Produkttest

Lenovo Legion Go im Test: trotz Mängel eine der besten Steam-Deck-Alternativen

Philipp Rüegg
24.11.2023

Lenovos Handheld überzeugt mit einer durchdachten Benutzeroberfläche, guter Performance und leisem Lüfter. Die üblichen Windows-Probleme lassen zwar nicht lange auf sich warten, trotzdem ist das Legion Go eins meiner neuen Lieblingsspielgeräte.

Mit dem Legion Go wirft Lenovo seinen Anwärter auf den Handheld-Thron in den Ring. Das chinesische Unternehmen setzt auf die Kombination aus Windows und potenter Hardware. Lenovo legt aber ein ungewöhnliches Steuerungskonzept obendrauf: Die abnehmbaren Controller können zur Maus umfunktioniert werden. Die Ausstattung kann sich für den Preis von rund 800 Franken sehen lassen.

Die Spezifikationen in der Übersicht:

Gross und doch handlich

Der FPS-Modus ist ein Gimmick

Damit erklärt sich auch die etwas merkwürdige Platzierung der Zusatztasten auf der Rück-, respektive der Seite. Im normalen Modus sind einige davon nur umständlich zu bedienen oder ich löse sie gar unabsichtlich aus. Sie sind auch primär für den FPS-Modus gedacht, wo sie die verschiedenen Maustasten übernehmen.

So richtig toll liegt die Pistolenmaus nicht in der Hand. Der Analogstick und die Kontaktstelle, mit dem der Controller an den Legion Go angeschlossen wird, drücken mir in die Hand. Nicht schmerzhaft, aber irritierend. Es ist definitiv ein abenteuerliches Setup, das sich Lenovo ausgedacht hat. Aber wenn ich dafür Ego-Shooter genauso präzise wie mit einer Maus spielen könnte, wäre das ein kleines Opfer.

Leider hält das Konzept nicht, was es verspricht. Ich weiss nicht, ob der Sensor zu ungenau ist, ob ich mehr Zeit damit verbringen müsste oder ob es schlichtweg nicht funktioniert. Ich treffe kaum etwas mit dieser Steuerung. Sie ist nicht präzise genug. Stattdessen nutze ich den linken Analog-Stick, um meine Figur so auszurichten, dass das Zielkreuz über dem Feind liegt. Das ist natürlich absurd. Dann kann ich genauso gut die normale Steuerung verwenden.

Vielleicht liegt es an der Haltung. Mit einer Maus liegt mein ganzer Arm auf dem Tisch und gibt mir Stabilität. Beim FPS-Modus halte ich meine Hand aufrecht und bewege eher das Handgelenk als meinen Arm. Möglich, dass ich mit viel Übung besser werde, aber für mich ist ein Handheld primär für den Einsatz auf dem Sofa oder unterwegs gedacht. Und dort funktioniert diese Steuerung ohnehin nicht.

Am ehesten würde ich den Mausersatz bei Strategiespielen wie «Civilization» verwenden. Dafür reicht die Präzision. Das Problem ist aber auch hier, dass die Haltung nicht sonderlich bequem ist.

Die Tasten des Lenovo Legion Go machen zudem nur einen durchschnittlichen Eindruck. Sie wirken auf mich, wie wenn ich an einer Konsole einen günstigeren Third-Party-Controller anschliesse. Alles funktioniert, aber die Knöpfe und Sticks drücken sich nicht gleich satt wie beim Original. Die Analog-Sticks besitzen zu wenig Widerstand, die Schulter- und Rückentasten klappern leicht und das Steuerkreuz ist mir zu flach.

Ein Lob muss ich für das Trackpad aussprechen. Es ist zwar nicht das grösste, aber sehr präzise. Da kann sich nicht nur das Ayaneo KUN eine Scheibe abschneiden, sondern auch der eine oder andere Laptop-Hersteller. Das Problem ist aber auch hier, dass die Position etwas zu tief ist und ich meine Hand umpositionieren muss.

Unkomplizierte Benutzung

Über LegionSpace kann ich Launcher wie Steam, Battle.net und Co. installieren und alle meine Spiele verwalten. Auch die Geräteanpassungen wie Netzwerk, Display oder Controller finden sich hier. Viel zu bestaunen gibt es nicht.

Zudem kann ich mit dem Shortcut L + Y (L ist die dedizierte Lenovo-Taste) zwischen vier Leistungsprofilen hin- und herschalten. «Leise», wenn ich nur surfen will und «Leistung», falls das «Automatisch»-Profil nicht genug aus dem Legion Go rauskitzelt.

Auch ohne diese Funktionen ist der Legion Go dem Steam Deck bezüglich Benutzerfreundlichkeit am nächsten. Valves Handheld bleibt der Goldstandard, aber Lenovos Erfahrungen im Bereich mobiler Hardware sind deutlich spürbar.

Leise, dafür nicht ausdauernd

Ob es an den Treibern liegt oder ob Lenovo nicht überall die gleichen Lüfter verbaut – nicht alle scheinen die gleichen Erfahrungen wie ich zu machen. Auf Reddit findest du zahlreiche User, die sich über Düsenjet-artige Lärmemissionen beklagen.

Bei der Akkulaufzeit kann das Legion Go nicht auftrumpfen. Die 49 Wh reichen je nach Spiel zwischen ein und drei Stunden. Stelle ich die Bildwiederholrate auf 60 Hz statt 144 Hz, fahre ich besser. Darunter leiden aber sowohl das Spielerlebnis als auch die Benutzung des Touchscreens.

Ausserdem schaffe ich es trotz der gleichen Energie-Einstellungen wie beim Ayaneo KUN nicht, dass der Legion Go in den Ruhezustand geht. Im Schlafmodus verbraucht das Gerät so viel Energie, dass ich es über Nacht einstecken muss. Sonst ist der Akku am Morgen leer.

Bei der Leistung vorne mit dabei

Der Lenovo Legion Go ist mit dem gleichen AMD-Zen-4 Prozessor wie der ROG Ally von Asus ausgestattet. Der Ryzen Z1 Extreme ist auf dem Papier zudem fast identisch mit dem Ryzen 7 7840U, der im Ayaneo KUN steckt. Das, obwohl Ayaneos Luxus-Handheld bis zu 54 Watt TDP zieht. Das Steam Deck muss sich derweil mit einem angepassten Zen-2-Chip und maximal 15 Watt begnügen.

Der Legion Go spielt also in der vorderen Liga mit, das Ayaneo KUN hält aber nach wie vor die Leistungskrone. Das zeigen auch die Game-Benchmarks:

Legion Go mit Performance-Preset bei 30 W TDP.

Das Ayaneo KUN ist in allen getesteten Spielen schneller als die Konkurrenz. Danach folgt das Legion Go. 2560 x 1600 Pixel sind in den meisten Spielen eine zu rechenintensive Auflösung. Aber auch mit 1920 x 1200 Pixel sehen Spiele noch knackig aus. Selbst 1280 x 800 Pixel sind eine valable Auflösung. Wenn dann allerdings noch FSP-Upscaling hinzukommt, wird es schon arg pixelig.

Immer wieder Windows

Der Schlafmodus, der sowohl auf der Switch als auch dem Steam Deck zu meinen liebsten Funktionen gehört, ist beim Legion Go ein Spiel mit dem Feuer. Mal funktioniert es und ich kann das Gerät Stunden später wieder einschalten und direkt dort weiterspielen, wo ich aufgehört habe. Zu oft passiert es, dass das Gerät aus irgendeinem Grund neu startet und ich mal eben einen halbstündigen Kampf in «Baldur’s Gate 3» wieder von vorne beginnen darf.

Fazit: macht Spass, trotz Kompromissen

Statt mit Highend-Spezifikation zu bolzen, überzeugt mich das Legion Go mit der Nutzerfreundlichkeit. Dem Ausstattungsprimus Ayaneo KUN hinkt es abgesehen vom 144-Hz-Display hoffnungslos hinterher. Sowohl von der Verarbeitung als auch von der Ausstattung her bietet Lenovo «nur» obere Mittelklasse. Das Gesamtpaket überzeugt mich dennoch.

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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