

Zwischen Aufbausimulation und Survival-Adventure: «The Alters» im Test

«The Alters» erzählt eine verrückte Robinson-Klon-Geschichte auf einem fremden Planeten. Der wilde Genre-Mix aus Survival-Adventure, Aufbau- und Lebenssimulation ist anders – auf die gute Art.
Das sitzt er nun, Jan Dolski. Gestrandet auf einem fremden Planeten, seine Besatzungsmitglieder sind alle tot. Immerhin hat die Basis, die an ein überdimensioniertes Laufrad erinnert, überlebt. Aber wie weiter? Alleine kann er sie nicht betreiben, geschweige denn vom unwirtlichen Planeten entkommen.

Quelle: 11 Bit Studios
Glücklicherweise findet Jan das Material Rapidium. Dieses zu finden und zu erforschen, war ohnehin Ziel der Expedition, die von einem zwielichtigen Megaunternehmen initiiert wurde. Als ob Jan nicht schon genug Probleme hätte, soll er diese Mission nun auch noch weiterverfolgen. Dazu soll er sich mit Hilfe eines Quantencomputers und einer Einrichtung namens «The Womb» (Deutsch: die Gebärmutter) selbst klonen. Nach anfänglichem Zögern lenkt er ein und bald bevölkern zahlreiche Jans mit unterschiedlichen Lebenshintergründen die Station.
Ein Jan kommt selten allein
Der Quantencomputer berechnet Abzweigepunkte in Jans Leben. Ereignisse, die zu einem anderen Jan, einem Alter, führen. Dieser wird dann mittels Rapidium im Womb geklont. Etwa der Techniker-Jan. Dieser hat sich gegen ein Studium entschieden und seine Handwerker-Fertigkeiten auf der Arbeit gelernt. Oder Wissenschaftler-Jan, der sich wie das Original fürs Studium entschieden hat, aber in der Forschung geblieben ist. Trotz gemeinsamer Kindheits- und Jugenderinnerungen sind sie aufgrund ihrer späterer Erlebnisse komplett unterschiedliche Charaktere.

Quelle: 11 Bit Studios
So muss Jan mit Techniker-Jan anders umgehen als mit Wissenschaftler-Jan. Denn sie sind nicht etwa hirnlose Arbeitsdrohnen wie in Aufbausimulationen üblich und machen, was ich ihnen sage. Wissenschaftler Jan etwa reagiert positiv auf Schmeicheleien, wodurch er motivierter ist.
Dabei hat der Gemütszustand der Jans auch tatsächliche Konsequenzen. Sind sie unglücklich, dann sind sie weniger produktiv. Aber nicht nur ihre Produktivität hängt davon ab, ob sie sich wohlfühlen. Mein Mineur Jan etwa hat sich aus Unzufriedenheit, weil ich ihm keine Schmerzmittel mehr gegeben habe, den Arm abgehackt. Sind die Alters mit meiner Führung und meinem Verhalten nicht einverstanden, können sie gar meutern.

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Das macht die Charaktere äusserst glaubwürdig und nachvollziehbar. Hier helfen auch die guten Animationen der Gesichtszüge und die hervorragende Leistung von Synchronsprecher Alex Jordan, der alle Jans vertont. An der Geschichte und deren Erzählweise habe ich denn auch nichts auszusetzen. Sie fesselt mich vom Anfang bis zum Ende.
Viele Wege führen ans gleiche Ziel
Der Life-Sim-Ansatz ist nur eines von vielen Gameplay-Elementen in «The Alters». Es ist aber bezüglich Story der spannendste. Denn obwohl die Geschichte an sich gleich bleibt, erlebe ich je nach Verhalten andere Interaktionen zwischen den Alters.

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Dieser erzählerische Ansatz ist für mich neu in Survival-Spielen. Dennoch bin ich in der Tendenz dazu geneigt, es möglichst allen Alters recht zu machen. Denn im Genre bin ich von smarten Entscheidungen und Planung abhängig. Wenn mal ein Alter ausfällt, fällt das schwer ins Gewicht. Mein Mineur Jan musste etwa mehrere Tage auf der Krankenstation verbringen, nachdem er sich den Arm abgeschnitten hatte. Statt Mineralien zu schürfen, musste ich Zeit und Ressourcen aufwenden, eine Prothese für ihn zu erforschen und herzustellen.

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Der Wiederspielwert aufgrund anderer Interaktionen zwischen den Alters ist deshalb nur ein vermeintlicher. Als es bei mir tatsächlich zur Eskalation kommt, kann ich mein Ziel nicht mehr erreichen, weil mir die Zeit davonläuft – Game Over. Gezwungenermassen geht’s danach nur mit Laden weiter.
Immer unter Druck
Zeit ist auch ein Faktor in «The Alters». In jedem der drei Akte muss ich mein Ziel innerhalb von gewissen Tagen erreichen. Ich kann nämlich nicht lange an einem Ort bleiben: Den Sonnenaufgang überlebe ich nicht. Dieser Zeitdruck lässt mich die Geschichte teils auch nicht ganz so geniessen, wie ich das gerne würde. Ich lege nach gewissen Ereignissen eine Pause ein, weil ich sie setzen lassen will, bevor ich mich wieder ums Ressourcenmanagement kümmern muss.

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Der Gameplay-Loop ist immer derselbe. Ich erkunde in meinem Raumanzug das neue Gebiet und erschliesse mir so Zugang zu Ressourcen. Mit diesen baue ich neue Elemente in meiner Basis und erweitere sie. Zusätzlich benötige ich immer neue Werkzeuge, die ich zuerst erforsche und dann herstelle. Nebenbei muss ich für ausreichend Nahrung sorgen und meine Alters bei Laune halten. Letzteres tue ich nicht nur durch meine Interaktionen, sondern auch, indem ich ihnen etwa einen Gemeinschaftsraum baue. Hier schauen sich die Jans Filme an oder spielen Bier-Pong.

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Selbst auf dem Standard-Schwierigkeitsgrad ist das durchaus fordernd. Es passiert ständig irgendetwas, das meine vermeintlich vorausschauende Planung aus der Bahn wirft. Wenn ich das Gefühl habe, ich sei auf gutem Weg, verletzt sich bestimmt einer meiner Alters und fällt aus oder ein magnetischer Sturm erschwert mir die Arbeit.
Mir persönlich ist das zu viel Micromanagement auf einmal. Ich kann zwar gewisse Dinge automatisieren – etwa die Herstellung eines Mindestbestands an Batterien für meinen Raumanzug definieren. Damit sie dann aber effektiv produziert werden, muss ich entweder selbst bei der Werkbank Hand anlegen oder einen Alter dort zur Arbeit einteilen. Ich muss also ständig irgendwelche Details managen oder selbst eine Ressource schürfen, die mir beispielsweise für den Kletterhaken zur Erkundung fehlt. Das Spiel fühlt sich für mich häufig mehr nach Arbeit als Vergnügen an.

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Gelungene Simulation, überflüssig Erkundung
Das ist schade, denn vor allem die Aufbausimulation ist gelungen. Die Menüführung ist intuitiv und ich weiss auf Anhieb, wo ich was finde – und das, obwohl ich die einzelnen Elemente meiner Basis immer neu anordne. Es macht Spass zu sehen, wie sie sich entwickelt – und meine Alters mit ihr. Wenn ich etwa zum ersten Mal Botaniker-Jan im Gewächshaus bei der Arbeit zusehe, nachdem er die 20 ersten Tage seines Klon-Lebens mit anderen Arbeiten verbracht hat, zaubert mir das ein Lächeln auf die Lippen. Endlich kann ich dadurch auch Techniker-Jan eine Freude bereiten, der statt Brei nun auch feste Kost bekommt – obwohl das Wissenschaftler-Jan als Zeitverschwendung erachtet.

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Im Gegensatz dazu fühlt sich die Erkundung deutlich weniger gut an. Das liegt erstmal am Planeten selbst: Interessierst du dich für Geologie, wirst du die Umgebung spannend finden. Alle anderen dürfen sich darauf einstellen Steine zu sehen, verdammt viele Steine.

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Andererseits sind es kleinere, mühsame Gameplay-Elemente, die den Spielfluss stören. Stosse ich etwa auf eine Stelle, an der ich Rohstoffe schürfen kann, muss ich deren Quelle erst finden. Dies tue ich, indem ich Scanner in einem Raster aufstelle und so in den Boden schauen kann. Deren Reichweite vergrössere ich immer mehr, bis ich auf den Ursprung stosse. Das ist müssig.

Quelle: 11 Bit Studios
Ich stosse im Spielverlauf auch auf Anomalien, die ich mit einem Taschenlampen-ähnlichen Werkzeug sichtbar mache. Auch deren Ursprung muss ich suchen und – wortwörtlich – noch stärker beleuchten, bis ich die Anomalie näher erforschen kann. Das erfüllt zwar seinen Zweck, macht aber keinen Spass.
«The Alters» wurde mir von 11 Bit Studios zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist ab dem 13. Juni 2025 für PC, PS5 und Xbox Series erhältlich.
Fazit
Wilder Genre-Mix, der nicht in allen Belangen überzeugt
«The Alters» überzeugt mit einer tollen Geschichte, die mit dem Klonen einen neuen Dreh in die Robinsonade bringt. Die diversen Jans habe ich lieben und hassen gelernt, was vor allem an der genialen Performance von Synchronsprecher Alex Jordan liegt.
Gameplay-mässig überzeugen mich vor allem die Aufbau- und Life-Sim-Elemente, die die Erzählung gut unterstützen. Leider haben es mir die Erkundung und Survival-Einheiten weniger angetan. Sie sorgen dafür, dass ich ständig mit Micromanagement beschäftigt bin – das Spiel fühlt sich teils mehr nach Arbeit als Vergnügen an.
Dennoch würde ich «The Alters» allen Aufbau- und Survival-Fans ans Herz legen. Zumal das Spiel mit 40 Franken/Euro verhältnismässig günstig ist und dank Wiederspielwert für zig Stunden vor den Bildschirm fesselt.
Pro
- spannende Geschichte mit gutem Storytelling
- vielschichtige Jans
- die Aufbausimulation macht Spass
- gute Charakteranimationen und Synchronisation
Contra
- müssige Erkundung
- zu viel Micromanagement



Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.