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LG V40 ThinQ: Das verwirrendste Phone der CES 2019

Wenn eine Firma ein neues Smartphone auf den Markt bringt, ist meist erkennbar, wo die Reise mit der Mobile Division des Unternehmens hingehen soll. Nicht so beim LG V40. Das Gerät ist das wohl rätselhafteste Flaggschiff der Saison.

Der LG-Stand ist einer, der immer gut besucht ist. Denn LG ist einer der wenigen ganz grossen Konzerne, die Neues zeigen. Samsung soll, so munkeln die Journalisten vor Ort, einigen Ausgewählten das faltbare Galaxy Phone gezeigt haben. Nachfragen am Stand haben aber nichts gebracht. LG hingegen zeigt sich von der besten Seite.

Und der verwirrendsten.

Denn in der Mitte des Standes, der immer gerappelt voll ist, wo geschubst und gestossen und «Pardon me» gesagt wird, ist fast schon unauffällig und verschwindend das LG V40 ThinQ ausgestellt. Das neue Flaggschiff-Handy hat fünf Kameras und ich verstehe nicht ganz, in welche Richtung der südkoreanische Konzern stossen will.

Die Specs, die beeindrucken

Das LG V40 ThinQ – ab hier nur noch V40 genannt, da ThinQ LGs Ökosystem bezeichnet – liefert viel. Vor allem aber fällt beim ersten Griff nach dem Phone eines auf: Selbst wenn es mit einem Block und einem Kabel am Tisch festgemacht ist, ist das Teil extrem leicht. Es wiegt 168 Gramm ohne SIM-Karte, hat ein Snapdragon 845 System-on-a-Chip (SoC) verbaut und rechnet mit 6GB RAM und 64 GB interner Speicher.

Das klingt ja schon mal alles schön und gut, aber die 64 GB bereiten mir etwas Kopfweh. Ein Flaggschiff mit so wenig Speicher? Echt jetzt? Eine erste Vermutung tut sich auf: Im vergangenen Jahr, mit dem V30, war es so, dass das normale V30 auf den Markt gekommen ist und dann wenige Wochen später das V30+ mit mehr Speicherplatz. Dann das V30S ThinQ, das zum ersten Mal die ThinQ-Plattform eingebaut hatte.

Macht LG das schon wieder? Muss das sein?

Trotzdem, das Ding liegt rot in meiner Hand, denn LG gehört zu den wenigen Konzernen, die sich trauen, ein knallrotes Phone auf den Markt zu bringen. Den Erfolg mit der Farbe wünsche ich ihnen, denn das Ding mit den drei Kameras und dem Fingerabdruck-Scanner hinten sieht verdammt schick aus.

Die Software, die verwirrt und der Sound, der donnert

Ich drücke also am Stand am Phone herum, während Leute mich nach links und nach rechts drücken. Ich finde das nur wenig lustig, aber ich habe Fragen. Die Werbemenschen am Stand können zwar prima die Specs runterrattern, können mir aber nicht sagen, was die Stossrichtung des Unternehmens mit dem Phone sein soll. Arbeitet LG auf etwas hin? Zum Vergleich: Samsung arbeitet darauf hin, die gesamte Front eines Smartphones als Bildschirm zu verarbeiten. Keinen Notch, keine Infinity-O mit Ausstanzung für die Frontkamera. Das gibt der Konzern zwar nicht offen zu, aber Beobachtern der Szene ist das sonnenklar. Was aber LG mit dem V40 bezweckt und inwieweit das Phone einen Fortschritt und nicht nur ein Update darstellt, ist nicht offensichtlich.

Das soll aber nicht heissen, dass das V40 nicht beeindruckt. Vor allem zwei Dinge sind höchst interessant:

  1. Der Story Shot
  2. Die Boxen

Beginnen wir mit dem Sound, denn damit sind wir bei einer der grössten Stärken LGs. Deren Smartphones haben immer überragende Soundqualität. Das V40 kommt mit vier Speakern daher, dazu eigene Resonanzräume im Gehäuse, die als eine Art Verstärker dienen sollen. Wenn ich mir ein koreanisches Popvideo in der Youtube-App ansehe, dann schallt mir die Band Red Velvet entgegen. Könnte ich koreanisch, ich würde den Text verstehen auch wenn der Lärm am Stand permanent so laut ist, dass ich mich kaum denken höre und Videoproduzentin Stephanie Tresch jeden Satz zurufen muss, auch wenn sie nur etwa zwei Meter von mir entfernt steht.

Gut, erstaunt wenig, denn das LG V40 hat DTS:X Surround Sound verbaut, dazu Hi-Fi Quad DAC. In Kombination mit dem Hohlraumsystem, von LG Boombox Sound genannt, kommt da anständig was aus dem kleinen Telefon raus.

Dann der Story Shot. Das ist eine reine Software-Übung mit der Frontkamera und den drei Hauptkameras. Angenommen, du stehst am Las Vegas Strip, der grossen Touristenfalle der Stadt. Du willst ein Selfie von dir vor all den Lichtern und Lampen, hast aber keinen Flipstik oder so etwas dabei. Du hältst dein Phone also hoch. Im Story-Shot-Modus nehmen die Kameras auf beiden Seiten des Handys ein Bild auf. Dann kommt die Software daher, nimmt das Selfie, schneidet dich aus und fügt dich ins Panorama des Strips ein.

Das funktioniert so mehr oder weniger gut, da Stephanie mal ein Arm abgehackt wurde, dann die Haare gestutzt. Trotzdem: Die Geschwindigkeit des Systems kann sich sehen lassen, und wenn das errechnete Komposit nicht gut genug ist, kannst du immer noch ein normales Selfie machen.

Dann werden wir von einem Mann höflich gefragt, ob er auch mal das rote Phone in die Hand nehmen darf. Klar darf er das. Wir packen ein. Aber eines ist klar: Das LG V40 dürfte eines der interessanteren Phones der Saison sein. Vor allem darum, weil die Position im Markt komplett nebulös ist. Ich bin mir sicher, dass LG sich irgendwo in die Karten blicken lässt, aber um den Punkt zu finden, brauche ich Zeit.

V40, wir sehen uns in Zürich wieder.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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