Ratgeber

Wozu ein Graufilter gut ist und wie du den richtigen auswählst

David Lee
18.10.2018

Normalerweise willst du möglichst viel Licht beim Fotografieren. Mit einem Graufilter erreichst du genau das Gegenteil: Er dunkelt ab und verlängert die Belichtungszeit. Wofür du das brauchst und welchen der unzähligen Filter du auswählen musst, erfährst du hier.

In Langzeitaufnahmen verschwimmen Bewegungen und ermöglichen schöne Effekte.
Drei unserer Mitarbeiter haben zum Beispiel letztes Jahr in den Bergen Stahlwolle abgebrannt, um die Langzeitbelichtungstauglichkeit von Smartphones zu testen.

Manchmal wäre es auch reizvoll, bei Tag lange zu belichten. Etwa um Wasserbewegungen verfliessen zu lassen. Oder für Architekturaufnahmen, wenn die Menschen nicht erkennbar sein sollen.

Doch wenn du bei Tag sehr lange belichtest, gelangt zu viel Licht auf den Sensor. Das Bild wird überbelichtet. Darum brauchst du für diese Fälle einen Filter, der Licht schluckt. Ein solcher Filter heisst Graufilter oder ND-Filter (Abkürzung für neutral density oder Deutsch Neutraldichte).

Graufilter kommen zudem recht häufig bei Videos zum Einsatz. Auch Video Producer möchten ab und zu mit offener Blende filmen. Ausserdem belichten sie ungern mit sehr kurzen Belichtungszeiten, auch wenn das technisch möglich ist. Der Grund: Wenn die Einzelbilder leicht verschwommen sind, wirkt im Video der Bewegungsablauf flüssiger und natürlicher, als wenn jeder Frame eingefroren wird.

Wenn du überlegst, einen Graufilter zu kaufen, gibt es bei der Wahl des richtigen Filters gleich mehrere Dinge zu klären.

  1. Welcher Filter passt zu meinem Objektiv?
  2. Welche Stärke brauche ich?
  3. Brauche ich einen runden oder einen quadratischen Filter?

Welcher Filter passt? Der Filterdurchmesser

Die meisten Objektive haben vorne ein Filtergewinde. Da wird der Filter reingeschraubt. Natürlich muss die Grösse passen. Der Filterdurchmesser steht normalerweise auf der Vorderseite am Rand des Objektivs, manchmal auch auf der Unterseite des Objektivs (Nikon).

Wahrscheinlich haben nicht alle deine Objektive den gleichen Durchmesser. Du müsstest also mehrere Graufilter kaufen. In vielen Fällen kannst du das mit einem Filteradapter umgehen. Du kaufst den Filter für den grössten Durchmesser deiner Objektive. Bei diesem schraubst du den Filter direkt drauf. Bei einem kleineren Objektiv verwendest du den Adapter.

Direktlink zu den Filteradaptern

Die richtige Stärke des Filters

Je nachdem, wie hell es ist, wie lange du belichten willst und welche Blende du benutzen willst, ist eine stärkere oder schwächere Abdunkelung gefragt. Die klassischen ND-Filter schlucken aber eine fest vorgegebene Menge Licht, denn sie sind im Prinzip einfach dunkles Glas.

Für Videos sind nur schwache Filter (bis Faktor 32) sinnvoll, da du ja nie länger als 1/50 Sekunde belichtest. Für die Fotografie dagegen sind die stärkeren Filter interessant.

Für Wasserbewegungen oder schnelle Bewegungen wie vorbeifahrende Autos ist der 64er sicher gut. Wenn ich mich für einen Filter entscheiden müsste, würde ich aber den 1000er wählen. Nur damit kannst du bei Sonnenschein auch 20 Sekunden oder noch länger belichten. Bei starkem Wind kannst du so selbst Wolken zerfliessen lassen.

Es gibt auch ND-Filter mit variabler Stärke. Sie sind beweglich und ändern ihren Verdunklungsgrad, wenn du am Ring drehst. Das klingt sehr verlockend – du musst dich nicht entscheiden, gibst weniger Geld aus und schleppst weniger mit dir rum.

Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch. Denn diese Filter haben zwei grosse Nachteile.

  • Sie sind zwar variabel, aber nicht unbedingt in dem Bereich, den du zum Fotografieren brauchst. Für viele Zwecke dunkeln sie einfach nicht stark genug ab.
  • Die Qualität kommt nicht an die eines Filters mit fester Verdunklung heran. Insbesondere mit Weitwinkelobjektiven kann es Probleme geben.

Ich habe für diesen Beitrag den oben gezeigten variablen Filter von Hoya an einem Weitwinkelobjektiv ausprobiert. Es handelt sich hier nicht um ein Billigprodukt und es sieht auch nicht billig aus. Dennoch war ich vom Ergebnis unterwältigt. Es treten grosse und massiv verdunkelte Stellen auf. Wenigstens passiert das nur im extremen Weitwinkel (10 mm, entspricht 15 mm im Vollformat) und auch nur wenn der Filter relativ stark eingestellt wird.

Also: Finger weg von diesen Filtern, wenn du mit Weitwinkel arbeitest! Du kannst stattdessen mehrere Filter hintereinander schrauben. Denn der Filter hat selbst auch ein Filtergewinde. Dann sind natürlich auch schwächere Filter als ND64 sinnvoll.

Das ist das von mir benutzte Weitwinkelobjektiv.

Rund oder quadratisch? Einschubfilter als Alternative

Nicht alle Filter werden direkt aufs Objektiv geschraubt. Einschubfilter sind quadratisch und werden in eine Halterung gesteckt. Diese schraubst du an das Objektiv, was bedeutet, dass du einen Adapter mit passendem Filtergewinde benötigst. Aber immerhin, es ist nur der Adapter, der von der Objektivgrösse abhängt. Der ganze Rest, das System und die Filter selbst, passen immer, müssen also nur einmal gekauft werden.

Filter für Drohnen

Drohnen haben wieder eigene Filter, da die Kameras ja speziell klein sind. Die Filter sind relativ günstig und laut Benutzerwertungen sehr nützlich. Der Fall scheint mir klar: Wenn du schon einen vierstelligen Betrag für eine Drohne ausgibst, dann gehört ein Filter-Set unbedingt auch dazu.

Direkt zu allen Drohnen-Filtern

Anfängerfehler vermeiden

Ich bin Anfänger, was ND-Filter betrifft. Als solcher habe ich extra für dich eine Reihe von Fehlern gemacht, vor denen ich dich jetzt warnen kann.

Erstens: Unscharfe Bilder. Durch einen richtig starken ND-Filter funktioniert der Autofokus nicht mehr, weil zu wenig Licht durchkommt. Daher musst du ohne Filter fokussieren, dann den Autofokus abschalten, Filter drauf, und abdrücken. Wichtig: Bei jedem Versetzen der Kamera oder auch nur des Winkels neu fokussieren.

Zweitens: Noch mehr unscharfe Bilder. Nachdem ich konsequent manuell fokussiert hatte, waren immer noch einige Fotos unscharf. Entweder habe ich aus Versehen den Fokus am Ring verstellt, oder das Stativ war zu wenig stabil. Manchmal entstehen Verwackler auch, wenn du mit Stativ fotografierst und den Bildstabilisator nicht ausschaltest. Das kann ich bei mir ausschliessen, weil das Objektiv gar keinen Bildstabi hat.

Viertens: Falsche Farben. Der Neutraldichtefilter heisst so, weil er die Farben neutral darstellt, also gleich wie ohne Filter. Trotzdem sehen die Farben mit Filter anders aus als ohne.

Taugt etwa der Filter nichts? Doch! Das Problem ist, dass sich die Kamera-Automatik vom Filter täuschen lässt. Ohne Filter hat die Kamera den Weissabgleich im Beispiel oben auf 4700 Kelvin festgelegt, mit Filter in der genau gleichen Situation auf 7100 Kelvin. Das führt zu viel wärmeren Farben. (In diesem Fall war das sogar gut, weil die Kamera ohne eher zu kalter Einstellung neigt.)

Im RAW-Format kannst du den Weissabgleich ohne Verluste im Nachhinein ändern. Ein Problem sind die unterschiedlichen Farben also nur, wenn du mit JPEG fotografierst. Dann musst du halt den Weissabgleich manuell festlegen. Ich empfehle, bei der Arbeit mit ND-Filtern aber sowieso prinzipiell mit RAW zu arbeiten.

Titelbild: Adobe Stock / Marc Braner

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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