
Hintergrund
What’s in my bag: Flo hört Musik und verliert alles
von Florian Bodoky
An der High End Swiss Messe konntest du vergangenes Wochenende die teuersten Kopfhörer ausprobieren, Vorträge und Workshops besuchen und viel fachsimpeln. Ich war dort – leider viel zu kurz.
Ich komme genervt vor dem Hotel Mövenpick in Regensdorf an. Weil ich über eine Stunde lang in Zürich Altstetten festgesessen bin, bin ich zu spät dran. «Fussballfans» hatten gopfertelli den ganzen Bahnhof blockiert. Im Hotel findet die High End Swiss statt – die Spezialmesse für Audio-Lösungen. Es ist schon vier Uhr, nur noch eine Stunde, dann ist die Schweizer Ausgabe der High End schon wieder vorbei.
Kaum betrete ich im Hotel den dritten Stock, wo die eine Hälfte der Aussteller in den Zimmern ihre Line-Ups vorführen, ist meine schlechte Laune verflogen. Schon von der Treppe aus ist der Sound gut zu hören. Es ist zwar nicht die Musik, die ich privat hören wurde, aber ich freue mich trotzdem.
Weil ich nur noch eine Stunde Zeit habe, muss ich priorisieren und bin erstmal überfordert. Ich laufe den Hotelgang im 80er-Jahre-Stil entlang und sehe viele Hersteller, die mich interessieren. Viele Schweizer Namen sind auch dabei.
Am liebsten würde ich in jedes Zimmer rein. Doch dafür reicht die Zeit nicht. Ich sehe ein grosses Plakat von Stax.
Die Elektrostaten-Kopfhörer wollte ich schon lange mal sehen. Im Hotelzimmer, in dem kein Bett mehr steht, sondern zwei Stuhlreihen und drei Tische, sind Kopfhörer und Verstärker im Wert von mehreren Autos bereit, ausprobiert zu werden.
Die Musik, die aus den offenen Kopfhörern klingt, höre ich schon an der Zimmertüre. Die Dame, die den relativ neuen STAX SR-009S ausprobiert hat, ist gerade aufgestanden. Ich ergreife die Chance und setze mir den etwa 4000 Dollar teuren High-End-Kopfhörer auf den Kopf. Es läuft ein Jazz-Stück. Obwohl ich Jazz eine der schlimmsten Musikrichtungen finde – nur Schlager ist noch übler – gefällt mit das Stück. Der Sound ist so ausgeprägt, wie ich es noch nie gehört habe. Jedes Detail klingt heraus. Krass!
Der SR-009S ist beliebt, jemand anders möchte auch Testhören. Ich rutsche einen Platz weiter und setze mir den SR-L700 auf. Auch hier läuft Jazz. Der Klang ist so rein, dass mir die Jazz-Musik jetzt sogar gefällt. Dennoch, mich nimmt’s wunder, wie wohl die Musik klingt, die ich sonst höre. Ein Stück von Lindsey Stirling wäre sicher wunderbar auf diesem Kopfhörer.
Ich frage, ob ich mein Handy via Kopfhörer-Jack an den Kopfhörerverstärker anschliessen darf. Die Antwort: Ein vernichtender Blick. Die Files würden von einem speziellen Audio-Player abgespielt werden, erklärt mir der Herr. Schon auf dem Gang habe ich einen Gesprächsfetzen aufgeschnappt, dass Leute, die ihre Musik auf dem Handy – oder noch schlimmer, auf Spotify haben – überhaupt sowieso gar keine Ahnung hätten.
Ich sehe mir noch den Plattenspieler derselben Marke an, und mache mich dann auf, zurück in den Gang um mir weitere Hersteller ansehen zu können. Ich war viel zu lange bei Stax – in 35 Minuten schliesst die Messe.
Auf dem Gang erklingen immer wieder schöne Musikfetzen. Gerade hat einer der Vorträge in einem grösseren Raum geendet. Ich bin erstaunt über das Publikum – Kollege David Lee, der auch mal an der Messe war, hat mir erklärt, dass hier alle Besucher um die siebzig Jahre alt seien. Ich sehe aber sogar ein, zwei Leute aus dem Raum gehen, die etwa gleich alt sind wie ich.
Auf dem Gang fällt mir ein weiteres Plakat auf. Big Fun Music steht drauf – der Schriftzug passt so gar nicht zu jenen der anderen Aussteller. Ich betrete das Zimmer und sehe nur Vinyl. Auf drei Tischen stehen alphabetisch geordnet Schallplatten. Analog scheint ein grosses Thema zu sein, es gab mehrere Workshops dazu – die ich leider alle verpasst habe. Der Schallplatten-Raum ist gut gefüllt mit interessierten Leuten, ich kann nur schnell ein Foto machen.
Die Zeit rennt, und ich kann nur noch kurz in ein paar Zimmer gucken. Bei der Marke Cabasse bleibe ich stecken. Der Kugellautsprecher auf dem Standfuss sieht aus, als hätte ihn ein Alien entworfen und in seinem Raumschiff aufgestellt.
Das Teil ist mit einem Preisschild versehen: 2800 Euro. Ohne Standfuss. Aber hier ist das gar nicht teuer, schon vom Gang aus habe ich Preisschilder mit der Beschriftung 60 000 Franken gesehen. Was mich hier viel mehr erstaunt: Die Alien-Kugel funktioniert mit Bluetooth und es lässt sich sogar Spotify damit streamen.
Im selben Raum steht ein Plattenspieler von Clearaudio. Ein Preisschild gibt’s keines. Ich frage nach: Je nach Konfiguration etwa 30 000 bis 60 000 Dollar koste das Ding.
Die Messe geht im Untergeschoss des Hotels weiter. Bis jetzt habe ich nicht mal die Hälfte gesehen. Insgesamt sind 44 Hersteller an der Messe vertreten. Es ist jetzt 10 vor fünf. Also noch zehn Minuten, dann schliesst die Messe.
Ich bleibe schon bei der ersten Tür stecken. Leise höre ich verschiedene Musikstücke. Tönt nach offenen Kopfhörern. Im Raum sind etwa fünfzehn Hifi-Overear-Kopfhörer zum Probehören ausgestellt. Zum Beispiel von Audeze, Astell & Kern, Beyerdynamic, Denon, FiiO, Focal, Meze, Hifiman, Sennheiser und Shure.
Auch In-Ear-Modelle sind reichlich vertreten; Vor allem von Astell & Kern. Verkaufspreis: 3499 Franken. Gut, wenn man die vorher probehören kann.
Es ist jetzt fünf Uhr, die Messe schliesst. Auf dem Weg nach draussen höre ich drei Männer über Musikproduktion reden. Ich probiere, unbemerkt zuzuhören, falle aber auf und komme mit den Herren ins Gespräch. Einer der Herren ist als Besucher an der Messe, die anderen beiden sind Aussteller. Der Besucher ist Besitzers eines Tonstudios. Am Schluss des Gesprächs lädt er mich für eine Reportage in sein Tonstudio nach Luzern ein.
Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.