Hintergrund

Mein kleines Gedankenexperiment zu den 4,4 Kilogramm Kupfer, die einen 7950X-Prozessor kühlen

Kevin Hofer
25.4.2023

Ein Redditor kühlt seine CPU passiv mit über vier Kilogramm schweren Kupferblöcken. Ich nutze die Gelegenheit für ein Gedankenexperiment und stelle mich dabei einem Dämon meiner Vergangenheit.

Tech-Portale weltweit haben den Post von Redditor AromaticImpress7778 aufgegriffen. Darin zeigt er seine DIY-Kühlung: Insgesamt 4,4 Kilogramm (kg) Kupfer kühlen seinen 7950X-Prozessor passiv – also ohne Lüfter. Unter Last wird die CPU 95 Grad Celsius heiss und läuft mit 90 Prozent der maximalen Leistung. Das Ganze vollbringt er im Mini-ITX-Gehäuse DB4 von Streacom. Dieses gibt Hitze über die Finnen seiner Hülle ab. Die Aussentemperatur des Gehäuses beträgt so zwischen 50 und 60 Grad Celsius.

In diesem Gehäuse hat der Redditor seine Kühlung untergebracht.
In diesem Gehäuse hat der Redditor seine Kühlung untergebracht.
Quelle: Streacom

Ich finde das Kühlsystem eindrücklich. Ich will wissen, wie lange es dauert, bis das Gehäuse 60 Grad Celsius warm wird bei durchschnittlicher Nutzung des Redditors. Wieso? Einfach, weil mich das interessiert und ich es ein spannendes Gedankenexperiment finde. Wird es jetzt wissenschaftlich? Wohl kaum. Eher Kaffeesatzlesen gepaart mit etwas Mathe und Physik.

4,4 Kilogramm Kupfer sind zur Kühlung verbaut. Beim aktuellen Kurs von Kupfer sind das etwas mehr als 38 Dollar.
4,4 Kilogramm Kupfer sind zur Kühlung verbaut. Beim aktuellen Kurs von Kupfer sind das etwas mehr als 38 Dollar.
Quelle: Reddit / AromaticImpress7778

Die Formeln

Um das herauszufinden, muss ich mich meinem Dämon stellen: der Mathematik. Ich habe das Gymnasium nämlich mit einer 2,5 – was einer 5+ in Deutschland entspricht – abgeschlossen. Ich bin also etwa auf dem mathematischen Niveau eines Neuntklässlers stehengeblieben.

Glücklicherweise gibt es heute Google. Die zwei benötigten Formeln finde ich schnell:

t=Q/P

Q=mcΔT

t ist die Heizzeit in Sekunden, also das, was ich herausfinden will. Die anderen Variablen brauche ich, um darauf zu kommen. Mathe also. Q steht für die Energie, die notwendig ist, um die Temperatur eines bestimmten Körpers um den Betrag ΔT zu ändern – die sogenannte Wärmeenergie. Die muss ich erst noch mit der zweiten Formel berechnen. P ist die Heizleistung in Kilowatt (kW). m wiederum repräsentiert das Gewicht und c die spezifische Wärmekapazität des Materials. ΔT steht für die Temperaturveränderung des Materials.

Raucht dir jetzt schon der Kopf? Meinem ist ordentlich Gas entwichen. Ich weiss jetzt noch nicht, ob ich das wirklich alles verstehe. Eben: Ich bin eine Null in Mathe.

Die Suche nach den korrekten Werten

Soweit die Theorie. Jetzt muss ich nur noch die jeweiligen Werte herausfinden. Ab hier geht’s bergab mit der Genauigkeit. Viele Variabeln kann ich nämlich nicht klar bestimmen. Immerhin ist das Gewicht des Kupfers schnell geklärt, weil AromaticImpress7778 die Antwort darauf selbst gibt: 4,4 kg. Da das Kupfer mit dem Gehäuse und dadurch mit dem Aluminium verbunden ist, muss ich dieses auch einrechnen. Das Gehäuse wiegt insgesamt 7,5 kg. Beinahe die ganze Gehäuse-Konstruktion ist laut Hersteller aus Aluminium, ausser etwas Acrylglas und Stahl. Ich rechne deshalb mit sieben kg.

So sieht das Streacom DB4 ohne Modifikationen von Innen aus.
So sieht das Streacom DB4 ohne Modifikationen von Innen aus.
Quelle: Streacom

Die spezifische Wärmekapazität ist eine Stoffkonstante. Sie gibt an, wie viel Wärmeenergie ein kg eines bestimmten Baustoffs aufnehmen muss, damit seine Temperatur um ein Kelvin (K) ansteigt. Je höher dieser Wert, desto langsamer erwärmt sich ein Material. Die spezifische Wärmekapazität von Kupfer beträgt 390 also J/kg°K. Nur Silber hat eine noch tiefere Wärmekapazität bei den Metallen. Das war mir bekannt, aber jetzt kann ich auch erklären, wieso sich Kupfer ausgezeichnet zum Kühlen eignet. Das Aluminium des Gehäuses hat eine Wärmekapazität von 900 J/kg°K.

Schwieriger zu eruieren ist ΔT. Die CPU erhitzt sich auf bis zu 95 Grad Celsius. Dasselbe gilt aber nicht für die Kupferteile. Hier verteilt sich die Hitze über das ganze Volumen und auch die Gehäusehülle, mit der die Blöcke verbunden sind. Glücklicherweise gibt AromaticImpress7778 einen Wert für die Hülle des DB4-Gehäuses an. Diese wird 50 bis 60 Grad Celsius heiss. Das Gehäuse ist so konzipiert, dass die Wärme über die Finnen des Aluminiumgehäuses und von der natürlichen Luftzirkulaton im Raum abgeführt wird. Ich gehe beim Kupfer deshalb auch von einer Temperatur von 60 Grad Celsius aus. Um auf ΔT zu kommen, muss ich die Raumtemperatur, welche ich als Ausgangstemperatur annehme, abziehen. Ich gehe hier von 20 Grad aus. ΔT entspricht also 40 Grad. Wie gesagt, es geht hier nicht ganz so korrekt zu und her. Als grobe Annahme, wird das aber schon stimmen, denke ich.

Bei der Ryzen 9 7950X CPU kann ich nur abschätzen, wie viel Leistung sie braucht.
Bei der Ryzen 9 7950X CPU kann ich nur abschätzen, wie viel Leistung sie braucht.

Zuletzt steht noch die Heizleistung an. Diese ist wohl am ungenauesten. Ich kenne nur die ungefähre Leistung der CPU. Bei den Kontakten zwischen CPU und Kupferblöcken sowie später dem Gehäuse wird immer etwas Leistung verloren gehen. Wie viel, weiss ich nicht. Ich nehme deshalb die durchschnittlichen Werte der CPU. AromaticImpress7778 schreibt in seinem Post auch, wofür er die CPU braucht und wie sein Workflow aussieht. Er programmiert hauptsächlich. Alle zehn Minuten kompiliert er während rund einer Minute. In dieser Zeit läuft die CPU auf ihrem Maximum. Es ist schwierig zu sagen, wie viel Leistung sie dann benötigt. Bei meinem Review der CPU waren es bis zu 230 Watt (W). Da der Redditor sein System lüfterlos kühlt, gehe ich von weniger aus und nehme die maximale thermische Verlustleistung, die AMD angibt: 170 W. Dieser Wert gilt aber nur für eine von zehn Minuten. Die restliche Zeit wird die CPU wohl um die 60 W ziehen, wie ich es in meinem Review gemessen habe. Ich gehe deshalb im Fall von AromaticImpress7778 von rund 0,08 kW Heizleistung aus. Ja, ich weiss: Es sind gar viele Annahmen. Aber für ein Gedankenexperiment reicht es aus.

Und jetzt?

Setze ich die bestimmten Werte in meine erste Formel ein, erhalte ich als Resultat beim Kupfer 68 640 und beim Aluminium 252 000 J Wärmeenergie. Zusammen ergibt das 320 640 J respektive 320,64 Kilojoule (kJ) Wärmeenergie.

Jetzt muss ich nur noch die Wärmeenergie durch die Heizleistung teilen. 320,64 / 0,08 ergibt 4008 Sekunden respektive 66 Minuten und 48 Sekunden. Es dauert bei durchschnittlicher Verwendung also etwas mehr als eine Stunde, bis sich der PC des Redditors auf der endgültigen Temperatur einpendelt. Für ein komplett lüfterloses Gehäuse ist das ein eindrückliches Ergebnis. Ich hätte nicht erwartet, dass es so lange dauert. Selbst wenn das System ständig unter Volllast laufen würde, würde es etwas mehr als 31 Minuten dauern, bis es so heiss wäre. In diesem Fall ist jedoch davon auszugehen, dass dann noch nicht Schluss ist und das Gehäuse noch wärmer wird.

Selbstverständlich ist mein Gedankenexperiment nicht wasserdicht. Zu viele Dinge sind unbekannt oder schlicht nicht exakt genug. Weitere Faktoren, wie das geschlossene Gehäuse, werden ebenfalls Einfluss haben. In Realität wird die Aussentemperatur des Gehäuses wohl viel schneller erreicht und im Inneren herrschen höhere Temperaturen.

Mir hat es dennoch Spass gemacht, das auszurechnen. Falls ich einen Fehler gemacht habe, schreib’s mir in die Kommentarspalte. Wie gesagt: Ich bin keine Leuchte in Mathe. Falls du die Rechnerei vollkommen schwachsinnig findest: Dann sind wir schon zwei. Aber ich mag es absurd.

Titelbild: Reddit / AromaticImpress7778

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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