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Lumo: Die KI von Proton späht dich nicht aus
von Jan Johannsen
KI-Anfragen kosten nicht viel, will Google mit einer neuen, selbstgeschriebenen Studie versichern. Doch Experten werfen dem Unternehmen vor, mit unrealistischen Zahlen zu rechnen.
Unterhaltungen mit KI-Chatbots fühlen sich trivial an. Doch dahinter stehen enorme Rechenzentren, deren Betrieb unter anderem viel Energie benötigt. Anbieter von KI-Modellen sehen sich immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert, ihre KI-Chatbots verbrauchten zu viele Ressourcen. Darauf wird gern entgegnet, dass die KI-Modelle immer effizienter werden und weniger Energie benötigen. Die globale Nutzung steigt aber rasant an.
Google will als Betreiber seines KI-Modells Gemini diesen kritischen Stimmen mit einer neuen Studie entgegentreten. Demnach koste eine Anfrage an Gemini so viel Energie wie neun Sekunden Fernsehen (0,24 Wh) sowie fünf Tropfen Wasser zur Kühlung der Prozessoren (0,26 Milliliter). Gleichzeitig werden Treibhausgase ausgestoßen, die einem Wert von 0,03 Gramm CO2 entsprechen.
Das klingt nicht nach viel. Doch bei mehr als 500 Millionen Besuchern auf der Gemini-Website pro Monat – was ein Vielfaches an einzelnen Anfragen an den Bot bedeutet – summieren sich die kleinen Werte enorm auf.
Interessant wäre zudem, wie viel eine normale Anfrage an Googles Suchmaschine ohne KI-Beteiligung kostet. Das beantwortet die Studie aber nicht. Als Kontext: Eine Schätzung aus Februar 2025, die Google-Suchen mit Anfragen an Geminis Konkurrenten ChatGPT vergleicht, spricht von einem rund zehnmal höheren Energiebedarf (0,0003 kWh versus 0,0029 kWh) bei KI-Anfragen.
Die Studie hat außerdem nicht den wissenschaftlichen Peer-Review-Prozess durchlaufen. Dabei untersuchen unabhängige Forscherinnen und Forscher das Papier auf Herz und Nieren und können Einwände formulieren, bevor die Forschung veröffentlicht wird. Und laut The Verge gäbe es viele Einwände, denn Google lässt offenbar wichtige Kennzahlen aus und rechnet mit beschönigten Werten.
Dazu kommt, dass die Studie von Google selbst angefertigt wurde, nicht von einem unabhängigen Institut. Das Unternehmen gibt an, dass die errechneten Werte «deutlich geringer sind als öffentliche Schätzungen»: Google hat großes Interesse daran, diese öffentlichen Schätzungen deutlich zu unterbieten. «Wir haben das selbst berechnet», schreibt das Unternehmen im Titel seiner Pressemittelung – und das zeigt, wo das Problem liegt.
Auf The Verge melden sich Experten zu Wort, etwa Shaolei Ren und Alex de Vries, die beide selbst zum Energieverbrauch von KI-Modellen forschen.
Die beiden bemängeln, dass Google bei der Berechnung von Energie- und Wasserverbrauch Medianwerte nutze, während sich andere relevante Forschungsarbeiten auf Durchschnittswerte stützen. Medianwerte beschönigen die Werte, da keine Ausreißer berücksichtigt werden, während Durchschnittswerte den Gesamtverbrauch einbeziehen. Google gibt auch keine Details dazu an, auf welchen Prompts die Medianangaben basieren.
Darüber hinaus bezieht Google laut Ren den indirekten Wasserverbrauch nicht mit ein: Berücksichtigt werde nur das Wasser, das für die Kühlung der Server benötigt wird. Der größte Wasserverbrauch liege aber in der Stromerzeugung, etwa für die Kühlung von Kernkraftwerken. Ren selbst kommt in seinen Berechnungen auf 50 Milliliter Wasserverbrauch pro Anfrage an einen Chatbot – Googles Angabe liegt mit 0,26 Milliliter um ein Vielfaches darunter.
Auch bei den Kohlenstoffemissionen nutzt Google laut den beiden Experten unrealistische Daten. Googles Studie beziehe sich auf allgemeine Markt-Emissionsdaten, die auch Verpflichtungen zur Förderung erneuerbarer Energien berücksichtigen. Realistischer seien jedoch standortbasierte Daten, also Zahlen, die den tatsächlich genutzten Energiemix der Rechenzentren wiedergeben.
Google gibt die standortbasierten Faktoren zwar an, verwendet sie jedoch nicht in der Berechnung. So wurde Meta dieses Jahr etwa kritisiert, weil das Unternehmen zum Decken des Energiebedarfs seiner Rechenzentren neue Gaskraftwerke bauen will. Google unterstützt den Aufbau von Kernkraftwerken, deren Bau genau wie die Entsorgung der verbrauchten Brennstoffe teuer und energieaufwändig ist.
Googles neue Studie ist also eher als pseudowissenschaftlicher Marketing-Stunt und nicht als ernstgemeinte Beschäftigung mit den selbst verursachten Problemen zu sehen.
Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.