
Hintergrund
Huawei Emui 11: Der Abschied von Android im Detail
von Dominik Bärlocher
Sollte das Huawei Mate 40 der letzte Kirin sein, oder das letzte Android-Phone aus dem Hause Huawei, dann geht der Gigant aus China mit einem Knall und nicht einem Wimmern. Denn das Mate 40 Pro hat beeindruckende Specs und sieht verdammt gut aus. Anderer Kram dann auch noch, aber irgendwie stiehlt das Phone die Show.
Ist es ein letztes Aufbäumen eines sterbenden Giganten oder der Start in eine neue glorreiche Ära? Huawei scheint das beim Launch der Mate-40-Serie, den Freebuds Studio und irgendwelchen Sonnenbrillen auch nicht zu wissen. Was Huawei aber weiss, und die Welt jetzt auch, ist: Die Hardware kann sich sehen lassen.
Zu Causa Google und Causa Kirin aber gibt es keine Neuigkeiten. Google darf nach wie vor nicht mit Huawei, Android bleibt auf allen Geräten erhalten und Google Mobile Services können nachgerüstet werden, ich weiss nur noch nicht wie. Aber Richard Yu, CEO der Mobile Divison Huaweis, sagt, dass seine Firma das Problem des «alternden Android» löst.
Mein erster Gedanke: Das Review wird eine Lobhudelei. Denn das Huawei Mate 40 Pro verspricht viel und sieht verdammt gut aus. Der chinesische Konzern hat sich der Rückseite des Geräts angenommen und statt einem Kamerabuckel einen sogenannten Space Ring verbaut. Der Space Ring ist nichts anderes als ein gläserner Donut mit einem Element in der Mitte, das aus demselben Material wie der Rest der Backplate besteht.
Huawei will das Mate 40 Pro als grosses-D Das Mate 40 verstanden wissen. Das Mate 40 ohne Pro sei eine abgespeckte Version. Denn der Kirin 9000, so der Name des neuen Chipsets, ist voll 5G-tauglich und im 5nm-Verfahren hergestellt. Das bedeutet in erster Linie mal schnelle Transfer Speeds und stromsparendere Architektur. Hier gilt aber zu bemerken, dass 5G mehr Strom frisst als 4G LTE. Ich hoffe, dass sich das gegenseitig aufhebt und die Akkuleistung in etwa die des P40 Pro, also plusminus zwei Tage, ist. Aber bei 4400 mAh mache ich mir da wenig Sorgen. Ah ja, dann ist da noch die Tatsache, dass das Mate 40 Pro mit 66 Watt geladen werden kann. Kabellos sollen 50 Watt machbar sein.
Der Kirin 9000 ist ein Octa-Core-System, kommt mit einem 3.13 GHz Cortex-A77-Kern, drei 2.54 GHz Cortex-A77- und vier 2.04 GHz Cortex-A55-Kernen daher. Dazu 8 oder 12 GB RAM, je nach gewählter Speichergrösse. Dann eine 24 Core GPU vom Typ Mali-G78. Dazu soll das System erst nach 36 Monaten durch Abnutzung langsamer werden oder nachlassen.
Der Screen ist dann auch recht cool. Das Display ist um 88 Grad gebogen, laut Huawei ist das Rekord. Trotzdem hat der Lautstärkeregler als physischer Knopf seine Rückkehr gefeiert. Beim Mate 30 erscheint die Lautstärkeregelung beim Doppeltippen auf die Seite des Displays. Diese Funktion bleibt erhalten, damit auch Linkshänder laut Richard Yu easy die Lautstärke anpassen können. Denn die Stereolautsprecher haben laut dem CEO 150% mehr Bass als das Mate 30.
Das Display hat 6.76 Zoll Bilddiagonale und löst mit 2772×1344 Pixeln auf bei einer Bildwiederholrate von 90 Hertz. Es wäre ein Leichtes für Huawei, sagt Richard Yu, 120-Hertz-Displays zu verbauen, aber diese fressen zu viel Strom.
Dann der Space Ring Donut. Dahinter sind drei Kameras und ein Tiefensensor verbaut:
Achtung: Das Mate 40 Pro ist IP68-zertifiziert, das Mate 40 ohne Pro ist nur IP53-zertifiziert.
Das Mate 40 Pro+, mit einer Backplate aus Keramik, hat dann noch eine Kamera extra, also insgesamt fünf Linsen, von denen vier Bilder schiessen. Eine Sache zum Zoom: Erfahrungsgemäss ist das zwar schon ein Zoom, der 100x optisch und digital kombiniert und so 100x-Zoom hinkriegt, aber das Bild ist dann einfach unbrauchbar.
Besonders aber sind die Weitwinkelaufnahmen in Kombination mit der AI. Wenn du weitwinkelst, dann verzerrt es dir die Bildränder. Diese werden von der künstlichen Intelligenz ausgeglichen und so bekommst du laut Huawei einfach mehr ins Bild. Natürlich ist das Ding auch auf Video stabilisiert und lichtstärker und grundsätzlich sei alles pauschal einfach mal besser. Wollte ich eingangs noch eine Lobhudelei verfassen, bin ich jetzt skeptisch. Nichts auf der Welt kann so gut sein, wie Richard Yu das Mate 40 klingen lässt. Und genau deshalb reviewe ich gerne Flaggschiffe. Jedes verspricht die Wiederkunft von Smartphone-Jesus. Mindestens. In der Realität stimmt das dann oft nicht, kann unter Laborbedingungen zwar reproduziert werden aber sieht ausserhalb davon ganz anders aus.
Dann kommt die Software dran. Nebst Emui 11 kündigt Richard Yu Petal Maps an. Die App soll kurzerhand Google Maps einstampfen. User können ihre eigenen Daten in die Landkarten-App einspeisen und andere Nutzer können sich dann so in der Welt zurechtfinden.
Die Frage ist natürlich die nach der Basis der Kartendaten. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um Kartenmaterial von TomTom handelt, da Huawei vor kurzem einen grossen Deal mit dem Navi-Hersteller gemacht hat.
Dann wird Petal Search besser und will Google killen. Ja, ne, is klar.
Huawei hat sich mit der Erfindung der Freebuds, der wireless In-Ear Headphones, ein Ei gelegt. Das Wort «Buds» kann mit «Stöpsel» übersetzt werden. Freebuds ist also sowas wie «freie Stöpsel». Die Freebuds Studio sind zwar immer noch frei, aber keine Stöpsel mehr. Denn mit den Frebuds Studio wagt Huawei den Einstieg ins Over-Ear-Segment.
Ein kleines Geheimnis aus dem Leben eines Reviewers: Ich hatte bereits die Gelegenheit, kurz in die Studio reinzuhören. In einer Version der Headphones, die mir als «Oh, das Teil ist alles andere als fertig, aber klingt schon recht okay» beschrieben wurde. Ja, klingt definitiv allermindestens «recht okay». Sehr okay sogar. Und bequem sind sie auch. Noch ein Geheimnis: Wenn ich solche «unfertigen» Teile vorab zum Testen kriege, sind sie eigentlich schon fertig. Nur will sich der Hersteller ein Hintertürchen offen lassen, falls ich doch nicht so begeistert von dem Ding bin wie sein Marketing-Komitee.
Die Freebuds Studio kommen mit Active Noise Cancelling und zwei Bluetooth-Antennen daher. Damit sei es sogar in grossen Menschenmengen «schier unmöglich», den Bluetooth-Empfang zu verlieren.
Die vier Diaphragmen sollen reinen und räumlichen Klang bringen, dazu die sechs Mikrofone, die den Klang der Aussenwelt eliminieren und auch noch astreine Telefonqualität bieten sollen. Bedient werden die Studios über einen Knopf, der die Headphones ein- und ausschaltet. Der Rest wird über eine Handvoll Gesten gemacht.
Der Akku der grossen Headphones soll 24 Stunden Playback bieten.
Huawei macht mit Gentle Monster gemeinsame Sache und bringt die zweite Generation der Huawei x Gentle Monster Eyewear II. Okay, wenn’s denn sein muss, dass du Sonnenbrillen mit eingebauten Kopfhörern brauchst. Das hatte Dog, der Kopfgeldjäger, schon und bei ihm sah das schon doof aus. Dafür waren bei ihm die Gläser besser, denn Oakley macht die besten Gläser für Sonnenbrillen.
Dazu noch einige Gadgets, die ich mir sicher mal ansehen will: Ein Case mit eingebautem Ringlicht. Dann ein Battery Pack, das mit 66 Watt lädt.
Die Porsche Watch GT2 werde ich wohl überspringen, denn die Nicht-Porsche-Version hat sich Videojournalistin Stephanie Tresch ums Handgelenk geschnallt.
Langzeitdaten werden folgen.
Dann, zum Schluss, kommt eine doch eher seltsame Dankesrede von Richard Yu. Er bedankt sich, brüstet sich mit all dem Zeug, für das seine Firma von den USA verdammt wird und nennt die Sanktionen gegen Huawei «unfair». Okay, konkrete Informationen zum Umstieg auf HarmonyOS wären besser gewesen, aber sei's drum. Ich habe ein Review vor mir und werde mit dem Ringlicht-Teil wohl doch noch Selfies machen. Hoffentlich hält das der Beauty-Filter des Geräts aus.
Ich hoffe, ich schlage die Kommentarspalte mit «Wann wird das Teil verfügbar sein?» mit diesem Update. Die Antwort: Vorbestellbar ab sofort, lieferbar ab Montag, 9. November 2020:
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.