Hintergrund

Zum Verrücktwerden: 20 Jahre lang verhandeln wegen Spider-Man

Luca Fontana
1.10.2019

Schien Spider-Man bereits aus dem Marvel Cinematic Universe ausgeschieden, haben sich Sony und Disney nun doch noch auf eine Zusammenarbeit einigen können. Tatsache ist, dass das Tauziehen um die Spidey-Rechte bereits seit 20 Jahren andauert.

Damit nimmt die Sache für die Fans eine gute Wendung, nachdem Spider-Man bereits aus dem MCU ausgeschieden schien. Dies wäre auch einem PR-Debakel gleichgekommen. Nicht nur, weil «Far From Home» mit einem Knall geendet hat, das es in kommenden Filmen zu erforschen gilt. Sondern vor allem, weil Tom Hollands Spider-Man als die beste Real-Inkarnation der Comic-Figur gilt, die die Leinwand bisher gesehen hat.

Aber was viele Fans womöglich gar nicht wissen: Das Tauziehen um Spider-Man hat bereits vor 20 Jahren begonnen. Und dessen Geschichte hat’s in sich.

Marvel verliert die Filmrechte an Spider-Man

Die Kino-Erfolge der verkauften Franchises, insbesondere jene von «X-Men» und «Spider-Man», halten Marvel über Wasser. Gerade so. Denn viel vom eingespielten Geld sieht das Comic-Unternehmen nicht. «Wir haben den grössten Teil unseres Geschäfts verschenkt», trauert Avi Arad, damals CEO von Marvel Films, den Filmrechten nach.

Knapp zehn Jahre später die Wende: Marvel, das sich finanziell einigermassen erholt hat, tauft Marvel Films in Marvel Studios um, setzt Kevin Feige an dessen Spitze und beginnt, selbstständig Filme zu produzieren. 2008 lanciert das Studio mit der weniger populären zweiten Superhelden-Riege das MCU. «Iron Man», «Thor» und «Captain America» machen den Anfang. «The Incredible Hulk» kriegt dank einem Spezial-Deal mit Universal ebenfalls einen Solo-Film.

Dann der Auftritt Disneys. 2009 kauft das amerikanische Unternehmen Marvel – und damit Marvel Studios – für eine Summe von 4,24 Milliarden Dollar. Ein Schnäppchen. 2012 folgt mit «The Avengers» der erste komplett unter den Fittichen Disneys produzierte und vertriebene Marvel-Studios-Film.

Er spielt 1,518 Milliarden Dollar ein.

Spider-Man kehrt zu Marvel zurück – vorübergehend

Nach Sam Raimis gefeierter Spider-Man-Trilogie läuft’s der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft nicht mehr rund. Zumindest nicht im Kino.

Sony bleibt keine andere Wahl, als ein Zugeständnis zu machen.

Ein Deal entsteht, der Spider-Man neues Leinwandleben einhauchen soll: Marvel Studios «leiht» seinen Chef und Mastermind hinter dem Marvel Cinematic Universe, Kevin Feige, an Sony aus, um zwei Spider-Man-Filme zu produzieren und ins MCU einzugliedern – «Homecoming» und «Far From Home».

Sony übernimmt dafür die Produktionskosten. Disney behält die Merchandise-Rechte und die damit verbundenen Gewinne sowie 5 Prozent der Ticketeinnahmen an den Kinokassen. Sony hingegen bleiben die restlichen 95 Prozent der Kinoeinnahmen sowie die Filmrechte. Aber: Spider-Man darf in drei weiteren Marvel-Filmen vorkommen, die von Marvel Studios produziert werden: «Civil War», «Infinity War» und «Endgame».

Damit gehört Spidey offiziell zum MCU.

Aber Disney ist überzeugt: Ohne Kevin Feiges Produzenten-Power wäre ein derart grosser Erfolg Spideys nicht möglich gewesen. Eine höhere Gewinnbeteiligung sei daher nichts anderes als gerechtfertigt. Sony hält dagegen. Es kommt zum Streit. Die Zusammenarbeit wird per sofort beendet.

Spider-Man ist raus aus dem MCU.

Ein Streit, den niemand so recht glauben will

«Wir sind enttäuscht, aber respektieren Disneys Entscheidung», sagt ein Sony-Verantwortlicher im August 2019 zur US-Fachzeitschriftt The Hollywood Reporter.

Berichten zufolge will Disney den auslaufenden Vertrag dahingehend modifizieren, dass künftig sowohl die Einnahmen als auch die Produktionskosten gleichmässig aufgeteilt werden. Zudem will Disney den Vertrag auf weitere Spider-Man-Charaktere ausweiten – etwa auf Venom.

Zudem hat Sony mit «Spider-Man: Into the Spider-Verse» gerade erst den Oscar für den besten Zeichentrickfilm eingeheimst und bewiesen, dass das Studio doch nicht so stark von Disney abhängig ist wie angenommen: Beide Seiten sehen sich selbst als jene, die am längeren Hebel sitzt. Als sich Sony und Disney vom Verhandlungstisch erheben und das Ende von Spidey im MCU verkünden, ahnen die meisten Branchenexperten bereits, dass beide Parteien nur eines im Sinn haben.

Einen Bluff.

Sony weiss das.

«Homecoming»: Ein letztes Mal?

Am 5. September 2019 kommentiert Sony-Pictures-CEO Tony Vinciguerra die Beziehungen zwischen seinem Arbeitgeber und Disney wie folgt: «Die Türen sind geschlossen… für den Moment.»

Vinciguerra gibt den harten Verhandlungspartner, lässt aber ein Türchen offen. Schon zwei Wochen zuvor in Sonys Pressemitteilung hiess es, dass die Verhandlungen auch deswegen gescheitert seien, weil Marvels Kevin Feige «too busy» sei, um einen zusätzlichen Spider-Man-Film für Sony zu machen. Weiss Vinciguerra über Feiges Star-Wars-Verhandlungen mit LucasFilm-Chefin Kathleen Kennedy bescheid?

Spekuliert wird, dass Disney und Sony die letzten beiden Filme nutzen wollen, um den Charakter würdig aus dem MCU zu verabschieden. Wahrscheinlicher scheint aber, dass sich Sony und Disney einfach mehr Zeit erkaufen wollten, um einen neuen, längerfristigen Deal auszuhandeln.

Spider-Mans zweites «Homecoming» scheint dafür perfekt. Das 20-jährige Tauziehen hat ein Ende. Vorerst.

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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