
Hintergrund
Gear-Nabelschau: Damit fotografieren wir
von David Lee
Nicht alles, was ich im ersten Moment lustig finde, kann ich auch veröffentlichen. Anderes lässt sich schlicht nicht umsetzen. Und wieder anderes schiebe ich ewig vor mir her. Die Liste der ungeschriebenen Beiträge 2019.
Jahresende, Bilanz ziehen: Was habe ich denn dieses Jahr alles nicht geschafft? Eine ganze Menge. Hier die Liste von Rohrkrepierern und doch nicht so guten Ideen – ohne systematische Reihenfolge.
Der wäre echt gut gewesen. Im September berichtet Petapixel von einem Canon-Patent, das einen Spiegel rund um spiegellose Kameras herum konstruiert. Damit daraus eine Spiegelreflexkamera wird. Das ist so seltsam, das kann eigentlich gar nicht sein, und doch – das Patent existiert offensichtlich.
Aber erstens wird längst nicht jedes Patent zu einem Produkt. Hier würde ich darauf wetten, dass das nicht passiert. Und zweitens: Die Nachricht stammt ursprünglich vom Januar 2018, darum war es keine News.
Das Problem ist real. Jeder weiss, dass seine Fotos auf dem Handy anders aussehen als am PC. An meinem PC hängen zwei verschiedene Bildschirme und die Farben sehen auf beiden unterschiedlich aus. Für welchen Bildschirm soll ich optimieren und wie schaffe ich eine Angleichung?
Seit Jahren nehme ich immer mal wieder einen Anlauf, etwas über Farbmanagement zu schreiben. Bislang bin ich immer kläglich gescheitert. Das Problem: Farbmanagement ist sehr komplex und es ist extrem schwierig, einen kleinen Aspekt herauszupicken. Denn alles hängt irgendwie miteinander zusammen.
Dieses Mal bin ich weit gekommen. Sehr weit. Aber dann wollte ich meine schöne Theorie mit Beispielen illustrieren und testen. Und stellte fest: Farbverfälschungen treten immer auf – ausser, wenn ich sie systematisch herbeizuführen versuche. Egal, was ich tat, es sah immer alles korrekt aus. Ich beschrieb ein Problem, das in meiner realen Welt gar nicht existierte.
Kurz nachdem ich den Beitrag aufgab, traten die Probleme wieder auf.
Was ich für die Fotoausrüstung gemacht habe, wollte ich auch für die IT-Ausrüstung machen. Wer verwendet was, und wozu?
Sofort wurde klar: Eine komplette Aufzählung ergibt keinen Sinn. Zu viel, zu bürokratisch. Ich schob die Sache vor mir her. Je länger ich das tat, desto weniger lustig kam mir die Idee vor. Was ist schon so spannend daran, dass der eine fünf Notebooks hat und der andere keins?
Aber vielleicht mach ich diesen Beitrag mal noch. Mit Betonung auf vielleicht.
Ich weiss nicht, was meine Kollegin Livia mit ihrem Smartphone genau macht, aber jedenfalls ist ihr Akku immer leer. Sie wollte darum einen Ziegelstein der Marke Cubot testen. 6000 mAh sollten auch für sie einen Tag reichen.
Doch dann wurde Livia für längere Zeit krank, und ich wollte mich der Sache annehmen. Mal abgesehen davon, dass mir das Akku-Problem fremd ist, fand ich auch das Phone nicht interessant. Spannender wäre die Frage: Wie spare ich Akku? Aber du siehst ja in den System-Einstellungen, was deine Stromfresser sind. Spotify und allgemein Bluetooth-Streaming saugen viel Akku, Snapchat ist berüchtigt, und natürlich gewisse Games. Unter dem Strich zu banal für einen Beitrag.
Am 15. Juli war bei Amazon «Prime Day», ein Schnäppchentag ähnlich dem Black Friday. Laut einem Bericht von Petapixel wurden zahlreichen Amazon-Prime-Kunden Kameras, Objektive und Bundles für 94.50 US-Dollar angeboten – und zwar unabhängig vom normalen Preis. Das galt logischerweise auch für das Objektiv Canon EF 800mm mit Normalpreis 13 000 Dollar. Über 99 Prozent Rabatt. Beabsichtigt war das wohl nicht. Aber Deal ist Deal.
Das Problem bei dieser News: Amazon ist der wichtigste Wettbewerber von digitec. Es hätte so gewirkt, als würde ich mich über die Konkurrenz lustig machen.
Youtube-Fotograf Mik Milman findet, dass viele Youtube-Fotografen nicht so draus kommen und dass das ein Problem ist. Etwa wenn diese sich selbst als Experten bezeichnen, aber nur Halbwissen oder gar Quatsch verbreiten.
Er hat damit eine Diskussion angezettelt, die so ähnlich immer mal wieder auftaucht. Im Internet kann sich jeder Experte nennen, das ist nichts Neues. Ebenso, dass viele «Experten» einfach nur weiterverbreiten, was sie selbst in Blogs gelesen oder auf Youtube gesehen haben. So halten sich Mythen hartnäckig, auch wenn sie schlicht falsch sind.
Aber Profiwissen ist eben auch nicht alles. Vielen Fotografen sind in den letzten Jahren die Einnahmen weggebrochen, weshalb sie nun ihre Hoffnungen in Youtube setzen. Doch Youtuber ist nicht der gleiche Beruf wie Fotograf. Es geht hier nicht in erster Linie darum, was du kannst und wieviel du weisst, sondern wie gut du dein Können und Wissen vor der Kamera vermitteln kannst. Nicht jeder Fotograf ist ein guter Lehrer oder Vlogger.
Ich finde das Thema wichtig, aber es ist schwierig für mich, etwas dazu zu sagen, ohne mich ständig rechtfertigen zu müssen. Schliesslich gehöre auch ich zu den Leuten, die Fotografie-Tipps geben, ohne jemals eine Fotografie-Ausbildung gemacht zu haben. Wissen vermitteln, das kann ich. Aber weiss ich denn genug? Eine mögliche Lösung: Teamwork mit einem Profifotografen, wie ich es oft mit Thomas Kunz mache.
In der schnelllebigen Tech-Branche muss ich meine Ansichten ständig revidieren. Eine solche Ansicht von mir lautet: Android ist für Home Recording unbrauchbar. Zu grosse Latenzen, zu wenig Software. Darum gibt es noch immer kein Pendant zu meinem alten iPad-Recording-Beitrag.
Für einen Android-Beitrag war ich dann aber zu wenig masochistisch. Warum sollte ich viel Zeit und Energie in etwas investieren, was nur vielleicht funktioniert, wenn es bei mir mit anderen Mitteln bereits perfekt funktioniert? Später vielleicht mal. Wenn ich wirklich gar nichts Besseres zu tun habe.
Du rollst das Kabel deines Kopfhörers sorgfältig auf. Du legst es sorgfältig in die Tasche. Später, beim Herausnehmen, stellst du fest, dass es verknotet ist – und nicht nur ein, zwei Mal, sondern zigfach. Du brauchst mehrere Minuten, um es wieder zu entwirren. Wie ist so etwas möglich? Schwarze Magie oder simple Physik? Diese Frage fasziniert mich noch immer, auch wenn viele Kopfhörer heute kabellos sind.
Leider landete ich bei der Recherche relativ schnell in der mathematischen Knotentheorie. Und da geht’s dann relativ schnell, bis ich gar nichts mehr verstehe. Wikipedia: «Ein nichttrivialer Knoten ist ein Knoten, der sich nicht in den Unknoten verformen lässt.» Aha. «Ein Knoten K in der 3-Sphäre ist genau dann trivial, wenn das Komplement S 3 ∖ K homöomorph zum Volltorus ist.» Soso. «Die exakten Sequenzen transformieren natürlich unter den assoziierten Morphismen. Mittels Konstruktion geeigneter Filtrierungen lassen sich Invarianten konstruieren. Ein Beispiel hierfür ist die zu einem Knoten K in einer 3-Mannigfaltigkeit Y assoziierte Knotenhomologie.»
Mein Hirn hat jetzt mehr Knoten als jedes Kopfhörerkabel.
Internet und soziale Medien hätten jedem die gleiche Chance geben sollen, bekannt zu werden, da es keine Hürden für die Veröffentlichung mehr gibt. Mittlerweile wissen wir alle, dass das ein leeres Versprechen war. Du kannst zwar veröffentlichen, so viel du willst, aber keinen interessiert’s.
Wie kann ein junger, ambitionierter Fotograf bekannt werden? Sind die heutigen Mechanismen besser, gerechter als die alten? Und was hat das für Auswirkungen auf die Fotografie als Ganzes? Auf die Kunst, die Kultur, die Gesellschaft?
Eigentlich ging’s nur um einen Beitrag zur Ausstellung Photo Schweiz. Meine Gedanken uferten aus. Ich wurde nie fertig.
Ich glaube manchmal Muster zu erkennen. Zum Beispiel dachte ich mal: User-Beiträge, die mit «Sorry, aber» beginnen, sind immer doof, ausser wenn es der Person tatsächlich leidtut. Oder: Hat ein Produkt 3 Sterne, besteht es zur Hälfte aus 1-Stern-Rezensionen und zur Hälfte aus 5-Stern-Rezensionen. Oder: Wer zuerst kommentiert, hat den Beitrag nicht gelesen. Wer zuletzt kommentiert, hat das Datum nicht gelesen. Wer zynisch schreibt, hält sich für überlegen.
Warum es diesen Beitrag nicht gibt und nie geben wird, ist ja klar. Sich als Autor über Leserkommentare zu beklagen, ist so was von mimimi. Unsouverän und unprofessionell. Die Feedbacks gehören zum Job und sie sind wichtig. Oft lerne ich auch was, oder es entstehen sogar Ideen für neue Beiträge. Danke, Leute – ihr macht die Plattform erst richtig lebendig!
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.