

«Bravely Default Flying Fairy HD Remaster» im Test: ein Fest für Fans von traditionellen JRPGs

Im Launch-Lineup der Switch 2 befinden sich einige Perlen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. So auch der Remaster des 3DS-Rollenspiels «Bravely Default». Wenn du traditionelle japanische Rollenspiele magst, solltest du diesem Kult-Klassiker unbedingt eine Chance geben.
Ich muss zugeben, dass ich «Bravely Default» bislang nur aufgrund eines bizarren Zensur-Skandals kannte. Das JRPG von Square Enix erschien ursprünglich 2012 auf dem 3DS und wurde für den westlichen Release in einigen Bereichen entschärft. Freizügige Kostüme wurden angepasst, sexuelle Anspielungen in Dialogen umgeschrieben und das Alter der zuvor minderjährigen Hauptcharaktere erhöht.
Nun erhält das Rollenspiel rund 13 Jahre nach der Veröffentlichung einen HD-Remaster für die Switch 2. Die «zensierten» Inhalte interessieren niemanden mehr. Stattdessen schwelgen Rollenspiel-Fans mit der Neuauflage in Erinnerungen an dieses einzigartige JRPG. Das macht mich neugierig. Ich stürze mich das erste Mal in das Abenteuer und verliebe mich – trotz altbackener Grafik.
Ist das «Final Fantasy»?
«Bravely Default» startete den Entwicklungsprozess ursprünglich als «Final Fantasy»-Spinoff. Das merke ich beim Spielen sofort – von der Story über die Charaktere bis hin zur Musik erinnert alles an das bekannteste Rollenspiel-Franchise von Square Enix.
Luxendarc, die bunte Fantasy-Welt des Spiels, droht unterzugehen. Dies, weil vier lebenswichtige Kristalle durch unerklärliche magische Ereignisse in Dunkelheit umhüllt wurden. Die Natur spielt verrückt, Monster tauchen auf, die Menschen leben in Angst. Ich sag's ja: «Final Fantasy».

Ich übernehme die Rolle von insgesamt vier Charakteren. Im Zentrum der Geschichte steht Agnès Oblige. Die Kristallpriesterin will alle von Dunkelheit umhüllten Kristalle mit ihren magischen Kräften wiedererwecken. An ihrer Seite ist Tiz, der einzige Überlebende eines Dorfes, das in einem magischen Abgrund verschwunden ist. Ebenfalls dabei ist Edea – eine Kriegerin, die zunächst für den Feind arbeitet, dann aber die Seiten wechselt.
Die spannendste Hintergrundgeschichte hat jedoch der notgeile Frauen«held» Ringabel. Abgesehen davon, dass er alles anbaggert, was nicht bei drei auf dem Baum ist, leidet er an Amnesie. Er trägt ein Notizbuch bei sich, das bestimmte Ereignisse in der Geschichte voraussagt – fast so, als hätte er das Ganze schon einmal erlebt.

Ich mag die Charaktere und die Story. Sie ist nicht sonderlich komplex, bietet aber mehr als genug Motivation, um bis zum Schluss des rund 40-stündigen Abenteuers dranzubleiben. Die Dialoge sind witzig geschrieben und der Mystery-Faktor rund um Ringabels Amnesie lässt mich rätseln.
Das Kampfsystem fesselt mich an den Controller
Auf meiner Reise durch Luxendarc trete ich mit allen vier Charakteren gleichzeitig gegen allerlei Monster, Untote oder menschliche Gegner an. Das spezielle rundenbasierte Kampfsystem hebt das Game von vergleichbaren Rollenspielen ab – vor allem aufgrund des namensgebenden «Brave»- und «Default»-Systems.
Statt wie üblich pro Runde und pro Charakter nur eine Aktion auszuwählen, kann ich mit der «Brave»-Option pro Charakter bis zu vier Aktionen nacheinander durchführen. Der Haken an der Sache: Danach muss ich vier Runden warten, bis ich wieder mit dem jeweiligen Charakter agieren kann. Ebenso kann ich mit «Default» in einer Runde auf eine Aktion verzichten und stattdessen verteidigen. So «spare» ich Aktionspunkte für einen späteren Zeitpunkt.

Der flexible Einsatz der Aktionspunkte bringt eine fesselnde strategische Tiefe in das Gameplay. Ich kann ein gefallenes Teammitglied in einer Runde wiederbeleben, es mit einem Trank stärken und danach noch zwei Gegner angreifen. Geil! Aber: Verkalkuliere ich mich, bin ich gegnerischen Attacken hilflos ausgesetzt.

Abgesehen vom einzigartigen «Brave»- und «Default»-System bietet das Game in den Kämpfen altbewährte JRPG-Kost. Gegner bearbeite ich mit physischen Attacken, mächtigen Spezialangriffen oder Zaubersprüchen mit unterschiedlichen Elementen (Feuer, Wasser, Wind und Erde).
Die Fähigkeiten meiner Charaktere entwickle ich mit einem flexiblen Jobsystem à la «Final Fantasy». Erlernte Angriffe und Attribute eines Jobs kann ich mit Angriffen und Attributen anderer Jobs kombinieren. Die Möglichkeiten scheinen endlos. Ich entdecke immer wieder neue Synergien zwischen den Partymitgliedern und zerstöre Gegner auf kreative Art und Weise.

Ein «bequemes» Rollenspiel... mit Ausnahmen
Besonders loben muss ich das Spiel für seine Flexibilität. Diverse Quality-of-Life-Funktionen sorgen dafür, dass selbst die ungeduldigsten Spielerinnen und Spieler das Rollenspiel zocken können.
So kann ich die Häufigkeit der Zufallskämpfe in Dungeons und in der Oberwelt je nach Bedarf anpassen. Will ich meine Partymitglieder für einen bevorstehenden Bosskampf hochleveln, schraube ich die Häufigkeit auf 200 Prozent. Habe ich keinen Bock auf nervige Monster, gehe ich auf 50 Prozent runter oder deaktiviere Zufallskämpfe mit einem Item komplett.

In den Kämpfen selbst kann ich die Zeit wahlweise doppelt oder viermal so schnell vergehen lassen. Ich kann sogar bestimmte Attackenkombinationen programmieren, speichern und automatisch ausführen. Generell ist die Menüführung darauf ausgelegt, so wenige Klicks wie möglich zu benötigen.

An dieser Stelle noch zwei Warnungen. Trotz «bequemer» Quality-of-Life-Optimierungen ist das Spiel an einigen Stellen frustrierend hart. Etwa in der Mitte habe ich mich für einen niedrigeren Schwierigkeitsgrad entschieden, um nicht endlos grinden zu müssen.
Zudem ist das letzte Fünftel von «Bravely Default» sehr... seltsam. Wer das Original gespielt hat, weiss, was ich meine. Ohne zu viel zu spoilern: Storytechnisch ist das Ende verdammt spannend, aber spielerisch fällt es durch eine unnötig repetitive Struktur deutlich vom Rest des Abenteuers ab.
«High Definition» nur in Anführungszeichen
Der visuelle Stil von «Bravely Default» gefällt mir auch in der Neuauflage. Die ganze Welt wird in einem verträumten Aquarellfarben-Stil dargestellt. Deren Bewohner und sogar die Monster wirken alle süss und knuddelig. Vor dem Hintergrund dieses kindlichen Stils finde ich den ganzen Zensur-Skandal von anno 2012 umso bizarrer.

Enttäuscht bin ich von der technischen Umsetzung dieses HD-Remasters. Klar, das Spiel läuft in einer deutlich höheren Auflösung als noch auf dem Mini-Display des 3DS. Aber an den Charaktermodellen und Texturen wurde nichts geändert. Die sehen immer noch sehr low-poly und detailarm aus. Im Handheld-Modus kann ich diese Detailarmut verkraften, aber auf meinem 83-Zoll-TV sieht das Game wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten aus.
Immerhin hat Square Enix der Neuauflage zwei neue Minispiele spendiert. Diese steuere ich mit beiden Joy-Cons gleichzeitig im Maus-Modus. Die «Rhythmusjagd» ist, wie es der Name vermuten lässt, ein Rhythmusspiel. Mit den Joy-Con-Mäusen fange ich aufkommende Noten zum Takt des hervorragenden Soundtracks. In «Ringabels Panikfahrt» bediene ich das Luftschiff meiner Crew mit beiden Mäusen gleichzeitig. Ein verdammt intensives Multitasking-Spiel, bei dem ich steuern, Kanonen abfeuern, das Schiff reparieren und Aufträge erfüllen muss. Das Minispiel ist so gut, dass ich mir ein «echtes» Game mit demselben Konzept wünsche.

«Bravely Default: Flying Fairy HD Remaster» ist erhältlich für die Nintendo Switch 2. Ein Testexemplar wurde mir von Square Enix zur Verfügung gestellt.
Fazit
Ein bezauberndes Rollenspiel mit fesselnden Kämpfen
Pro
- einzigartiges Kampfsystem
- diverse Quality-of-Life-Funktionen für Ungeduldige
- lustige Maus-Minispiele
Contra
- enttäuschende «Remaster»-Grafik
- inhaltlich spannendes, aber spielerisch mühsames Ende



Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.