Chris Walker
Produkttest

Sony WH-1000 XM6: Ihre faltige Hoheit ist wieder da

Florian Bodoky
15.5.2025
Bilder: Christian Walker

Nach drei Jahren Pause lanciert Sony seine nächsten Flagship-Over-Ears. Die sechste Iteration der WH-1000-Serie verbessert sich gegenüber seinem Vorgänger in allen Punkten. Ein kleiner Störfaktor bleibt allerdings.

Sony bleibt dem grossen Redesign von 2022 treu, macht also keine Rolle rückwärts zum Techie-Look. Allerdings haben die Japaner auf ihre Fans gehört: Die Ohrmuscheln kannst du wieder fast 180 Grad drehen und vor allem falten, sodass du ihn bequemer transportieren kannst. Kollege David Lee hat seine Wette also gewonnen. Was der Einsatz dafür war, erschliesst sich mir aus dem Text nicht.

David hat seine Wette gewonnen – der neue WH-1000 lässt sich wieder falten.
David hat seine Wette gewonnen – der neue WH-1000 lässt sich wieder falten.

Der Bügel wird derweil ein wenig breiter – dies dürfte der Fangemeinde ebenfalls gefallen. Der Vorgänger verfügte über einen sehr schmalen Bügel, was wegen des punktuellen Drucks bei einigen zu Kopfschmerzen führte. Zwar ist der WH-1000 XM6 wieder einige Gramm schwerer als sein Vorgänger – 252 Gramm bringt er auf die Waage, zwei mehr als sein Vorgänger. Das ist aber nichts, worüber du dir Gedanken machen musst.

Auch beim ovalen, stoffbespannten Case bleibt Sony seiner Designsprache treu. Cool: Statt des Reissverschlusses mit dem fragilen Schlitten gibt es dieses Mal einen Magnetverschluss, etwa wie bei einer Clutch-Handtasche. Das befriedigende «Plopp» gefällt mir deutlich besser als der Reissverschluss, der zum baldigen Kaputtgehen prädestiniert war.

Magnet statt Reissverschluss – auf jeden Fall stabiler.
Magnet statt Reissverschluss – auf jeden Fall stabiler.

In Sachen Bedienung frönt Sony weiter dem Minimalismus: Ganze zwei Buttons hat es noch an der linken Ohrmuschel. Ein länglicher, schmaler Knopf für den Wechsel zwischen Geräuschunterdrückung und Ambient Mode. Letzterer lässt Geräusche von aussen durch, was im Alltag praktisch sein kann. Weiter gibt es einen flachen, runden Powerbutton fürs Ein- und Ausschalten sowie das Bluetooth-Pairing. Ein ganz kurzer Druck führt dazu, dass dir eine Stimme Auskunft über den Ladestand gibt. Alles andere regelst du über Touch-Gesten. Dahinter gibt's noch den Port für das 3,5-mm-Klinkenkabel, den heiligen Gral für Bluetooth-Feinde.

Das Klinkenkabel legt Sony bei.
Das Klinkenkabel legt Sony bei.

Rechts findest du den USB-C-Port zum Laden. Für beide Anschlüsse legt Sony ein entsprechendes Kabel bei. Ein wenig schade übrigens: Auch wenn du über das Klinkenkabel Musik hörst, musst du den Kopfhörer eingeschaltet haben. Immerhin hält der Akku 30 Stunden – weitere drei Stunden bekommst du mit lediglich drei Minuten Ladezeit.

Eine Sache, die mich zwar nicht überrascht, aber noch immer stört, sind die Silikon/Kunstleder-Applikationen auf den Ohrmuscheln. Praktisch alle Hersteller benutzen diese. Sie sind so selbstverständlich, dass ich mich langsam frage: Bin ich der Einzige mit diesem Problem? Sobald ich die Kopfhörer nämlich an wärmeren Tagen trage, laufen mir nach zehn Minuten Schweissbäche den Hals runter und ich bekomme einen Hitzestau. Ein atmungsaktives Gewebe wäre das Tüpfelchen auf dem i. Abnehm- und waschbar natürlich. Etwa, wie Apple das bei seinen Airpods Max gemacht hat.

Wenig Knöpfe – gut! Leider fehlt den Hörern eine atmungsaktive Bespannung.
Wenig Knöpfe – gut! Leider fehlt den Hörern eine atmungsaktive Bespannung.

Sound: Die akustische Schmusedecke für Grosse

Sony bleibt seiner bewährten Soundsignatur weitestgehend treu. Mit dem 30-Millimeter-Treiber haben die Japaner einen guten Weg gefunden, den Sound intensiv und spürbar zu machen, ohne in reine Bass-Effekthascherei zu verfallen. Im Gegenteil: der XM6 legt akustisch eine Raffinesse an den Tag, die seinen erfolgreichen Vorgänger hinter sich lässt. Wie immer unterstützt er dabei LDAC und DSEE.

Letzteres ist vor allem interessant, wenn du zur grossen Mehrheit der Personen gehörst, die komprimierte – also verlustbehaftete Musik – wie MP3s hört. DSEE ist eine Upscaling-Technologie, die diesen Sound verbessern will, indem sie Details, die beim Komprimieren verloren gegangen sind, wiederherstellt. Dies kannst du in der Sound Connect App aktivieren.

Klarheit und Feinzeichnung am oberen Ende

Die Höhenwiedergabe des Sony WH-1000 XM6 bringt ein ausgewogenes Mass an Detailreichtum hervor, ohne in unangenehme Schärfe zu kippen. In «Skinny Love» von Bon Iver dominieren die gezupften Gitarrensaiten und die filigranen Obertöne von Justin Vernons Stimme das Klangbild. Die Kopfhörer geben diese feinen Nuancen mit spürbarer Zurückhaltung wieder – sie klingen präsent, aber nie aufdringlich.

Die oberen Frequenzbereiche wirken leicht geglättet, was längere Hörsessions angenehm gestaltet. Zischlaute in der Stimme treten hörbar, aber sanft hervor – ein Zeichen für die kontrollierte Präsenz. Hi-Hats und luftige Akustikinstrumente behalten ihre Klarheit, ohne mit Schärfe oder Härte aufzufallen.

Diese sanfte Höhenabstimmung unterstützt vorwiegend audiophile Pop- oder Singer-Songwriter-Produktionen. Hörer, die eine analytische Höhenwiedergabe wie bei Studiomonitor-Kopfhörern bevorzugen, vermissen hier unter Umständen etwas Brillanz. Insgesamt erzeugt der WH-1000 XM6 ein weiches, sauberes und ermüdungsfreies Hochtonbild – musikalisch statt klinisch.

Intime Wärme im Herzen

Die Mitten bilden das emotionale Zentrum jeder Musikproduktion – und genau hier spielt der WH-1000 XM6 seine grösste Stärke aus. In Adeles «Someone Like You» rückt die Stimme ins Zentrum. Der Kopfhörer betont sie mit einer warmen Präsenz, die eine bemerkenswerte Intimität erzeugt. Die ganze Konstellation verleiht dem Klangbild eine samtige, körperreiche Note.

Die Klavierbegleitung bleibt klar definiert und fügt sich harmonisch ein. Trotz der wärmeren Abstimmung verfälscht der Kopfhörer den Klangcharakter nicht, er bleibt natürlich. Streicher und Hintergrundinstrumente behalten ihre räumliche Tiefe. Selbst bei komplexeren Arrangements zeigt der WH-1000 XM6 Übersicht und Klarheit. Allerdings glättet er im oberen Mittenband manche Details leicht, was zwar die Langzeithörbarkeit verbessert, aber minimale Präzision kostet. Insgesamt liefert er einen mittenbetonten, emotionalen Klang, der besonders bei Vocal- und Akustikstücken seine Stärken entfaltet.

Kontrollierte Tiefen

Der WH-1000 XM6 bringt den Bassbereich mit klarer Abstimmung und sattem Volumen zur Geltung. In «Time» von Hans Zimmer beginnt der Track subtil, bevor er sich mit tiefen orchestralen Wellen dramatisch aufbaut. Die Kopfhörer transportieren diese Crescendos mit satter Tiefe, die den Hörer komplett umhüllt, ohne zu übertreiben oder zu verwischen. Besonders im Tiefton fällt mir die präzise Kontrolle auf: Selbst bei dichten Arrangements wahrt der Kopfhörer Struktur und Ordnung – nichts klingt matschig oder überladen. Er stellt Subbässe deutlich dar, ohne sie körperlich aufdringlich zu machen, wie es manche bassbetonten Modelle tun. Seine Abstimmung vermittelt eher cineastische Tiefe als Wucht – sie setzt auf Atmosphäre statt auf reinen Punch.

Insgesamt zeigt der XM6 eine volle, angenehme Bassfülle, die sowohl elektronischen Produktionen als auch orchestralen Soundtracks zugutekommt. Bei modernen Hip-Hop-Tracks fehlt ihm manchmal der letzte Kick, was echte Bassenthusiasten möglicherweise vermissen. Für die meisten Hörer schafft er jedoch ein überzeugendes Gleichgewicht – tief reichend, kontrolliert und räumlich überzeugend. Bassfreunde können im 10-Band-Equalizer der neuen App noch Nachbesserungen vornehmen.

Geräuschunterdrückung beeindruckend, Ambient Mode revolutionär

Nach dem Motto: «Mehr hilft mehr» hat Sony insgesamt zwölf Mikrofone in seinem neuesten Gerät verbaut. Jedes Mikrofon soll Störgeräusche von aussen aufnehmen und mit einem unhörbaren Gegengeräusch auf der gleichen Frequenz blockieren. In meinem Test habe ich die Mikrofone nicht nur dem Pendellärm des Hauptbahnhofs Zürich ausgesetzt, auch ein grosser Londoner Bahnhof kam zum Handkuss. An meine Ohren gelangen keine Geräusche.

Liverpool Street, der zweitgrösste Bahnhof Londons – ein Nasenwasser fürs Noise Cancelling des XM6.
Liverpool Street, der zweitgrösste Bahnhof Londons – ein Nasenwasser fürs Noise Cancelling des XM6.

Der Gamechanger für mich ist aber der verbesserte Ambient-Modus: Während diese ganzen Hear-through-Modi durch Aussetzer, unangenehmes Eigenrauschen und unnatürlich verstärkte Aussengeräusche von sich reden machten, bringt Sony das besser hin. Ein Eigenrauschen nehme ich zwar noch immer wahr, jedoch höre ich die Geräusche von aussen so natürlich, als trüge ich gar keine Kopfhörer. Dies ist nicht nur für Gespräche oder Bahndurchsagen angenehm, sondern ermöglicht es mir, endlich Over-Ears auf dem Velo tragen zu können. Eine Sache, die je nach Verkehrslage vorher gemeingefährlich gewesen wäre.

Von den besagten zwölf Mikrofonen sind sechs AI-gestützt. AI ist zwar bisweilen ein Marketing-getriebenes Buzzword, hier sorgt es dafür, dass ich am Telefon tadellos verstanden werde. Auch ich verstehe das Gegenüber prima – selbst mit aktiviertem Ambient Mode, der Aussengeräusche zulässt. Etwas, was unumgänglich ist – ich möchte meine eigene Stimme hören, wenn ich telefoniere. Hier höre ich eine deutliche Verbesserung zum Vorgänger.

Sony WH-1000XM6 (30 h, Kabellos, Kabelgebunden)
Kopfhörer
Neu
CHF449.–

Sony WH-1000XM6

30 h, Kabellos, Kabelgebunden

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Sony WH-1000XM6

30 h, Kabellos, Kabelgebunden

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Sony WH-1000XM6

30 h, Kabellos, Kabelgebunden

Fazit

Ich frage mich, was noch besser werden soll

Sony zeigt mit dem WH-1000XM6, dass das Unternehmen auf das Feedback seiner Nutzer hört. Der überarbeitete Kopfhörer bleibt dem klaren, minimalistischen Look des XM5 treu, bringt aber den faltbaren Bügel zurück – ein Vorteil für unterwegs. Auch der breitere Bügel dürfte vielen entgegenkommen, die beim Vorgänger unter unangenehmem Druck litten. Bei der Bedienung bleibt Sony seinem dezenten Konzept treu: Zwei physische Knöpfe reichen aus, während Nutzer alle weiteren Funktionen über Touch-Gesten steuern – logisch und intuitiv. Das neue Case mit einem Magnetverschluss wirkt stabiler und hochwertiger als der bisherige Reissverschluss. Der Klang überzeugt mit Wärme, Klarheit und kontrollierter Tiefe und profitiert vom ANC auf Spitzenniveau. Der neue Ambient-Modus klingt so natürlich, dass Nutzer ihn problemlos im Alltag oder sogar im Strassenverkehr einsetzen können. Kritisch bleibt einzig das Kunstleder der Ohrpolster: Es lässt kaum Luft durch und sorgt bei warmem Wetter schnell für Hitzestau. Trotzdem liefert Sony mit dem WH-1000XM6 ein durchdachtes Gesamtpaket.

Pro

  • Sound
  • telefonieren
  • ANC / Ambient Mode
  • wieder faltbar

Contra

  • Klinkenbetrieb braucht auch Akku
  • Applikationen auf den Ohrmuscheln sind schweisstreibend
Sony WH-1000XM6 (30 h, Kabellos, Kabelgebunden)
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Sony WH-1000XM6

30 h, Kabellos, Kabelgebunden

Titelbild: Chris Walker

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Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.


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