Wie ein Onlineshop die Reseller-Bots ausgetrickst hat
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Wie ein Onlineshop die Reseller-Bots ausgetrickst hat

Die Bots der Grossen kaufen kleinen Händlern limitierte Sonderausgaben ab. Damit überlasten sie nicht nur deren Server, sondern schaden auch der Branche. Bis der Sneakershop Bonkers ihnen den Mittelfinger zeigt.

Reseller schnappen Onlineshops massenweise limitierte Ware weg, indem sie Bots einsetzen. Diese kaufen innerhalb von Sekundenbruchteilen alle Stücke, um sie dann selbst mit grossem Gewinn weiterverkaufen zu können. Das Ganze ist nicht nur schlecht fürs Geschäft, sondern bringt die Server der Kleinen regelmässig an ihre Grenzen. Martin Schreiber, Geschäftsführer bei Bonkers, einem Sneakershop aus Frankfurt, hatte die Schnauze voll und wehrte sich auf seine ganz eigene Weise.

Eine Nummer zu gross

Jedes Mal, wenn Bonkers einen neuen, seltenen Sneaker in stark limitierter Stückzahl online anbietet, verzeichnet die Page über 700’000 Aufrufe pro Minute. Die heissbegehrten Schuhe gibt’s meist nur in kleinen, zweistelligen Produktmengen zu kaufen – selten sind es mehr als 70, 80 Paare.

Die Sneakerszene ist ein lukratives Business, insbesondere limitierte Sonderausgaben. Quelle: Sneakers Magazine
Die Sneakerszene ist ein lukratives Business, insbesondere limitierte Sonderausgaben. Quelle: Sneakers Magazine

Schuld am Ganzen sind Bots, die von potentiellen Wiederverkäufern auf kleine Shops losgelassen werden, um Sonderausgaben aufzukaufen und später gewinnbringend im eigenen Laden wieder loszuwerden. Diese Bots überlasten die Server, führen zu Überverkäufen, da das System so viele Bestellungen auf einmal nicht korrekt verarbeiten kann, und verärgern seriöse Kunden, die bei Launches von limitierten Produkten oft leer ausgehen.

Auf den Leim gegangen

Schreiber wollte dem Treiben nicht länger zuschauen und überlegte sich entsprechende Gegenmassnahmen. Inspiriert von zwielichtigen Facebook-Anzeigen für E-Books, hatte er die zündende Idee: Er verkaufte nicht mehr die Schuhe, sondern digitale Bilder von Schuhen. Er wollte damit nicht nur den Bots den Garaus machen, sondern zeigen, dass sich auch Kleine gegen die grossen Onlinehändler wehren können.

David gegen Goliath 2.0: Ein Screenshot der Bonkers-Homepage. Quelle: bonkers-shop.com
David gegen Goliath 2.0: Ein Screenshot der Bonkers-Homepage. Quelle: bonkers-shop.com

Der Geschäftsführer von Bonkers legte beispielsweise beim Launch des Nike SB x Parra von jedem Schuh 3’000 Exemplare in jeder Grösse an. Doch er bot nicht den Schuh, sondern sieben Produktbilder davon zu je zehn Euro an. Dies kennzeichnete er sowohl im Titel wie auch in der Produktbeschreibung klar und deutlich. Auch informierte er Nike sowie seine «echten» Kunden über die Aktion.

Immer einen Schritt voraus

Trotz Vorankündigung über die sozialen Medien, einer offiziellen Info an Nike und der Kommunikation an Stammkunden tappten die Bots reihenweise in die Falle. Wie viele Bilder von Schuhen Scheiber verkaufte, wollte er im Interview mit dem Sneakermagazin Solo nicht verraten. Er erzählte aber, dass zum Beispiel ein einzelner Grosshändler 100 Bildersets zu je 70 Euros für total 7’000 Euro gekauft hat.

Auch in der NBA ist das Schuhwerk ein Markenzeichen vieler Spieler. Quelle: USA Today
Auch in der NBA ist das Schuhwerk ein Markenzeichen vieler Spieler. Quelle: USA Today

Die Reaktionen waren gespalten: Von wüsten Beschimpfungen über Paypal-Rückforderungen bis hin zu tosendem Beifall erlebte Schreiber alles. Paypal beispielsweise kam den Rückforderungen nicht nach, da Schreiber alles richtig machte und die Produkte klar als Bilder von Schuhen und nicht als Schuhe gekennzeichnet waren. Auch die Sneakerszene feierte Bonkers’ Aktion. Während grosse Marken wie Supreme oder Nike regelmässig von Bots heimgesucht werden, schlägt ein kleiner Onlineshop aus Frankfurt den Resellern ein Schnippchen.

Mit dieser Aktion ist Schreiber nicht nur ein Coup gegen die grossen Wiederverkäufer gelungen, sondern auch ein einträglicher PR-Gag. Bleibt abzuwarten, ob andere Shops auf diesen Zug aufspringen. Allerdings ist es auch ein Leichtes, Bots entsprechend anzupassen – dann beginnt das Katz-und-Maus-Spiel wieder von vorne.

Titelbild: There's no business like shoe business – davon können dir kleine Sneakerstores ein Lied singen. Quelle: Sneaker Freaker

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Wenn ich nicht gerade haufenweise Süsses futtere, triffst du mich in irgendeiner Turnhalle an: Ich spiele und coache leidenschaftlich gerne Unihockey. An Regentagen schraube ich an meinen selbst zusammengestellten PCs, Robotern oder sonstigem Elektro-Spielzeug, wobei die Musik mein stetiger Begleiter ist. Ohne hüglige Cyclocross-Touren und intensive Langlauf-Sessions könnte ich nur schwer leben. 


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