Hintergrund

Kennst du noch? «Parasite Eve»

Kevin Hofer
4.12.2018

Eine tatsächlich starke, weibliche Protagonistin, die ihren ersten Auftritt in einem knappen schwarzen Kleid hat? Check. New York City als Schauplatz? Check. Tiere, die mutieren und Menschen, die sich spontan selbst entzünden? Check. «Parasite Eve» bot 1998 alles, was ich mir als Fünfzehnjähriger von einem Videospiel erhoffte.

Die Freiheitsstatue weint. Das bedeutet nichts gutes, dachte ich mir, als ich die ersten Sekunden der Intro-Sequenz von «Parasite Eve» gesehen habe. Weiter geht die Sequenz mit einer Kamerafahrt durch die Häuserschluchten von New York City.

Vor der Carnegie Hall macht die Kamera Halt und ich sehe zum ersten mal Aya Brea, NYPD-Rookie und Hauptcharakter des Spiels. Sie ist auf einem Blind Date. Was folgt, sind die wohl langweiligsten drei Minuten der Videospielgeschichte. In schönster Pixelpracht muss ich mir eine Oper aus der Sicht von Aya anschauen – und das nur mit Untertiteln.

Wie sich im späteren Spielverlauf herausstellt, spielen die Mitochondrien von Eve – so nennt sich die mutierte Melissa künftig – verrückt. Und auch Aya scheint irgendwie davon betroffen, weshalb sie nicht in Flammen aufging. Mehr will ich dir aber nicht verraten. Dafür spielst du das Spiel am besten selbst oder schaust dir ein Let’s play an.

Nichts für Optimisten

Eigenwillige Mechanik

Von der Fachpresse wurde «Parasite Eve» als Mischung zwischen «Resident Evil» und «Final Fantasy 7» gehandelt. Das mag zwar vom Game-Design und der Stimmung her stimmen, wird der Spielmechanik aber nicht gerecht.

Was das Spiel von «Resident Evil» unterscheidet, ist, dass «Parasite Eve» ein für damalige Zeiten komplexes Waffen- und Rüstungsmodding-System enthält. Zudem steigst du Rollenspieltypisch mit gesammelten Erfahrungspunkten Level auf und erhältst BP, die du in deine Fähigkeiten stecken kannst.

Die Kämpfe in «Parasite Eve» laufen JRPG-typisch rundenbasiert ab. Im Gegensatz zu «Final Fantasy 7» wechselst du aber nicht in einen speziellen Kampfbereich. Die Gegner erscheinen per Zufallsprinzip vor dir und du kannst Aya in einem gegebenen Rahmen frei steuern.

Das Kampfsystem ist sehr eigenwillig. Aber als Fan von JRPGs war es für mich damals perfekt. Endlich hatte ich auch etwas zu tun, währenddem sich meine Statusleiste füllt und musste nicht zuschauen, wie mein Charakter hilflos verkloppt wird. In heutigen JRPGs darfst du dich häufig frei bewegen. «Parasite Eve» war hier ein Vorreiter.

Ecken und Kanten

Das Spiel passte perfekt zur Experimentierfreude von Squaresoft Ende der 90er Jahre – die Goldenen Jahre der Playstation sozusagen. Das Unternehmen produzierte zu jener Zeit diverse äusserst eigenwillige Spiele. «Parasite Eve» ist ein ruhiges, reflektiertes Spiel ohne Hektik, das Squarsoft als «Cinematic JRPG» vermarktete.

Apropos Hektik: Die Dialoge und Zwischensequenzen habe ich in jener Zeit gefeiert. Die Dialoge empfand ich als packend und die Zwischensequenzen visuell bombastisch. Wie für JRPGs damals üblich, fehlte aber die Sprachausgabe komplett. Aus heutiger Perspektive geht den Dialogen und Zwischensequenzen deshalb einiges an Emotionalität ab.

Kommt da noch was?

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