Produkttest

M3 iMac im Test: Herzensbrecher

Samuel Buchmann
14.11.2023

Nach drei Jahren spendiert Apple dem iMac ein Update. Ich frage mich, wozu – die Verbesserungen sind müssig, die Schwachstellen bleiben.

Vor meinem Test bin ich sicher, dass ich mich in den neuen iMac verliebe. Sein Design finde ich bezaubernd. Die Idee, nur ein Gerät auf dem Tisch zu brauchen, klingt verführerisch. Und jetzt erhält er sogar als erster Mac den aufregenden M3-Chip in 3-Nanometer-Technologie! Was soll da schon schiefgehen?

Voller Vorfreude stelle ich zwei Varianten des All-in-One-Computers auf den Tisch: Weil mich vor allem die Basisversion interessiert, habe ich mir aus unserem Lager eine davon in Blau geholt. Mit 8-Core CPU, 8-Core GPU, 8 GB RAM und 256 GB SSD.

Apple hat mir zudem das pinke Top-Modell geschickt. Sein Vollfett-Chip hat 8 CPU-Cores, 10 GPU-Cores, 24 GB RAM und 2 TB SSD. Die Konfiguration gibt es bei uns im Shop noch nicht, bei Apple kostet sie stolze 2919 Franken oder 3235 Euro.

Der Test wird meine rosarote Brille in tausend Teile zerbrechen lassen.

Design und Anschlüsse: Schlankheitswahn

Mit ein paar Handgriffen schäle ich die zwei Computer aus ihren Origami-Verpackungen. Mann, sind die dünn! Zwar wusste ich, dass das Gehäuse aussieht wie ein zu gross geratenes iPad. In Natura beeindruckt es mich trotzdem.

Apple verbaut das System on a Chip (SoC), den Lüfter und die Lautsprecher nicht hinter dem Display, sondern unterhalb. Das führt zu einem relativ grossen Kinn des Gehäuses. Mich stört es nicht. Zwiegespalten bin ich bei den weissen Displayrändern. Sie geben dem iMac einen helleren Look, fallen mir aber mehr auf, als wenn sie Schwarz wären.

Die Farben passen zum freundlichen Image, das der iMac verkörpert. Vorne und am Standfuss sind sie in Pastelltönen gehalten, hinten satt. Das beschichtete Aluminium sieht edel aus, besonders wenn sich Licht darin spiegelt. Mir gefällt sowohl das blaue Modell als auch das in «Rosé» ganz gut. Bei letzterem ist die Vorderseite zartrosa, die Hinterseite etwas zwischen Himbeer und Rot.

Neben der Farbe und den Materialien fallen mir weitere Details positiv auf: Das Anschlusskabel schnappt magnetisch in seine proprietäre runde Buchse. Der Widerstand ist höher als beim MagSafe-Anschluss des MacBook Pro, sodass du das Kabel wohl nie aus Versehen rausreisst. Es überträgt nicht nur Strom, sondern auch das LAN-Signal. Der Ethernetanschluss befindet sich nämlich im externen Stromadapter. Ein Kabel weniger, das am Computer hängt.

Wie schon bei den alten iMacs befinden sich alle Anschlüsse auf der Rückseite. Ich verstehe, dass das hübscher aussieht. Doch ich ärgere mich jedes Mal darüber, wenn ich eine externe SSD anschliessen will. Dazu muss ich aufstehen und meinen Tisch umrunden. Gnade dir Gott, wenn du den iMac an eine Wand stellst. Dann brauchst du die Fingerfertigkeiten eines Meisterdiebs, um die Ports blind zu treffen.

Display: fein aber klein

Trotz kurzer Distanz wirkt das Bild sehr scharf, denn die Pixeldichte ist hoch. Sie beträgt 218 Pixel pro Zoll (ppi), die Auflösung liegt bei 4480 × 2520 Pixel. In der Standardskalierung passt deshalb trotz der geringen Abmessungen relativ viel aufs Display. Die Grösse von Menüs und Texten empfinde ich als genau richtig. Könnte ich wählen, würde ich einen grösseren Bildschirm in grösserem Abstand bevorzugen – Apple, wo ist der 32-Zoll-iMac?

Peripherie: Ich glaub’, mich trifft der Lightning

Weniger zu meckern gibt es in Sachen Webcam und Mikrofon. Das Bild ist für eine so kleine interne Kamera mehr als in Ordnung. Die Hauttöne wirken natürlicher als bei anderen integrierten Webcams. Apples Software hellt die Schatten stark auf. Geschmackssache. Die Qualität des Mikrofons reicht für einen Teams-Call zwischendurch. In längeren Gesprächen wünsche ich meinem Gegenüber etwas Besseres.

Leistung: Du willst Action? Das wird teuer

Der Leistungsfortschritt des M3 ist zwar solide, insgesamt lässt mich der neue iMac aber enttäuscht zurück. Das liegt weniger am Chip, als an einigen dummen Sparmassnahmen, mit denen Apple die Basisversion zurückhält.

CPU: Schlechte Kühlung kastriert den Basis-iMac

Die CPU des M3 hat noch immer 8 Kerne, also so viele wie seine zwei Vorgänger. 4 Davon sind auf Performance getrimmt, 4 auf Effizienz. Ich teste die CPU mit drei Benchmarks: Cinebench R24, Cinebench R23 und Geekbench 6. Weil es zwei der Benchmarks vor einem Jahr noch nicht gab, vermesse ich auch die Vorgängerchips komplett neu.

Zunächst die gute Nachricht: Die einzelnen Kerne des M3 sind schneller als die der Vorgängerchips. Der Zuwachs beträgt über die drei Benchmarks hinweg rund 15 Prozent gegenüber dem M2 und 28 Prozent gegenüber dem M1. Das ist ein solider Fortschritt. Er setzt sich im Multi-Core-Betrieb fort. Dort ist der M3 fast 30 Prozent schneller als der M1.

Aber nur im teuren Testgerät.

Wenn du hingegen eine teure Konfiguration mit 10-Core GPU kaufst, ist die Kühlung besser. Dann sitzt auf dem Chip ein Heatsink, der über eine Heatpipe mit einem zweiten Lüfter verbunden ist. Der Unterschied ist in meinem Test klar spür- und messbar. Durch die Lüftungsschlitze des teuren iMac bläst mir mehr und wärmere Luft entgegen. Sein Chip und das Gehäuse bleiben deshalb kühler, was auch im Wärmebild zu sehen ist.

GPU: guter Boost dank 3-Nanometer-Fertigung

Beim Grafikprozessor ist das im Bestellprozess transparenter. Er kommt im M3 iMac in der teuren Variante mit 10 Kernen, in der günstigen mit 8. Ich teste die GPU zunächst mit einigen synthetischen Benchmarks sowie in Shadow of the Tomb Raider.

Die Leistung des M3 liegt gut 20 Prozent höher als die des M2. Angesichts der gleichen Anzahl Kerne eine beachtliche Steigerung, die der 3-Nanometer-Fertigung zu verdanken sein dürfte. Im Vergleich zum M1 ist die Performance gar um mehr als 60 Prozent gestiegen.

Beide Aussagen gelten nur für die Vollfett-Version des M3 mit 10-Core-GPU. Die Grafikleistung des Chips mit 8-Core GPU liegt etwa auf dem Niveau des M2 mit 10-Core GPU.

SSD: klein = langsam

Die Zweiklassengesellschaft setzt sich bei der SSD fort. Apple scheint wie schon beim M2 nur noch Speichermodule zu verbauen, die mindestens 256 GB gross sind. In der Basisversion also nur ein einzelnes. Bei den M1-Chips waren es noch mindestens zwei 128-GB-Module. Was das für Auswirkungen hat, zeigt sich im Benchmark:

In der Praxis zeigt sich die schlechte Leistung der SSD vor allem in einem Fall: Wenn du mehr RAM benötigst, als deine Konfiguration hergibt. Dann muss die SSD als Puffer einspringen. Ist sie langsam, kann dein System ins Stocken kommen. Wenn du nur mit vielen Tabs im Internet surfst und daneben ein Word offen hast, wirst du diese Grenze allerdings eher nicht erreichen.

Produktivität: Die Spreu trennt sich vom Weizen

In Lightroom dasselbe: Der Export von 100 RAW-Bildern dauert mit der teuren Konfiguration halb so lange wie mit dem Basis-iMac. Das dürfte vor allem an den 24 GB Unified Memory im Vergleich zu den mickrigen 8 GB liegen. Lightroom ist als RAM-Hamster berüchtigt. Bearbeitest du regelmässig Bilder, solltest du mindestens 16 GB RAM konfigurieren. Zumal du, anders als in meinen Tests, im Hintergrund wahrscheinlich ein paar Browser-Tabs offen hast.

Fazit: uninspiriertes und müssiges Update

Insgesamt bin ich vom M3 iMac jedoch enttäuscht. Ganze drei Jahre hat sich Apple für das Update Zeit gelassen. Trotzdem fühlt es sich an wie eine uninspirierte Pflichtübung. Die Neuauflage des All-in-One-Computers verbessert keinen einzigen seiner Schwachpunkte:

  • Keine Variante mit grösserem Display
  • Inadäquate Kühlung in der Basisversion
  • Nur 8 GB RAM in der Basisversion
  • Langsame SSD in der Basisversion
  • Zu wenig Anschlüsse und nur auf der Rückseite
  • Maus und Tastatur mit Lightning-Anschluss

Stattdessen findet der Fortschritt beim einzigen Punkt statt, der mir egal ist: der Leistung von teuren Konfigurationen. In der starken Version mit der richtigen Kühlung ist der M3-Chip schneller als seine Vorgänger. Der Zuwachs gegenüber M1 beträgt in meinen Benchmarks etwa 30 Prozent bei der CPU und 60 Prozent bei der GPU. Technisch beeindruckend, in der Praxis aber müssig.

Am anderen Ende des Preisspektrums halten dumme Sparmassnahmen den M3 im Basis-iMac künstlich klein. Das mag zwar für Office-Anwendungen kein Problem sein, doch dann kann ich mir den neuen Chip gleich ganz sparen.

Die einzigen guten Argumente für den iMac sind sein Design und die Pixeldichte des Displays. Wenn dir das wichtiger ist als Leistung und Anschlüsse, ist er kein schlechtes Gerät. Für mich zählen jedoch auch die inneren Werte. Ich lasse die schlanke Schönheit deshalb links liegen.

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.


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