

«Persona 5 Tactica» ist ein solides taktisches Rollenspiel, aber mehr auch nicht

«Persona 5 Tactica» bietet gutes Gameplay und eine Story, wie du sie von der Reihe erwartest. So richtig Stimmung kommt bei mir aber nicht auf.
Die «Persona»-Serie ist ein Spin-off von «Shin Megami Tensei». Oder war es, bin ich geneigt zu sagen. Mittlerweile hat selbst «Persona 5» diverse Ableger in unterschiedlichen Genres und ist daher fast eine eigenständige Serie. Nach Anime, Rhythmus-Spiel, Dungeon Crawler und Beat ’em up folgt mit «Persona 5 Tactica» ein strategisches RPG. Sieben Jahre nach Erscheinen des Originalspiels.
Die Story: Ein Königreich kommt selten allein
«Persona 5 Tactica» spielt gegen Ende des Hauptspiels – nicht der «Royal»-Edition. Joker und die restlichen Phantom Thieves werden in eine seltsame Dimension transportiert. Die erinnert an Frankreich während der Revolution. Die Bevölkerung wird durch die Monarchin Marie unterdrückt. Sie unterzieht alle Phantom Thieves ausser Joker und Morgana einer Gehirnwäsche. Die beiden treffen auf eine Frau namens Erina. Sie ist die Anführerin des Rebellenkorps, das Marie stürzen will. Von ihr erfahren sie, dass sie in einem Metaverse mit dem Namen «The Kingdoms» sind. Merke: Es ist der Plural von Königreich. Du besuchst im Verlauf der Geschichte mehr als nur dieses erste Kingdom.

Quelle: Atlus
Selbstverständlich wollen Joker und Morgana ihre Freunde retten. Da ihre und Erinas Ziele übereinstimmen, gehen sie eine Partnerschaft ein. Während einer ihrer Befreiungsaktionen treffen sie den japanischen Politiker Toshiro Kasukabe. Er behauptet, unter Amnesie zu leiden und nicht zu wissen, wie er im Metaverse gelandet ist. Im realen Leben hat Toshiro gute Aussichten auf das Amt des Premierministers. Von hier aus entfaltet sich die Geschichte.
Mehr zur Story will ich nicht verraten. Typisch für die Reihe ist sie verworren und voller Wendungen. Da ich erst etwa zwölf Stunden gespielt habe, kann ich zur Geschichte auch kein abschliessendes Urteil fällen. Bislang ist sie in Ordnung, aber auch nichts Aussergewöhnliches. Vieles ist durchsichtig, es ist klar, was passieren wird. Die Story zieht mich bislang nicht rein. Zentrale Themen sind Ausbeutung, Unterdrückung und der daraus resultierende Drang nach Freiheit.

Quelle: Atlus
Die «Persona 5»-Charaktere sind mittlerweile etabliert und harmonieren gut miteinander. Die «Neuen» Erina und Toshiro ergänzen den Cast sinnvoll. Schnell entwickelt sich eine witzige Dynamik. Zwischendurch sind mir Charaktere und Story jedoch etwas zu plakativ und ich wünsche mir mehr Tiefgang.
Spielen kannst du «Persona 5 Tactica» auch, wenn du das Originalspiel nicht kennst. Die Story ist nicht sonderlich komplex und nicht dicht mit dem Original verwoben. Die Charaktere werden dir jedoch fremd vorkommen. Du wirst dich weniger mit ihnen identifizieren, als wenn du «Persona 5» gezockt hast. Falls du Spoiler nicht scheust, würde ich dir fürs Verständnis empfehlen, eine Zusammenfassung von «Persona 5» anzuschauen.
Gutes Gameplay, das sich am Original orientiert
Das Rollenspiel-Gameplay von «Persona» lässt sich sehr gut auf ein taktisches Rollenspiel übertragen. Dabei erfindet das Entwicklungsteam von P Studio das Genre nicht neu. Du führst deine Züge in Runden aus. Dir steht in der Regel der erste Zug zu. Dabei bringst du deine Spielfiguren in Stellung, führst Nahkampfangriffe aus, schiesst mit Feuerwaffen oder holst deine Personas zur Hilfe. Das sind Persönlichkeitsbilder der Charaktere, quasi die Magie in «Persona».
Hinter Kisten, Fässern und Ähnlichem bringen sich die Phantom Thieves in Deckung. So nehmen sie weniger oder keinen Schaden bei gegnerischen Angriffen. Die Kampffelder sind nicht flach, du erreichst über Leitern und Co. höhere Level. Diese Höhenunterschiede kannst du zu deinem Vorteil nutzen.

Quelle: Atlus
Du kannst wie im Originalspiel jederzeit zwischen deinen drei aktiven Charakteren wechseln, wenn sie ihren Zug noch nicht ausgeführt haben. Auch lassen sich die Figuren während des Kampfes mit jenen in der Reserve tauschen, selbst wenn einer die Lebenspunkte ausgegangen sind.
Ein weiteres Element aus dem Originalspiel ist «One More». Verursacht deine Spielfigur kritischen Schaden und haut den Gegner dabei auf den Boden, darf sie eine weitere Aktion ausführen. Das ist besonders wichtig bei der «All-Out-Attack»-Version aus dem Originalspiel, «Triple Threat» genannt. Wenn du die am Boden liegende Figur mit deinen drei aktiven Charakteren umzingelst, richtest du innerhalb des zwischen ihnen entstandenen Dreiecks grossen Schaden an. Am Ende eines Kampfes erhältst du Erfahrungspunkte, Geld und neue Personas.

Quelle: Atlus
Ausserhalb der Kämpfe quatschst du mit deinen Mitstreitenden, kaufst Waffen, verteilst Skillpunkte oder rüstest deine Charaktere mit Waffen und Personas aus. Richtig gehört: Deine Charaktere können mehr als ihre eigene Persona ausrüsten. Das sorgt für mehr Möglichkeiten in den Kämpfen. Im aus dem Hauptspiel bekannten Velvet Room fusionierst du Personas zu stärkeren Versionen.

Quelle: Atlus
Bereits gespielte Missionen kannst du nachspielen. In Nebenquests musst du spezielle Ziele erreichen. Diese Missionen erfordern mehr Planung als die Hauptmissionen und sind deutlich schwieriger. Apropos: Der Schwierigkeitsgrad lässt sich in fünf Stufen einstellen. Ich bin alles andere als ein Taktikfuchs und spiele deshalb auf Normal. Die Hauptmissionen sind dennoch keine grosse Herausforderung, noch ist mir keine Figur KO gegangen. Der nächsthöhere Schwierigkeitsgrad zieht ordentlich an und ist mir zu viel. Hier wünschte ich mir eine bessere Abstimmung. Ich falle mit meinem Niveau zwischen die Maschen.
Das Gameplay macht insgesamt Laune. Aber eine Gameplay-Revolution ist «Persona 5 Tactica» keineswegs.
Den Artstyle verstehe ich nicht
Die «Persona»-Reihe erinnert stark an eine Visual Novel. Dieses Gefühl verstärkt sich bei Tactica zusätzlich. Meist erscheinen bis zu vier Charaktere vor einem fixen Hintergrundbild und sprechen. Also genau so, wie du es von Visual Novels gewohnt bist.

Quelle: Kevin Hofer
Die Charakter-Designs sind deutlich kindlicher als beim Original. Sie haben etwas Chibi-haftes. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Aufgrund der teils heftigen Themen wie Ausbeutung und Unterdrückung wirkt der kindliche Stil fehl am Platz.

Quelle: Atlus
Der klassische Visual Novel Stil wird in einigen Szenen durchbrochen. So sind die Charaktere in gewissen Situationen Teil des Hintergrundbildes. Von dort sprechen sie auch, statt wie sonst aus dem Vordergrund. Das ist an sich nichts Schlechtes. Ich finde es gut, wenn mit den Darstellungsformen gespielt wird. Jedoch verstehe ich bis jetzt nicht, in welchen Situationen sich dies ändert und wieso. Das wirkt auf mich arbiträr und inkonsistent.
Dasselbe gilt für die Sprachausgabe. Die ist an sich ganz okay, die Sprecherinnen und Sprecher machen einen guten Job. Leider sind nicht alle Texte vertont – nicht einmal jene der Hauptstory. Das leuchtet mir nicht ein und regt in mir den Verdacht, dass Publisher Atlus hier zu geizig war, alles zu vertonen.
Die Grafik in den Kämpfen wirkt aus der Zeit gefallen. Vor sieben Jahren, als das Originalspiel erschien, wäre die Präsentation gut gewesen. Heute sieht das anders aus. Aber von taktischen Rollenspielen erwarte ich auch keine Grafikpracht. Von dem her passt es für mich. Du solltest dir dessen einfach bewusst sein.

Quelle: Atlus
Zu Beginn ist auch die Menüführung verwirrend. Im Hauptquartier zwischen den Missionen findest du etwa den Velvet Room an anderer Stelle, als im Vorbereitungsmenü für den Kampf. Erst so ab der 15. Mission hatte ich endlich intus, wo ich in welcher Situation was finde. Hier wünschte ich mir mehr Konsistenz.
Gut, aber mehr auch nicht
Müsste ich «Persona 5 Tactica» eine Prozentwertung geben, wären es solide 75 Prozent. Ich mag das Gameplay und die Kämpfe. Die Story ist okay, zieht mich aber nicht wirklich in ihren Bann. Ich bin auch noch nicht durch mit dem Spiel. Vielleicht kommt die grosse Überraschung noch.
Weitere Abstriche gibt es für mich beim Artstyle und der Sprachausgabe. Die kindlichen Charaktere stören mich nicht per se. Sie stehen jedoch im Kontrast zu den eher derben Themen wie Unterdrückung und Ausbeutung. Vielleicht erschliesst sich mir dieser Entscheid am Ende noch. Die Darstellung und die Sprachausgabe sind zudem inkonsistent. Grafisch ist das Spiel definitiv keine Wucht, aber von einem taktischen Rollenspiel erwarte ich das auch nicht.
Bist du Fan taktischer Rollenspiele, der «Persona»-Reihe oder beidem zusammen, wirst du an «Persona 5 Tactica» deinen Spass haben und darfst bedenkenlos zugreifen.
«Persona 5 Tactica» ist ab 17. November erhältlich für Nintendo Switch, PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox One, Xbox Series und PC. Die PC-Version wurde mir von Atlus zur Verfügung gestellt.


Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.