
Huawei P20 Pro: Da ist er, der neue Standard
Mit Hardware vom vergangenen Jahr versucht Huawei mit dem P20 Pro den Markt zu erobern. Das Phone ist nicht nur gut, es ist sogar sehr gut. Es ist sicher eines der besten Phones des noch jungen Jahres. Damit wirft Huawei aber Fragen auf, die sich die Industrie stellen muss.
Und jetzt: Huawei P20 Pro. Das Phone, das wahrscheinlich das Phone des Jahres wird.
Standards. Überall. Das Huawei P20 Pro ist eines der besten Phones, die ich je in meinen Händen gehalten habe. Das Huawei P20 Pro kommt dem Standardsetzungsversprechen näher als irgendein anderes Phone der vergangenen fünf Jahre.
High Speed mit der Hardware vom vergangenen Jahr
Die Industrie will dir glauben machen, dass nur das neueste SoC wirklich gute Leistung bringen kann. Huawei ist mutig, mit dem 970er in diesem Jahr antreten zu wollen. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Exynos und Qualcomm bringen beide neue SoCs auf den Markt. Ist Huawei müde geworden? Oder arrogant?
Weder noch. Der Test zeigt, dass die 970er-Plattform Leistung bringt. Massiv viel Leistung. Kaum ein Phone ist schneller in der Reaktion. Vor allem beim Entsperren wird das bemerkbar. Sowohl Fingerprint Scanner als auch Face Recognition brauchen weit unter einer halben Sekunde von «Bildschirm an» bis zum entsperrten Home Screen. Apps starten in einer Geschwindigkeit auf, die ich so auch noch nicht gesehen habe. Datenverarbeitung und Animation: flüssig.
Kurz: In der Benutzung kann ich dem Huawei P20 Pro nur Lob ausstellen.
Was das für den Markt bedeutet
Vor allem der Halbsatz «Hardware vom vergangenen Jahr» dürfte Szenekenner aufhorchen lassen. Dass ein Unternehmen auf im jährlichen Innovationszyklus veraltete Technologie setzt und das ganze dann auch noch Flaggschiff nennt, ist in der aktuellen Generation neu. Der Kirin 970 ist im Herbst 2017 an der IFA in Berlin vorgestellt worden, hat also etwa sieben Monate auf dem Buckel. Ein kritisches Alter.
Es sei denn, da kommt noch was an der IFA 2018 im September.
Denn wenn eine Software so viel ausmacht, dass die Hardware vom vergangenen Jahr die ganze Konkurrenz versenken kann, dann stellen sich die Fragen:
- Was kann anständig optimierte Software mit aktueller Hardware leisten?
- Warum muss der Innovationszyklus ein Jahr sein?
Vor allem aber auch: Wenn ein Phone dank dem jährlichen Innovationszyklus gefährlich nahe an der 1000-Franken-Grenze oder sogar drüber ist, warum dann 1000 Stutz ausgeben, wenn die alte Hardware mit neuer Software so viel leistet? Denn wenn du ein SoC herstellst und die Produktion auf zwei Jahre auslegst, dann kannst du Preise drücken. Denn das P20 Pro leistet weit mehr als manch ein 1000-Franken-Phone.
Das P20 Pro ist eine klare Kampfansage.
Denn nur mit dem Hardware/Software-Konstrukt ist es für Huawei nicht getan. Denn dann ist da noch die Sache mit dem Akku und der Kamera.
Samsung, zieh dich warm an
Das Huawei P20 Pro fühlt sich wie eine Kampfansage an den Markt an, insbesondere an Samsung. Vor wenigen Wochen hat Samsung mit dem Galaxy S9 die Revolution in der Kamera versprochen. Vor allem bei schlechtem Licht soll die Kamera besser performen, sagt Samsung.
Dem hält Huawei entgegen, indem das Unternehmen drei Kameras verbaut und statt dediziertem DRAM die Infrastruktur des Kirin an die Kamera ranschmeisst. Dazu beeindruckende Specs wie fünffacher optischer Zoom und eine Blendenöffnung von f/0.95 mit einem Bildsensor von 1/1,7 Zoll Grösse. Rein den Zahlen nach kann das Galaxy S9 als netter Versuch abgekanzelt werden.
In der Praxis sieht es ähnlich aus, selbst wenn ich und Videoproduzentin Stephanie Tresch in Paris den Versuch nicht wiederholen konnten, den wir mit dem S9 im Zürcher Wald gemacht haben. Denn das Konzept des Tests war so: Einfach Auto-Alles und Knips, dann sehen, was dabei rauskommt.
Und dann bricht die Nacht hinein. Das Phone wechselt in den Nachtmodus. Der Nachtmodus ist ein Moment der Keynote, der in Erinnerung bleibt. Huawei-CEO Richard Yu radebrecht enthusiastisch über den Nachtmodus und erwähnt oft «Long Exposure» also die Langzeitbelichtung.
Die roten Blumen habe er mit blossem Auge gar nicht gesehen. Die Kamera aber sehe nicht nur Blumen, sondern auch deren Farbe. Auf dem Bild sind tatsächlich rote Blumen zu sehen. In der Praxis aber vermute ich, dass es sich nicht um eine Langzeitbelichtung handelt. Oder nicht nur. Denn wenn ich das Kamera-System genau ansehe, dann bemerke ich überall die Kirin Engine, die mir hilft. Oder meint, zu helfen.
Eine Zürcher Nacht
Livia und ich gehen also in die Zürcher Nacht. Wir suchen uns einen Ort, an dem Licht und Dunkel sich begegnen und der auch noch recht hübsch aussieht. Da wir möglichst das gleiche Bild mit jeder Kamera wollen, haben wir ein Stativ und Teile eines Shoulderpods dabei, da wir so das Smartphone auf das Stativ schrauben können.
Während des Tests zeigt das Huawei P20 Pro ein etwas inkonsistentes Verhalten. Selbst wenn für das menschliche Auge sich nichts ändert, entscheidet der Automodus sich manchmal für eine Langzeitbelichtung von bis zu 30 Sekunden, manchmal für einen Schnellschuss. Die anderen Testphones schiessen alle schnell. Daher lassen wir die Langzeitbelichtung, auch wenn sie gelungen ist, im Vergleich weg.
Huawei P20 Pro
Aufgenommen mit dem Huawei P20 ProSamsung Galaxy S9+
Aufgenommen mit dem Samsung Galaxy S9+Huawei Mate 10 Pro
Huawei Mate 10 ProWiko View 2
Aufgenommen mit dem Wiko View 2Jetzt ist die Sache aber die: In der Zeit, die ich für den Test hatte, komme ich zu keinem Schluss ausser «Die Bilder sind gut». Vor allem auch muss ich noch herausfinden, wie genau die drei Kameras zusammenspielen und spekulieren, wie die Kirin-Plattform in das ganze reinspielt. Ich geh dem mal nach.
Und der Rest so?
Der Rest des Huawei P20 Pro überzeugt ebenfalls, manchmal aber erst nach Umbau und auf den zweiten Blick.
Wir sehen uns am Ende des Jahres wieder
Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Das Huawei P20 Pro ist das Phone des Jahres. Klar, das Jahr ist erst drei Monate und ein paar Tage alt, aber damit die Konkurrenz mit dem Phone mithalten kann, muss sie sich ordentlich anstrengen. Das P20 Pro hängt einfach mal das Galaxy S9 ab und delegiert den grössten Chiphersteller der Welt auf den zweiten Rang.
Huawei setzt neue Standards. Nicht nur in Punkto Bildqualtät und künstliche Intelligenz, sondern auch in der Art und Weise, wie die Industrie mit Hardware und deren Planung umgeht.
Ganz starke Leistung, Huawei.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.
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