Wie viel muss ein Smartphone kosten? Das Nokia C12 bietet zu viel Retro-Feeling
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Wie viel muss ein Smartphone kosten? Das Nokia C12 bietet zu viel Retro-Feeling

Jan Johannsen
28.4.2023

Wie viel muss ein günstiges Smartphone kosten, damit ich es gut finde? Ich probiere es aus und fange mit dem Nokia C12 an. Das ist zwar neu, fühlt sich aber alt an.

Abnehmbare Rückseite, austauschbarer Akku, ein Klinkenanschluss für Kopfhörer und nur eine Kamera: Ein brauchbares Smartphone muss nicht teuer sein. Doch welches günstige Smartphone erfüllt die Mindestansprüche und lässt sich guten Gewissens empfehlen? Ich starte meine Suche mit dem Nokia C12. Seine unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 119 Euro / Franken.

Schöne Rückseite, Display in Ordnung

Die abnehmbare Rückseite des Nokia C12 besteht aus Kunststoff. Mit ihrer leichten Maserung ist sie griffig, zieht keine Fingerabdrücke an und gefällt mir besser als die spiegelnde Rückseite des Xiaomi 13 Pro, für die sicherlich ein hochwertigerer Kunststoff verwendet wird. Das gesamte Smartphone ist nach IP52 gegen Tropfwasser geschützt. Das ist weniger als ein Schutz vor Spritzwasser.

Ein dezentes Muster für mehr Grip.
Ein dezentes Muster für mehr Grip.
Quelle: Jan Johannsen

Auf der Vorderseite des Nokia C12 befindet sich ein 6,3 Zoll großes IPS-Display. Die Farbwiedergabe gefällt mir und ist kein Nachteil gegenüber AMOLED-Displays. Deren Vorteil wird erst deutlich, wenn ich beim C12 das dunkle Design aktiviere. Das IPS-Panel bekommt Schwarz nicht so dunkel hin. Es wirkt eher wie Grau. Zur Helligkeit macht Nokia keine Angaben, aber bei Sonnenschein bewege ich mich in den Schatten, um den Bildschirm gut zu erkennen.

Die Auflösung fällt mit 1600 × 720 Pixeln niedrig aus. Die Pixeldichte kommt mit 278 ppi trotzdem nah an die Grenze von 300 ppi heran. Ab dieser gibt es bei einem üblichen Sichtabstand – z.B. Smartphone gemütlich in der Hand halten – für das menschliche Auge keinen erkennbaren Unterschied mehr bei der Schärfe. Das Nokia C12 liegt damit noch knapp im Rahmen.

Dieses Display mag Schatten.
Dieses Display mag Schatten.
Quelle: Jan Johannsen

Ungewohnt ist, dass Nokia beim C12 auf einen Fingerabdrucksensor verzichtet. Neben der Eingabe von Passwort oder PIN bleibt mir noch die Gesichtserkennung als bequeme Entsperrmethode. Sie arbeitet etwas langsamer als bei teureren Smartphones, erkennt mich aber zuverlässig.

Ein Smartphone, das Geduld verlangt

Bei der Rechenleistung des C12 setzt Nokia auf den SC9863A1-Chipsatz des wenig bekannten Herstellers Unisoc. Er verfügt über acht Rechenkerne, die je zur Hälfte mit 1,2 und 1,6 Gigahertz takten. Das ist vergleichsweise langsam. Zudem wird der Chipsatz im 28-Nanometer-Verfahren gefertigt. Zum Vergleich: Der Mittelklasse-Chipsatz des Nothing Phone (1) wird im 6-Nanometer-Verfahren hergestellt. Es gilt die Faustregel: Je feiner die Herstellung, desto mehr Leistung können die Prozessoren liefern.

Mein Testgerät verfügt über drei Gigabyte Arbeitsspeicher. Standardmäßig vertreibt Nokia bei uns aber nur die Variante mit zwei Gigabyte RAM. Allerdings stellt mich das Nokia C12 auch mit drei Gigabyte nicht zufrieden. Die Ladezeiten der Apps sind spürbar länger und ich muss eine gefühlte Ewigkeit warten, bis eine Berührung auf dem Touchscreen eine sichtbare Aktion auslöst. Das führt teilweise dazu, dass ich doppelt tippe, weil ich zu ungeduldig bin. Die Gestensteuerung von Android wird durch die Langsamkeit des Smartphones fast unnutzbar. Schuld an meiner Ungeduld sind die schnelleren Smartphones, die ich sonst in der Hand habe, und bei denen ich schon lange keine Verzögerung mehr erlebt habe.

Um die Leistungsfähigkeit des Nokia C12, bzw. seines Prozessors in Zahlen zu fassen, wollte ich Geekbench 6 laufen lassen. Der Benchmark-Test läuft aber nicht auf dem Smartphone. Deswegen greife ich auf Geekbench 5 zurück. Die Ergebnisse sind ernüchternd: 126 Punkte im Single-Core und 459 Punkte im Multi-Core-Test. Die Grafikschnittstelle Vulkan schafft es auf 109 Punkte. Das ist selbst verglichen mit dem Snapdragon 695 des Nokia X30 desaströs wenig. Smartphones mit dem Snapdragon 8+ Gen 1 von 2022 erreichen etwa zehnmal so viele Punkte.

Der interne Speicher des Nokia C12 fällt mit 64 Gigabyte klein aus, lässt sich aber mit einer microSD-Karte erweitern. Die Leistung reicht nur für simple Spiele aus und die Kamera benötigt wenig Speicherplatz für Fotos. Deshalb könnte ich die 64 Gigabyte entgegen meinen üblichen Gewohnheiten fast für ausreichend halten.

Ist die Rückseite abgenommen, kannst du Speicher- und SIM-Karten einlegen.
Ist die Rückseite abgenommen, kannst du Speicher- und SIM-Karten einlegen.
Quelle: Jan Johannsen

Ein Akku zum Herausnehmen

Der 3000-mAh-Akku des Nokia C12 ist austauschbar. Werkzeug brauchst du dafür nicht. Einfach die Rückseite abnehmen und die Batterie mit den Fingern entfernen. Die Kapazität erscheint zu den sonst üblichen etwa 5000 mAh gering. Angesichts der genügsamen Hardware komme ich damit trotzdem gut durch den Tag. Dennoch lädt das C12 nicht zur stundenlangen Benutzung ein.

Der Akku lässt sich ohne Werkzeug herausnehmen.
Der Akku lässt sich ohne Werkzeug herausnehmen.
Quelle: Jan Johannsen

Geladen wird das Nokia C12 übrigens über einen Micro-USB-Anschluss. Das fühlt sich wie ein Relikt der Vergangenheit an und ist nicht besonders schnell. Die maximale Leistung liegt bei 5 Watt. Zum Vergleich: Das Pixel 7 Pro gilt mit 25 Watt als langsam und braucht eher zwei als eine Stunde für eine volle Ladung. Beim Nokia C12 sind es noch ein paar Stunden mehr.

Alte Anschlüsse und Standards

Nicht nur der Micro-USB-Anschluss fühlt sich veraltet an, sondern auch der verfügbare WLAN-Standard. Wi-Fi 4 ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Ebenfalls alt, aber durchaus noch sinnvoll, ist der 3,5-mm-Klinkenanschluss für Kopfhörer. Drahtlose Kopfhörer verbindest du via Bluetooth 5.2 – und damit über einen zeitgemäßen Standard.

Zum Glück bald verboten: der Micro-USB-Anschluss
Zum Glück bald verboten: der Micro-USB-Anschluss
Quelle: Jan Johannsen

Wichtig ist noch, worauf Nokia verzichtet. Das C12 hat kein NFC. Mobiles Bezahlen funktioniert mit dem Smartphone nicht. Standortdienste nutzen nur GPS. Galileo und Glonass kennt das Smartphone nicht.

Android Go wird zu Android Stopp

Nokia installiert auf dem C12 Android 12 Go. Dabei handelt es sich um eine abgespeckte Version von Googles Betriebssystem, die für günstige Smartphones gedacht ist. Sie kommt mit weniger Arbeitsspeicher aus und belegt weniger Speicherplatz. Das gilt auch für die Go-Varianten mehrerer Google-Apps.

Nokia kommt auch nicht mehr ohne Werbe-Apps aus.
Nokia kommt auch nicht mehr ohne Werbe-Apps aus.
Quelle: Jan Johannsen

Den gewonnenen Speicherplatz vergibt Nokia allerdings an sechs vorinstallierten Apps von Drittanbietern. Zusammengerechnet belegen sie 570 Megabyte. Klingt nicht nach viel, aber beim ersten Start stehen dir nur noch etwa 54 Gigabyte des 64 Gigabyte großen Speichers zur Verfügung.

Zudem ist Android 12 Go nicht die aktuellste Version. Im Oktober 2022 erschien Android 13 Go – mehrere Monate, bevor Nokia das C12 vorstellte. Noch ärgerlicher: Für das günstige Smartphone liefert Nokia keine Android-Updates. Es gibt nur zwei Jahre lang vierteljährliche Sicherheitsupdates. Das ist mir selbst für ein günstiges Smartphone zu wenig Support.

Diese Kamera braucht keine Retro-Filter

Das Nokia C12 verfügt nur über eine 8-Megapixel-Kamera auf der Rückseite. Die Frontkamera liefert Selfies mit fünf Megapixeln. Das Problem ist nicht die geringe Anzahl der Kameras oder die einstellige Auflösung, sondern die Qualität. Retro-Filter brauchst du für Instagram und Co. nicht.

Für eine Kamera reicht ein kleiner Kamerabuckel.
Für eine Kamera reicht ein kleiner Kamerabuckel.
Quelle: Jan Johannsen

Farbe und Detailgenauigkeit

Nein, die Linse der Kamera war weder beschlagen noch mit einem Schutzaufkleber versehen. Scharf ist das Foto trotzdem nicht und zu den Rändern hin wird es noch unschärfer. Die Farben wirken stumpf. Ein schöner Anblick ist das nicht.

Düstere Farben und geringe Detailgenauigkeit
Düstere Farben und geringe Detailgenauigkeit
Quelle: Jan Johannsen

Ein sonniger Tag im Park. Aber weder der blaue Himmel zwischen den Wolken noch der grüne Rasen kommen zur Geltung. Es könnte auch ein schlecht digitalisiertes Analogfoto aus den 70ern sein.

In der Realität sieht der Park «Planten un Blomen» schöner aus.
In der Realität sieht der Park «Planten un Blomen» schöner aus.
Quelle: Jan Johannsen

Portrait

Die Kamera-App des Nokia C12 bietet einen Portraitmodus. Der fällt weitwinklig aus und auch pixelig. Der Hintergrund ist nur wenig unschärfer als im Automatikmodus und im Vergleich zu mir im Schatten überbelichtet. Bei andern Smartphones gleicht das ein HDR-Modus oft besser aus.

Sehr weitwinklig für ein Portrait.
Sehr weitwinklig für ein Portrait.
Quelle: Jan Johannsen

Nacht

Sogar ein Nachtmodus findet sich in der Kamera-App. Aber auch er kann die Bildqualität bei Dunkelheit nicht retten.

Pixelbrei in der Nacht.
Pixelbrei in der Nacht.
Quelle: Jan Johannsen
Der Nachtmodus macht den Pixelbrei heller.
Der Nachtmodus macht den Pixelbrei heller.
Quelle: Jan Johannsen

Selfie

Auf dem Selfie erkenne ich mich und auch, dass ich in einem Park unterwegs bin. Aber das Bild würde ich nicht verwenden wollen.

Kein Selfie zum Verschicken.
Kein Selfie zum Verschicken.
Quelle: Jan Johannsen

Fazit: Wer zu günstig kauft, kauft doppelt

Das Nokia C12 ist ein Smartphone, macht aber wenig Freude. Selbst wenn ich ihm seinen geringen Preis anrechne, überzeugt es mich nicht. Einziger Grund, es sich anzuschaffen: Du willst ein Smartphone haben, das dich zum Digital Detox zwingt.

Pluspunkte sammelt das Nokia C12 mit seinem herausnehmbaren Akku sowie Platz für zwei SIM-Karten. Die Rückseite aus Kunststoff gefällt mir ebenfalls. Das Display ist in Ordnung, aber die Hardware zu langsam. Android ohne Funktionsupdates ist eine Enttäuschung und die Kamera lädt nicht zum Fotografieren ein.

Insgesamt sind das zu viele Abstriche, um guten Gewissens sagen zu können: Das Nokia C12 kannst du nehmen, wenn du wenig Geld ausgeben willst. Etwas mehr musst schon für ein brauchbares Smartphone bezahlen.

Für meinen nächsten Test erhöhe ich den Preisrahmen um etwa 60 Euro/Franken. Mal schauen, ob das Moto G13 von Motorola genug Smartphone fürs Geld bietet.

Titelfoto: Jan Johannsen

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Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Galaxus.de. 


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