Netflix / Sony Pictures Animation
Hintergrund

«K-Pop Demon Hunters»: Wie Sony einen Milliarden-Hit verschenkte

Luca Fontana
12.9.2025

Eine K-Pop-Girlgroup, die nachts Dämonen jagt. Klingt verrückt, wurde aber zum grössten Animationshit auf Netflix. «K-Pop Demon Hunters» ist mehr als ein Film: Es ist ein Lehrstück über Hollywoods Blindheit und Asiens Aufstieg.

Als «K-Pop Demon Hunters» im Juni auf Netflix startet, passiert etwas, das man in Hollywood nicht alle Tage sieht: Ein Animationsfilm wird zum grössten kulturellen Erdbeben seit «Frozen». Internationale Charts, TikTok, Cosplay, Streaming-Rekorde … plötzlich ist alles voll mit K-Pop und Dämonenjagd. Ein neues, potenziell milliardenschweres Franchise wurde geboren.

Und das Absurdeste daran? Sony hat es Netflix so gut wie geschenkt.

Aber von vorn.

Die verrückte Idee

Verrückt, überdreht, und ein Liebesbrief an ihre koreanischen Wurzeln.

Anders als viele Projekte in Hollywood ist dies kein seelenloser Pitch, sondern ein Stück Biografie. Maggie ist nämlich in Seoul geboren, in Kanada aufgewachsen und hat als Teenager ihre Leidenschaft für K-Pop und koreanische Folklore oft verstecken müssen, weil sie dafür ausgelacht wurde. Jetzt will sie genau daraus eine Geschichte machen. Mit sogenannten Idols, die nicht perfekt und unnahbar sind, sondern schräg, lustig und verletzlich. Genau wie Maggie selbst.

Aaron Warner, der Produzent von Dreamworks’ «Shrek» und mittlerweile Sony-Produzent, erkennt sofort, dass darin mehr steckt als ein blosser Gag. Während andere das Konzept belächeln würden, meint er nur: «I love it. I want to make this.»

Nur eine Woche später ist der Deal bereits beschlossene Sache – aber nicht alle bei Sony ziehen mit.

Sony zögert, und der Jäger wittert die Chance

Während Aaron Warner das Projekt vorantreibt, bremst Sonys Konzernzentrale. K-Pop-Idols, die Dämonen jagen? Zu riskant. Hollywood liebt sichere Wetten. Wetten wie Sequels, Prequels, Spin-offs, Superhelden und bekannte Franchises mit etablierter Fanbase. «K-Pop Demon Hunters» passt in keine dieser Schubladen.

Hinzu kommt, dass nach der Corona-Pandemie viele Menschen Kinosäle meiden – und Sony entsprechend das Risiko.

Ironisch daran: Genau zu dieser Zeit rollt die K-Wave über die Welt. Die südkoreanische Boygroup BTS füllt in Asien Stadien, während Blackpink internationale Streaming-Rekorde knackt und sowohl «Parasite» als auch «Squid Game» zeigen, dass südkoreanische Kultur längst nicht mehr Nische, sondern Mainstream ist.

Die Zeichen stehen auf Sturm – doch bei Sony will man lieber den Schirm aufspannen. Während das immer teurer werdende K-Pop-Projekt bei Sony Pictures Animation, das Studio hinter «Spider-Man: Across the Spider-Verse», fast wieder in der Schublade verschwindet, wittert ein anderer Player die Chance: Netflix.

Der Streamingriese hat längst erkannt, was Sony vor der eigenen Nase entgeht.

Sony verliert, Netflix kassiert

20 Millionen Dollar. Ganz ohne Risiko.

Klingt super. Eigentlich. Was Sony noch nicht realisiert: Man sitzt auf einem Los, das den Jackpot der Popkultur einbringen wird. Doch statt abzuwarten, bis die Zahlen gezogen sind, verscherbelt man es mit Rabatt an Netflix. Die Kalifornier kaufen indes nicht einfach einen Film – sie kaufen eines der mächtigsten globalen Fandoms der Geschichte.

Für Netflix ist «K-Pop Demon Hunters» mittlerweile das, was «Frozen» für Disney war: ein potenziell milliardenschwerer Kern für ein neues Franchise mit schier unendlichem Spin-off-, Prequel-, Sequel- und sogar Live-Action-Potential. Und Sony? Die kriegen für all das gerade mal lachhafte 20 Millionen Dollar Gewinn.

Vorerst.

Ein Milliarden-Franchise im Tauziehen

Kurz: Im Moment kann keiner ohne den anderen irgendetwas machen.

Das grosse Ringen ums Franchise hat also begonnen. Im Moment lächelt Netflix. Aber für das, was kommt, sind Sony und Netflix vertraglich aneinander gebunden. Wenn sie die K-Pop-Kuh weiterhin melken wollen, können sie gar nicht anders, als gemeinsam eine Lösung zu finden.

Und die findet sich immer, wenn so viel Geld auf dem Spiel steht …

Titelbild: Netflix / Sony Pictures Animation

58 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


Filme und Serien
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Anime statt Hollywood: Wie Japan das Erzählen neu definiert

    von Luca Fontana

  • Hintergrund

    Krieg der Kinobranche: Zerstört Netflix das Kino, wie wir es kennen?

    von Luca Fontana

  • Hintergrund

    Schafft Netflix den Serienmarathon ab?

    von Luca Fontana