
Meinung
Das Beste an «Death Stranding 2» ist der Multiplayer-Modus
von Philipp Rüegg
First Person oder Third Person? Schwarz-Weiss oder farbig? Grafikpracht oder mehr FPS? In vielen Games muss ich Entscheidungen treffen und das stresst mich.
Freiheit in Games ist grundsätzlich etwas Lobenswertes. Ich liebe es, dass ich in «Baldur’s Gate 3» vom mordlustigen Henker über den hilfsbereiten Pazifisten bis zum schmalzigen Casanova alles sein kann. Wenn ich hingegen zwischen verschiedenen Perspektiven, Grafik-Modi und Questführungen entscheiden soll, bin ich überfordert. Und das passiert immer häufiger.
Das aktuellste Beispiel heisst «Grounded 2». Ein geniales Survival-Spiel, das eindeutig vom Film «Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft» inspiriert ist. Ich spiele einen von vier jungen Erwachsenen, die sich in der Grösse einer Zecke durch einen riesigen Park kämpfen müssen.
Bevor ich mich ins Abenteuer stürze, fragt mich das Spiel, ob ich aus der Ego-Perspektive oder mit Schulterkamera spielen möchte. Das eine ist immersiver, das andere bietet mehr Übersicht. Schon in «Fallout 3» habe ich diese Option gehasst. Natürlich will ich sehen, wie die neue Rüstung meines Charakters aussieht. Aber die Welt fühlt sich packender an, wenn ich aus der Ego-Perspektive spiele. Damit treffe ich viel besser. Also wechsle ich ständig hin und her, weil ich mich nicht entscheiden kann.
Sonys Openworld-Game «Ghost of Tsushima» ist in vielerlei Hinsicht eine Hommage an die Samurai-Filme des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa. Darum ergänzte das Studio Sucker Punch das Spiel um einen Kurosawa-Modus. Dieser taucht die sonst knallige Spielwelt in Schwarz-Weiss. Das gibt ein gänzlich anderes Spielgefühl. Beides hat seinen Reiz. Die vielen Farben sind visuell stimulierender, der Kurosawa-Modus fühlt sich gehaltvoller und bedeutsamer an. Eine falsche Entscheidung gibt es nicht und doch habe ich bei beiden das Gefühl, etwas zu verpassen.
Der grösste Vorteil von Konsolen war, dass ich eine Box bekomme, mit der ich direkt losspielen kann. Keine Patches, Treiber-Updates oder Grafiksettings wie auf dem PC. Diese Zeiten sind leider längst vorbei. Während ich mit Updates und gelegentlichen Abstürzen leben kann, würde ich auf eine vermeintliche Verbesserung gerne verzichten: Grafikoptionen.
Auf dem PC ergeben sie Sinn, weil die Hardware unterschiedlich ist. Auf der PS5 oder Xbox Series X/S muss ich mich im Gegensatz zu den alten Konsolen für einen Kompromiss entscheiden. Spiele ich lieber mit 4K-Auflösung, knackigen Texturen und realistischer Beleuchtung dank Raytracing? Oder nehme ich visuelle Einbussen in Kauf und profitiere dafür von einer besseren Bildrate? Beides ist unbefriedigend. Spiele ich im Grafik-Modus, nerve ich mich über die schlechte Bildrate. Wähle ich den Performance-Modus, fällt mir dafür jedes Flimmern und jede unscharfe Textur auf.
Questmarkierungen sind eine tolle Sache. So weiss ich in Spielen immer sofort, wo ich als Nächstes hin muss. Lästiges Suchen fällt weg, dafür renne ich wie mit Scheuklappen durch die Welt. «Assassin’s Creed» ist eines der berüchtigtsten Checklisten-Spiele, das mir so ziemlich alles auf der Karte markiert, was es zu sehen gibt. In den letzten Ablegern gab es neben der klassischen Quest-Navigation eine ungeführte Option. Damit wird mir nicht mehr mit Pfeilen auf der Karte oder leuchtenden Wegpunkten angezeigt, wo mein Ziel ist. Das klingt eigentlich ganz spannend, aber ist das die von den Entwicklern bevorzugte Variante? Die ist es nämlich, die ich spielen will.
Diese vier Beispiele bringen mein Problem auf den Punkt: Ich will in Games nicht entscheiden müssen, welcher Kompromiss der bessere ist. Davon bekomme ich FOMO. Darum, liebe Game-Entwicklerinnen und Entwickler, ihr seid die Experten. Gebt mir einfach die Version, die ihr für die beste haltet. .
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.