Meinung

Liebe Hersteller, räumt bitte euer Sortiment auf

Viele Marken haben eine riesige Palette von ähnlichen Produkten. Die Hersteller glauben, damit können sie es allen recht machen und mehr verkaufen. Mich nervt das. Weniger wäre oft mehr.

Fiktives Verkaufsgespräch in einer Digitec-Filiale:

Da blickt kein Schwein mehr durch

Ich hatte deshalb Fragen. Für welche Ausgangslage ist denn nun welches Modell am besten? Braucht es die alten wirklich noch? Ist der Preis des Neuzugangs angemessen? Passt der Name ins Konzept? Klare Antworten konnten mir die Vertreter nicht geben, selbst ihnen war die Ratlosigkeit anzusehen.

Bitte, liebe Hersteller, hört auf damit.

Neuheit um der Neuheit Willen

Wenn ich in 100-Franken-Schritten abwägen muss, welche DJI Mini denn jetzt das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis für mich bietet, platzt mir der Kragen.

Vielmehr sehe ich die «Freiheit» der schier unendlichen Auswahl als Deckmantel für geschicktes Marketing. Zu jedem neuen Modell erscheinen Videos auf YouTube-Kanälen und Tests auf Webseiten wie dieser hier. Es ist ein Kampf um ständige Medienpräsenz aus der Angst in Vergessenheit zu geraten. Neuheit um der Neuheit Willen.

FOMO

Sonys Kadenz von neuen Kameras ist zum Glück nicht ganz so hoch wie die von DJI-Drohnen. Dafür leidet der japanische Konzern an einem anderen Syndrom: Der Angst, etwas zu verpassen – auf Englisch «Fear of Missing Out» oder kurz «FOMO». Das Unternehmen scheint nichts mehr zu fürchten, als nicht jede noch so kleine Bedürfnis-Nische abzudecken.

Damit nicht genug. Als angehender Video-Kameramann hätte ich noch viel mehr Auswahl: Die FX30 ist eine FX3 mit kleinerem Sensor. Die A7 IV filmt ein wenig schlechter, kann dafür auch gut fotografieren. Oder wie wär’s mit einer A7R V? Die könnte 8K. Oder sogar eine A1? Die kann alles, kostet aber so viel wie ein kleiner Gebrauchtwagen. Wohlgemerkt: Ich spreche hier nur von einer einzigen Marke im Kamera-Dschungel. Es ist zum Mäusemelken.

Choice Overload

Keines der Geräte, die ich hier aufliste, ist für sich genommen schlecht. Im Gegenteil: Ich besitze privat eine Sony A1 und mehrere Drohnen von DJI und würde alles wieder kaufen. Doch es dauerte ewig, bis ich eine fundierte Kaufentscheidung treffen konnte – obwohl ich mich professionell mit Kameras und Drohnen befasse. Die Hersteller haben die Grenze zwischen vernünftiger Auswahlmöglichkeit und völliger Überforderung der Kundschaft längst überschritten.

Ich bin gefangen zwischen der Angst, etwas zu Schlechtes zu kaufen und der Angst, etwas zu Teures zu kaufen.

Namen wie Passwörter

Weniger ist mehr

Liebe Hersteller: Ein unübersichtliches, undurchsichtiges oder kryptisches Sortiment ist eine Plage für eure Kundschaft – und ein Handicap für euer Geschäft. Bitte hört endlich auf damit. Weniger ist mehr! Ich wünsche mir, dass eine Kaufberatung in einem Digitec-Shop in Zukunft wie folgt abläuft:

Kunde: Grüezi, ich möchte eine DJI-Drohne kaufen.
Verkäuferin: Gerne, welche Grösse darf es sein?
Kunde: Mittel, bitte.
Verkäuferin: Einmal DJI Medium, das macht 1000 Franken.
Kunde: Ich zahle mit Karte.
Verkäuferin: Vielen Dank, schönes Tägli!

Titelbild: Samuel Buchmann

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Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.


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