
Neurowissenschaft: Gedankenlesen mit Gehirnscans
Auf Basis des Sprachmodells GPT entwickelte ein neurowissenschaftliches Team eine neue Methode um Gedanken zu lesen. Die KI erfasst das Wesentliche, was Menschen denken – aber nur, wenn sie es auch wollen.
In ihrer neuen Studie «Semantic reconstruction of continuous language from non-invasive brain recordings» stellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der University of Texas eine neue Methode vor, die es ermöglicht, ohne operative Eingriffe die Gedanken von Versuchspersonen zu lesen. Vergleichbare Versuche, Gedanken in Worte zu fassen, waren bislang nur eingeschränkt möglich, da die Systeme auf einen begrenzten Wortschatz limitiert waren. Der neue Ansatz stützt sich nun auf ein Sprachmodell, das mit GPT erstellt wurde und auf diese Weise einen kontinuierlichen Wortfluss ermöglicht.
Von den Blutströmen im Gehirn zu ausformulierten Gedanken
Für die Studie mussten drei Probanden 16 Stunden lang ihre Gehirnströme in einem MRT aufzeichnen lassen. Die Versuchspersonen hörten im MRT-Gerät liegend Podcasts, während die Veränderungen im Blutfluss ihres Gehirns als Indikator für die Hirnaktivität aufgenommen wurden. Anhand dieser neuronalen Daten konnte das Wissenschaftsteam mit Hilfe von GPT die Muster der Gehirnaktivität bestimmten Wörtern oder Ideen zuordnen. Sobald klar war, welche Gehirnaktivitätsmuster mit den Wörtern in den Geschichten übereinstimmten, konnte das Team rückwärts arbeiten. Sie nutzten dann die Gehirnmuster, um neue Wörter und Ideen vorherzusagen.
Dabei arbeitet das System iterativ, wie auch ChatGPT: Es bewertet die Wahrscheinlichkeit von Wörtern, die nach dem vorherigen Wort auftauchen, um anhand der Gehirnaktivitätsmuster das Wahrscheinlichste zu ermitteln und somit die Grundidee des Gedachten zu erfassen. Es gibt also nicht wortwörtlich die Gedanken der Probanden wieder, sondern erschließt den Kern dessen, was gedacht wurde.

Quelle: //doi.org/10.1038/s41593-023-01304-9
Sind die Gedanken bald nicht mehr sicher?
So faszinierend die Fortschritte sind, so bedrohlich können sie auch für die Privatsphäre unserer Gedanken wirken. Die Forschenden gehen in ihrer Veröffentlichung auf dieses Thema ein und können die Sorgen entkräften: Die neue Methode ist nicht allgemeingültig nutzbar, sondern immer individuell zugeschnitten auf die Gehirnaktivität, mit der sie trainiert wurde. Das bedeutet, dass nur die Gedanken derjenigen Person dekodiert werden können, deren Blutströme im Gehirn auch für die Entwicklung genutzt wurde. Außerdem muss die Person freiwillig mitarbeiten, damit das System Ideen erkennen kann. Wenn etwa der Inhalt einer Hörgeschichte dekodiert werden sollte, die Versuchsperson aber der Geschichte keine Aufmerksamkeit schenkte oder bewusst an etwas anderes dachte, war es für das System nicht möglich, den Inhalt der Hörgeschichte zu erfassen.
Titelfoto: pressmaster/shutterstockWissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.