Kritik

«Void Sails» im Test: Ein gelungenes Indie-Spiel, das genau meinen Nerv trifft

«Void Sails» klingt wie eine Mischung aus «The Legend of Zelda: The Wind Waker» und Cthulhu-Mythologie. Ganz so abenteuerlich wird es zwar nicht. En paar gemütliche Stunden auf einem fliegenden Schiff in einer magischen Welt bietet das Spiel aber allemal.

An regnerischen Tagen kuschle ich mich gerne mit Tee beim Lesen ein. Als ich «Void Sails» das erste Mal auf meinem PC starte, erwarte ich nicht, dass mir das Spiel dasselbe Gefühl gibt. Das tut es aber. «Void Sails» fühlt sich wie ein Spielbuch in Game-Form an.

(Abenteuer-)Spielbücher sind eine Art von Romanen, die in der Regel nicht linear von vorne nach hinten gelesen werden. Stattdessen treffe ich Entscheidungen, die mich auf bestimmte Buchseiten verweisen, welche die Handlung von meiner Wahl geprägt weitererzählen. Meist geht es darum, ein Hindernis zu überwinden, einen verschollenen Schatz zu finden oder aus einem Hotel zu entkommen. Je nach Entscheidung sterbe ich möglicherweise durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse und muss von vorne anfangen. Ganz so gnadenlos erlebe ich «Void Sails» nicht, obwohl ich auch hier regelmässig Entscheidungen treffe, die einen Einfluss auf die Geschichte haben.

Auf der Suche nach dem verschollenen Vater – und Cthulhu?!

In der Vorabversion von «Void Sails» schlüpfe ich in die Rolle des namenlosen «Captain», der seinen Vater sucht. Dieser kehrte von einer Expedition nicht mehr nach Hause. Dafür begebe ich mich auf ein Schiff und überquere kein Meer, sondern das Weltall.

Im Weltall muss ich Vorsicht walten lassen. Die Ordnungshüter in Form der Inquisition sind überall. Denn an allen Ecken und Kanten des Universums schiessen mysteriöse Kulte hervor, die eine Vorliebe für okkulte Rituale haben.

Während der Geschichte habe ich mehrfach die Wahl: Führe ich selbst ein fragwürdiges Ritual aus, um meinen Vater zu retten, oder halte ich mich an das Gesetz und die offiziellen Instanzen? Ich weiss nie, wem ich trauen kann. Die Inquisition greift mit harter Hand durch, der charmante und sogenannte «Mann in Gelb», der sich am Anfang als Unterstützung anbietet, ist mir aber auch nicht geheuer. Weil ich mich schon vertieft mit dem Cthulhu-Mythos auseinandergesetzt habe, kann ich mir aber denken, was für eine Art Charakter mich mit ihm erwartet: definitiv kein hilfsbereiter Samariter.

Das sind die perfekten Voraussetzungen für ein Cthulhu-esques oder Lovecraft’sches Abenteuer: Die Geschichten, in denen die Protagonisten üblicherweise dem Wahnsinn verfallen, weil sie mit einer unliebsamen Wahrheit oder allmächtigen Aliens konfrontiert werden, die das menschliche Hirn nicht verarbeiten kann. Die Alten Götter aus «World of Warcaft», der Gedankenschinder aus «Stranger Things» oder das komplette Spiel «Bloodborne» von FromSoftware sind nur einige Beispiele, die davon inspiriert sind.

So hat sich der Schöpfer des Cthulhu-Mythos sein bekanntestes Monster vorgestellt.
So hat sich der Schöpfer des Cthulhu-Mythos sein bekanntestes Monster vorgestellt.
Quelle: H. P. Lovecraft

Überhaupt besitzt der Cthulhu-Mythos die besondere Eigenschaft, dass nicht alle seine Inhalte aus der Feder seines umstrittenen Schöpfers H. P. Lovecraft stammen. Der Autor befand sich zu Lebzeiten – in denen er weder reich noch berühmt wurde – in Kontakt mit zahlreichen anderen Kunstschaffenden, die sein Universum mit eigenen Geschichten ergänzt haben. So stammt beispielsweise die Inspiration für den «Mann in Gelb» vom Autor Robert W. Chambers.

«Void Sails» legt seine Einflüsse aus dem Cthulhu-Mythos offen, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen. Das erwarte ich von einer Spielbuch-ähnlichen Geschichte aber auch nicht. Die vorhandenen Inhalte liefern genug Stoff, um die Handlung interessant zu machen und knackig voranzutreiben.

Entscheidungen nach A-oder-B-Prinzip

Der Spielbuch-Vergleich rührt daher, dass ich während der Handlung – die ich in Textform erlebe – Entscheidungen treffe, die das Ende von «Void Sails» beeinflussen. Dafür wähle ich simpel Antwort A oder Antwort B aus. Mein individuelles Ende erlebe ich nach ungefähr vier Stunden Spielzeit mit einem zufriedenem Gefühl. Durch die kurze Spielzeit bietet es sich an, das Game erneut zu starten, um weitere Handlungsstränge und Enden zu erkunden.

Beim Lesen treffe ich ständig kleinere oder grössere Entscheidungen.
Beim Lesen treffe ich ständig kleinere oder grössere Entscheidungen.

Manchmal gehen die Antworten auf sogenannte Skill-Checks über. Das heisst, dass ich auf einen meiner drei Statuswerte würfeln muss: Wissen, Wahrnehmung und Entschlossenheit.

Das Würfeln findet mit einer Drehscheibe statt. Meine gedrehte Zahl muss gleich oder unter einem bestimmten Wert liegen, der von der Schwierigkeitsstufe des Checks bestimmt wird. Je höher mein Statuswert ist, desto einfacher fällt der Check aus.

Die Zahl in der Mitte (89) zeigt an, welchen Wert ich auf der Drehscheibe maximal erreichen darf. Mit der gedrehten 61 liege ich locker im Rahmen und bestehe den Wissens-Skill-Check.
Die Zahl in der Mitte (89) zeigt an, welchen Wert ich auf der Drehscheibe maximal erreichen darf. Mit der gedrehten 61 liege ich locker im Rahmen und bestehe den Wissens-Skill-Check.

Zu Beginn der Handlung wähle ich meinen Werdegang aus und bestimme damit meine Ausgangswerte. Wie immer erstelle ich einen besonders intelligenten Charakter – auf Kosten der anderen Statuswerte. So kommt es, dass ich Wahrnehmungs-Checks ständig vermassle. Das führt dazu, dass dieser Wert sinkt. Wenn ich in «Void Sails» Checks bestehe, steigen meine Statuswerte und wenn ich sie vermassle, sinken sie.

Es frustriert mich, dass ich meine Wahrnehmungs-Checks trotz unterstützender Items, wie magischer Bücher oder Glücksbringer, nicht bestehe. Dadurch sinkt mein Wert so tief, dass irgendwann nicht einmal Gegenstände helfen. Die Drehscheibe treibt mich in einen Negativ-Strudel, aus dem es kein Entkommen gibt. So habe ich bei Entscheidungen, die eine gute Wahrnehmung erfordern, kaum Chancen, sie zu bestehen. Das sperrt mich aus manchen Handlungssträngen aus. Das passt zum Rollenspiel-Faktor des wertebasierten Würfel-Systems von «Void Sails». Durch gleichmässiges Skillen zu Beginn des Spiels kannst du das Problem auch einfach umgehen.

Bevor ich eine Wahl treffe, zeigt mir das Spiel, ob sie von einem Skill-Check abhängig ist und wie meine Chancen stehen.
Bevor ich eine Wahl treffe, zeigt mir das Spiel, ob sie von einem Skill-Check abhängig ist und wie meine Chancen stehen.

Auf dem Schiff wird’s spielerisch

Wenn ich nicht würfle und Entscheidungen fälle, erkunde ich die offenen Areale mit meinem Luftschiff. Ich ankere an Orten, an denen mich mehr von der Handlung oder Nebengeschichten erwarten. Gelegentlich löse ich simple Schalter aus oder bekämpfe feindliche Schiffe.

Mal sehe ich Wüsten, mal Gebirge und mal erkunde ich verwinkelte Höhlen.
Mal sehe ich Wüsten, mal Gebirge und mal erkunde ich verwinkelte Höhlen.

Drei Schusswaffen sind Teil meiner Ausrüstung: Zwei herkömmliche sowie eine stärkere Solar-Kanone, die einen Laserstrahl schiesst. Je nachdem in welche Richtung ich beim Zielen schaue – nach vorne, links oder rechts –, schiesse ich mit einer anderen Waffe. Dadurch, dass die Kanonen eigene Abklingzeiten haben, bekommen die Kämpfe etwas Taktik. So gerne ich mit der Solar-Kanone alles pulverisieren würde, muss diese mächtige Waffe länger als die beiden seitlichen Kanonen nachladen und kommt spärlicher zum Einsatz.

Die Steuerung fühlt sich etwas träge an. Mein Schiff nimmt manchmal beim Lenken so viel Schwung mit, dass ich in Wände krache und Lebenspunkte verliere. Es ist nicht so schlimm, dass es mir den Spielspass nimmt. Während der Kämpfe ärgert es mich aber unnötig.

Die Solar-Kanone benötigt einige Sekunden, bis sie voll aufgeladen ist, ballert dafür aber ordentlich rein.
Die Solar-Kanone benötigt einige Sekunden, bis sie voll aufgeladen ist, ballert dafür aber ordentlich rein.

Ein weiteres, essenzielles Feature meines Schiffes sind die Schutzschilde. Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass Angriff in diesem Spiel eben nicht die beste Verteidigung ist. Die gegnerischen Schiffe ballern während der Kämpfe zurück und lassen meine Lebensleiste nur so dahinschmelzen, wenn ich keinen Schutzschild aktiviere. Nach fünf frühen, frustrierenden Toden gegen einen Piraten macht es bei mir zum Glück «Klick». Seither gehe ich mit mehr Geduld in die kurzweiligen Schiff-Schlachten. Das erhöht meine Erfolgschance drastisch.

Mein Schiff kann ich auch verbessern und beispielsweise meine Schilde robuster oder meine Solar-Kanone stärker machen.

Ich investiere mein Gold am liebsten ins Schutzschild.
Ich investiere mein Gold am liebsten ins Schutzschild.

Maue Abwechslung sowie einsackende Performance

Das letzte, eher unbeeindruckende Gameplay-Element von «Void Sails» ist die Reise zwischen den offenen Arealen und Handlungs-Sequenzen. Sie findet über eine interaktive Karte statt, in der ich auf den Punkt klicke, an den ich als Nächstes reisen will. Dabei lege ich Zwischenhalte ein, an denen ich mit übernatürlichen Ereignissen konfrontiert werde. Auch hier gilt es meistens, Skill-Checks zu absolvieren, die mich in eine Richtung der Handlung treiben oder mir einen wertvollen Gegenstand zur Belohnung einbringen.

Ich klicke mich von Punkt zu Punkt und verliere während der Reise langsam meinen Proviant. Der rosa Punkt vor meinem Schiff bedeutet, dass mich ein Zwischenhalt erwartet.
Ich klicke mich von Punkt zu Punkt und verliere während der Reise langsam meinen Proviant. Der rosa Punkt vor meinem Schiff bedeutet, dass mich ein Zwischenhalt erwartet.

Zwischendurch raste ich am Leuchtturm und sacke Proviant ein – ein winziges Management- beziehungsweise Survival-Element in Form von Essen ist ebenfalls vorhanden. Das ist so simpel gelöst, dass man es auch hätte weglassen können. Bevor ich zur nächsten Karte aufbreche, sagt mir das Spiel, wie viel Proviant ich einkaufen muss. Selbst, wenn ich Umwege auf meiner Reise einlege, besitze ich immer genügend Proviant. Nervenkitzel entsteht nie.

Das Proviant-System ist überflüssig.
Das Proviant-System ist überflüssig.

Das Erstlingswerk des Indie-Studios Ticking Clock Games hinterlässt bei der Inszenierung einen guten Eindruck. Die Texte, die mir die Handlung beschreiben, sind packend geschrieben. Gelegentliche Dialoge sind gelungen auf Englisch vertont. Apropos: «Void Sails» gibt es nur in englischer Sprache.

Mehr Qualität wünsche ich mir bei der Performance des Spiels. Auf den Punkte-Karten läuft nicht alles ruckelfrei. Ausserdem stürzte mir das Spiel mehrfach ab – zweimal innerhalb der ersten 1,5 Stunden an derselben Stelle. Ich weiss beim Schreiben des Reviews nicht, ob sich das mit der Veröffentlichung verbessert. Was folgen soll, sind Controller- und Steam-Deck-Support.

Während ich «Void Sails» mit Maus und Tastatur zocke, stelle ich mir vor, wie viel mehr Spass mir das auf dem Steam Deck machen würde – am besten eingekuschelt mit einem Tee.

«Void Sails» ist seit dem 14. Mai 2025 für PC für knapp 21 Franken erhältlich. Ich habe die PC-Version über Steam getestet.

Fazit

Trotz fehlender Komplexität ein gemütliches Cthulhu-Abenteuer

«Void Sails» ist ein spielbares Buch mit Weltraum-Schiffen im Cthulhu-Mythos. Eine absurde Mischung, die gleichzeitig fesselnd und gemütlich ist.

Das Spiel richtet sich an ein spezifisches Publikum: Cthulhu- und Sci-Fi-Fans, die gerne lesen. Das Videospiel fühlt sich wie ein Spielbuch aus Kindheitstagen an und erzählt eine spannende Geschichte mit einer Menge Entscheidungsfreiheit. Die Erkundung über das Schiff und die Kanonen-Schlachten bieten spassige Abwechslung. An manchen Stellen ist die Steuerung leider etwas fummelig. Mit knapp vier Stunden Spielzeit ist «Void Sails» ein kurzes, aber wunderbares und gemütliches Abenteuer.

Pro

  • Gelungene Cthulhu-Geschichte mit Mystery-Elementen
  • Entscheidungsfreiheit, vergleichbar mit einem Spielbuch
  • Mehrere Gameplay-Elemente sorgen für Abwechslung beim Lesen

Contra

  • Fähigkeiten-System, Skill-Checks und Proviant zu wenig ausgefeilt

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Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.


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