
Hintergrund
Das Garmin «InReach» half 2023 vor allem Wandernden in Notsituationen
von Siri Schubert
Mit dem HMD OffGrid kannst du via Satellit Nachrichten austauschen, deinen Standort mitteilen und per SOS-Button Hilfe holen. Den Rettungsservice buchst du im Abo mit – allerdings funktioniert das Gerät nicht überall auf der Welt.
Outdoor-Menschen lieben die Freiheit. Doch bei aller Abenteuerlust ist es gut, sich abzusichern und in Kontakt zu bleiben. Dafür sind Geräte wie das HMD OffGrid da, die auch dort funktionieren, wo die meisten Smartphones an Grenzen kommen. Wenn du damit über Satellit verbunden bist, kannst du selbst in Mobilfunklöchern Nachrichten schreiben und empfangen, deinen Standort teilen – und im Notfall auf Knopfdruck Hilfe anfordern.
Die Rettungsaktion mit allem, was daran hängt und darauf folgt, wird von Overwatch X Rescue koordiniert, einem weltweit vernetzten Spezialunternehmen. Vom SOS-Button habe ich die Finger gelassen. Aber die weiteren Funktionen des kleinen Begleiters habe ich in den Sommerwochen ausprobiert.
Das HMD OffGrid ist leicht und robust. Es wiegt gerade mal 60 Gramm und passt auf eine Handfläche. Dazu ist es nach IP68 zertifiziert und entspricht dem militärischen Standard MIL-STD-810H. Soll heissen: Es kann Staub, Hitze, Kälte, Wasser, Stösse und andere Unannehmlichkeiten besser wegstecken als du und dein Smartphone. Sein Akku hält nach Angaben des Herstellers bis zu drei Tage durch.
Es lässt sich mit einem Karabiner oder Band (nicht inbegriffen) am Rucksack befestigen und schützt seinen USB-C-Anschluss mit einer sauber einrastenden Abdeckkappe. Es hat keinen Bildschirm, sondern muss per App konfiguriert werden. Aussen gibt es nur drei Knöpfe mit festem Druckpunkt und folgenden Funktionen:
Hilfe anzufordern und deine Position zu teilen, funktioniert nach der Konfiguration also auch ohne Smartphone. Vor dem freiliegenden SOS-Button habe ich Respekt, im Gepäck versenken würde ich das Gerät nicht. Ich befestige es in der Regel am Rucksack oder an der Gürtelschlaufe. Irgendwo dort, wo es eine freie Verbindung zum Himmel hat und kein Risiko besteht, es versehentlich zu quetschen und so einen Notruf abzusetzen.
Damit das Gerät einsatzbereit ist, muss ich es registrieren und einen der Abo-Pläne aktivieren. Dafür brauche ich die App. Sie ist ohnehin nötig, um mit Kontakten zu kommunizieren und die gewünschten Einstellungen vorzunehmen.
Die passende App finde ich per beiliegendem QR Code, auf der Webseite oder direkt im App Store für iOS und Android. Während der Installation gebe ich den Aktivierungscode meines OffGrid ein und registriere mich mit einer Mobilfunknummer, auf die ich einen Bestätigungscode erhalte. Dieser wird von «HMDOffGrid» verschickt.
Als ich Wochen später ein zweites Mal einen Code anfordern muss, lautet der Absender «BullittSat». Das ist der Anbieter hinter der App, von dem HMD die Rechte am Motorola Defy Satellite Link erworben und eine optimierte Version unter dem Namen OffGrid auf den Markt gebracht hat.
Nach der Registrierung habe ich zwei Abo-Modelle zur Auswahl, die beide den Premium-SOS-Service enthalten. Sie unterscheiden sich bei den enthaltenen Datenpaketen und der Aktivierungsgebühr:
Es gilt die «fair use policy», ich darf also auch mit dem Unlimited-Plan nicht exzessiv Daten über Satellit versenden. Die Satellitenverbindung nutzt die App standardmässig nur dann, wenn keine Mobilfunk-Datenverbindung oder WLAN verfügbar ist. Auch über Satellit empfangene Nachrichten belasten das Guthaben. Darum muss ich mir keine Sorgen machen, denn für den Testzeitraum schaltet mir HMD das Unlimited-Paket inklusive Tracking frei.
Deshalb kann ich in der App unbesorgt festlegen, dass immer über Satellit gesendet werden soll und muss dafür keine Funklöcher suchen. So lässt sich auf Wanderungen und Touren ausprobieren, wie gut das Gerät funktioniert. Ich bin damit im Juli, August und September in der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland unterwegs. Und immer mal wieder auf einem gedanklichen Abstecher ins All.
Zur genauen Standortbestimmung kann das OffGrid Signale der Ortungsdienste GPS, Glonass, Galileo und Beidou nutzen. Darin unterscheidet es sich nicht von einem aktuellen Smartphone. Was das Senden von Daten über Satellit betrifft, heisst der Partner Skylo. Ein Unternehmen, das für die vom HMD OffGrid verwendeten Netzwerke wiederum geostationäre Satelliten von Echostar und Viasat nutzt.
Diese kreisen so um die Erde, dass sie ihre Position in Relation zur Erdoberfläche halten. Entweder kann ich von meinem Standort aus eine Verbindung aufbauen oder nicht. Es wird sich kein Satellit über mich hinweg bewegen, der mir doch noch Empfang verschafft.
Zudem bietet das HMD OffGrid keinen globalen Service. Momentan funktioniert es in Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland. Brasilien und Mexiko sollen bald folgen, die abgedeckten Regionen und Länder sind hier aufgeführt.
Andere Anbieter wie Garmin mit den inReach-Geräten oder Spot X bieten nahezu globale Abdeckung über die erdnah kreisenden Satellitensysteme Iridium und Globalstar. Bei diesen Low-Earth-Orbit-Systemen (LEO), wie sie auch Elon Musk mit Starlink betreibt, kommen immer wieder verschiedene Satelliten eines grossen Netzwerks in Reichweite. Mit dem OffGrid verbinde ich mich dagegen immer wieder mit demselben Satelliten.
In der App kann ich jederzeit sehen, ob ich mit einem Satelliten verbunden bin und wie gut die Signalstärke ist. Um die Chat-Funktion zu nutzen, muss ich Kontakte frei- oder eingeben. Es lohnt sich, diese vorher auf anderem Weg zu informieren, dass du über einen neuen Kanal mit ihnen chatten willst. Denn sie erhalten erstmal eine Nachricht mit einem Link und dem Hinweis, dass sie die OffGrid-App installieren sollen. Diese wird schnell mal für Spam gehalten, ignoriert oder gelöscht.
Ist die App auf beiden Geräten installiert, kann ich mit meinem Kontakt Nachrichten austauschen wie früher: maximal 140 Zeichen lang. Meine geteilten Standorte können über Apple Maps oder Google Maps geöffnet werden. Ich sehe, ob meine Nachrichten gesendet und gelesen wurden und ein spezielles Symbol signalisiert, dass sie via Satellit verschickt wurden. Das ist auch schon alles. Und es genügt. Wäre ich per Mobilfunk oder WLAN verbunden, würde ich meine üblichen Messenger-Dienste nutzen. Über Satellit fasst man sich kurz und sendet das Wichtigste.
In den Niederlanden habe ich unter freiem Himmel – wenig überraschend – keine Probleme, eine Verbindung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Bei Skylo wird die Latenz mit fünf bis zehn Sekunden angegeben und das stimmt: Meine Nachricht reist im Idealfall innerhalb von wenigen Sekunden zum Satelliten in etwa 36 000 Kilometern Höhe und weiter zum Empfänger. Sitze ich mit dem OffGrid allerdings im Zelt oder wandere durch Waldgebiete, bin ich abgeschirmt und kann lange warten. Es ist wirklich zentral, für eine freie Sichtverbindung zu sorgen und das Gerät aussen an der Kleidung oder am Rucksack zu tragen.
In schwierigerem Gelände kann es eine Weile dauern und ein paar Positionswechsel benötigen, um eine Verbindung zu bekommen. Bei einer Wanderung am Walensee im Schatten der Churfirsten ist sie mal da, mal weg, und es dauert hin und wieder einige Minuten, bis eine geschriebene Nachricht als gesendet erscheint. Wäre ich nicht zu Testzwecken, sondern privat irgendwo im Funkloch unterwegs, würde ich das OffGrid anders nutzen. Erst eine passende Stelle mit gutem Empfang suchen, dann nur das Nötigste senden: Ich bin hier, es geht mir gut. Dafür gibt es die Check-in-Funktion.
Einen Check-in kann ich nur als Standort, als Standort mit persönlicher Nachricht oder knapp vorformulierten Botschaften (checking in/I’m here/please pick me up/ …) an einen bestimmten Kontakt verschicken. Beim Tracking, das in meinem Testabo ebenfalls freigeschaltet ist, lassen sich mehrere Kontakte auswählen, die dann meine Route für einen ausgewählten Zeitraum von 30 Minuten bis 72 Stunden verfolgen können. Anschliessend sollte ich die GPX-Files der Sessions herunterladen oder umbenennen können, was auf meinem iPhone in der App beides nicht funktioniert.
Unterwegs werden einzelne Wegpunkte auch dann korrekt auf der Karte verzeichnet, wenn zwischenzeitlich keine Verbindung besteht. Insgesamt ist die App übersichtlich und gut gemacht, doch ab und zu irritiert sie. Einmal will ich sie starten, muss mich aber neu einloggen und auch das Gerät wieder per Bluetooth mit ihr koppeln. Normalerweise verbindet sich direkt. Zumindest meine Daten und Kontakte sind noch da. Die Menüsprache ist Englisch. Dafür verspricht der Notfallservice Übersetzungen in alle Sprachen, damit die Rettungsaktion nicht durch Missverständnisse erschwert wird.
Das grösste Plus im Vergleich mit ähnlichen Angeboten versteckt sich in den Vertragsbedingungen des Partnerservices von Overwatch x Rescue. Die stellen zwar direkt klar, dass es sich nicht um eine Versicherung handelt. Aber sie stellen auch in Aussicht, dass «bestimmte Auslagen» in Notfallsituationen übernommen werden. Zum Beispiel Kosten für einen Rettungsflug oder Krankenwagen zur nächstgelegenen medizinischen Einrichtung.
Dann würde sich die Abogebühr mehr als rentieren. Für ungefähr 100 Franken im Jahr die Sicherheit zu haben, dass sich im Ernstfall auf Knopfdruck eine «Spezialeinheit» um alle Belange kümmert und sogar teilweise Kosten übernimmt, dürfte für viele das stärkste Argument sein, sich für ein Abo zu entscheiden. Der Notruf lässt sich über die SOS-Taste oder den entsprechenden Button in der App auslösen.
Der Service schützt leider nicht davor, am Ort des Notfalls eventuell keinen Satellitenempfang zu haben. Wer alleine mit dem OffGrid unterwegs ist, muss darauf hoffen, in so einem Moment noch mobil zu sein. Konkurrent Garmin bietet ebenfalls eine Rettungszentrale an und hat 10 000 Notfälle ausgewertet: Knapp jeder dritte geschah aufgrund einer akuten Verletzung.
«Bis zu» drei Tage soll der Akku des OffGrid halten, was im Vergleich mit den «bis zu» 30 Tagen des Garmin inReach Mini 2, das lediglich 40 Gramm mehr wiegt und ein Display hat, schon relativ wenig ist. Bei mir waren unter erschwerten Bedingungen nach 8 Stunden noch 66 Prozent übrig. Wald, Felswände, ständige Positions- und Verbindungssuche, gelegentliche Nachrichten, aktives Live-Tracking und die konstante Bluetooth-Verbindung zum Smartphone – all das saugte ordentlich am Akku.
Die Wahrheit liegt bei normaler Nutzung wohl irgendwo zwischen einem und drei Tagen. Wenn du es situativ einschaltest, wirst du damit auch durch eine Woche kommen. Allerdings sollte auch dein Smartphone nicht ausgehen, denn ohne die Bluetooth-Verbindung zwischen den Geräten kannst du mit dem OffGrid nur noch «blind» Notrufe oder Check-ins absetzen.
Auch da bietet zum Beispiel das teurere inReach Mini 2 mehr Möglichkeiten. Du kannst dich unter anderem per TracBack-Funktion zu deinem Ausgangspunkt zurückführen lassen, Wettervorhersagen abrufen oder vorformulierte Nachrichten direkt vom Gerät versenden. Wenn es «nur» um Notrufe geht, ist interessant zu wissen, dass neuere iPhones diese seit 2023 ebenfalls über Satellit absetzen können und der Service für mindestens zwei Jahre gratis ist.
Google hat ab dem Pixel 9 nachgezogen, andere wie Samsung sind ebenfalls dabei. Es gibt viele Möglichkeiten, sich auf Outdoor-Eventualitäten einzustellen. Das HMD OffGrid ist eine davon. Unter dem Strich ist es ein Gerät für spezielle Bedürfnisse mit konkurrenzfähigen Abokosten und einem interessanten SOS-Dienst.
Das HMD OffGrid ist ein leichter und robuster Begleiter, der mehr Sicherheit und Erreichbarkeit in Funklöchern verspricht. Für die Satellitenkommunikation kannst du es momentan in Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland einsetzen. Konkurrenten bieten dagegen über andere Satellitensysteme eine weltweite Abdeckung.
Das HMD OffGrid hat kein Display, der volle Funktionsumfang ist nur in Verbindung mit dem Smartphone und der App nutzbar. Diese ist, bis auf kleinere Bugs, gut und übersichtlich gestaltet. Die wichtigsten Funktionen gibt es auf Knopfdruck: Check-ins mit den aktuellen Positionsdaten und ein Notruf lassen sich direkt am Gerät auslösen.
Der freiliegende SOS-Button macht etwas nervös. Dafür beruhigt der Rettungsservice von Overwatch x Rescue. Dieser deckt bestimmte Transportkosten ab und macht die Abogebühren konkurrenzfähig. Wer länger in abgelegenen Regionen auf Reisen ist, wird sich vielleicht eine bessere Akkulaufzeit und weitere Funktionen am Gerät selbst wünschen.
Pro
Contra
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.
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