung abgegeben haben. Wir haben jedoch im Eigeninteresse niemanden dazu angehalten, positive Bewertungen abzugeben. Ich denke für euch ist es einfacher als für uns zu evaluieren, wer hinter den einzelnen Bewertungen steht.»

Die beiden klar zu Andi be free zuordnungsbaren Bewertungen haben wir demnach entfernt. Wie die Bewertung von «Remostaubli» sind auch diese klar befangen und nicht aus einem neutralen Standpunkt verfasst.

Das sagt der Anwalt zu Fake-Bewertungen

Ich frage bei Martin Steiger, Anwalt und Unternehmer für Recht im digitalen Raum nach, wie die rechtliche Situation bezüglich Unternehmen, die wie Andi be free ihre eigenen Produkte bewerten, aussieht. Er schreibt mir: «Ich gehe davon aus, dass nicht deklarierte positive Bewertungen in eigener Sache unlauteren Wettbewerb darstellen können.»

Dazu zitiert Steiger Art. 3 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb:

«Unlauter handelt insbesondere, wer […] über sich, seine Firma, […] seine Waren, Werke oder Leistungen […] oder über seine Geschäftsverhältnisse unrichtige oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt»
Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG

Punkt 3: die Plagiate

Auch diesen Punkt habe ich Jonas Wohler von Andi be free vorgelegt. Er schreibt mir:
«Ich kann dir versichern, dass wir keine White-Label-Produkte von Alibaba verkaufen. Unsere Produkte werden von uns entworfen und entwickelt in der Schweiz, und wir arbeiten eng mit unseren Lieferanten zusammen, um sicherzustellen, dass die von uns angebotenen Produkte unseren hohen Qualitätsstandards entsprechen.»

Bei der Recherche zu diesem Artikel ist mir auch aufgefallen, dass die MagPowerbank von Andi be free in sehr ähnlicher Ausführung unter anderem auf AliExpress zu finden ist.

Wohler erklärt mir dazu: «Bei den von dir erwähnten Produkten entspricht keines der MagPowerbank von Andi be free, ausser sie wird dort illegal verkauft. Unsere MagPowerbank wurde mit unserem Hersteller weiterentwickelt und es gibt somit keine gleiche magnetische Powerbank auf dem Schweizer Markt. Dies sind vertragliche Vereinbarungen mit unserem Hersteller.»

Wohler sagt abschliessend: «Es gibt weltweit verschiedene ähnliche Powerbanks, die sich jedoch von unseren unterscheiden, nicht jedoch von jenen, welche etwa Anker anbietet. Alle unsere Produkte sind streng zertifiziert. Ich bezweifle stark, dass die von dir erwähnten Powerbanks diese Zertifikate vorweisen können.»

Fazit: Wir bleiben wachsam

Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Teilweise hat sich die Firma Andi be free mit den Fake-Bewertungen, die die Community aufgedeckt hat, keinen Gefallen getan. Gleichzeitig wurden auch seitens der Communtiy Anschuldigungen erhoben, die sich nicht erhärten liessen. Mit dem Patent zeigt Wohler, dass sie zumindest die Charging-Produkte nicht kopiert haben und dort kein White-Labeling mit billigen Produkten anderer Hersteller betrieben haben.

Unser Community-Manger Fabian Zaugg erklärt mir dazu: «Wir sehen jeweils, wenn dieselben Konten ähnliche Bewertungen in einer unnatürlichen Menge posten. Dem gehen wir nach und entfernen diese. Und auch unsere Einkäuferinnen und Einkäufer werden über fehlbare Hersteller informiert.»


Titelfoto: Livia Gamper

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Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival. 


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