Produkttest

Ein teurer Briefbeschwerer: Ockel Sirius A Pro

Martin Jud
9.7.2019

Der Ockel Sirius A Pro ist ein auffälliger Mikrocomputer. Noch selten habe ich so viele «Wow, was ist denn das?» gehört. Doch ist das Staunen meiner Mitmenschen berechtigt? Leider nein, denn Ockel macht Versprechen, die nicht gehalten werden.

Ich bin neugierig und will wissen, was die Ockels können. Wer ist die Zielgruppe dieser Produkte? Zunächst teste ich das Modell mit Touchscreen, den Ockel Sirius A Pro.

Die technischen Daten:

Rein von den verbauten Komponenten her können die Ockel-Computer nicht leistungsfähig sein. Oder zumindest sagt mir mein Bauchgefühl, dass Windows 10 und ein Atom-Prozessor aus dem Jahr 2016 nicht wirklich eine runde Sache sind. Ich frage mich, wie es der Hersteller geschafft hat, damit genügend Crowdfunding-Unterstützer zu finden. Waren die alle vom Design geblendet?

In Zeiten, wo jeder ein Smartphone mit ähnlichen Display-Dimensionen auf sich trägt, ist es nicht einfach, den Use Case des Sirius A Pro zu erkennen. Insbesondere, da die Akkulaufzeit von Smartphones hardwarebedingt mehr hergibt, als es bei auf Windows basierenden Kleinstcomputern der Fall ist. Somit fällt das mobile Filmeschauen als Kaufgrund schon mal weg. Ich bin gespannt, ob ich andere Kaufgründe respektive Anwendungsfälle finde.

Geiles Design und viele Anschlüsse

Der Sirius A Pro spricht mich vom Design her sofort an. Sein Aluminium-Chassis ist dank den Furchen auf der Rückseite ein echter Hingucker. Diese sollen beim Kühlen des lüfterlosen Computers unterstützen. Von den Dimensionen her ist der Ockel 16 cm breit, 8.6 cm tief und in der Höhe abfallend. An der dünnsten Stelle ganz vorne misst er 8 mm, ganz hinten 2.1 cm. Er bringt 334 g auf die Waage.

Dank der Trapez-Form kannst du den Ockel auch aufstellen. Allerdings ist dies nur im Akkubetrieb möglich, da der Stromanschluss dabei verdeckt wird.

Was die Anschlüsse angeht hat Ockel nicht gespart. Auf der Rückseite findest du DisplayPort, HDMI, zweimal USB-A-3.0, Ethernet, USB-C-3.0 sowie einen Netzanschluss. Am TV soll es gemäss Ockel möglich sein, via HDMI auch Filme bis UHD-Auflösung mit 30 Hz in SDR-Qualität zu geniessen. Das schaue ich mir später genauer an.

Rechts sind ein 3.5-mm-Klinkenanschluss und Tasten für Power und Lautstärke. Auf der linken Seite findest du ausserdem einen Fingerprint Scanner und einen Micro SDXC Slot.

Array-Microphone und Stereo-Lautsprecher sind ins Design an der Unterseite integriert.

Top Touchscreen mit 1080p-Auflösung

Leider schaffe ich es nicht, mit dem x-rite i1Display Pro das Display zu vermessen, da die entsprechende Software auf dem kleinen Panel spinnt und mir das Anklicken diverser Optionen verweigert. Ich schätze eine Helligkeit von rund 250 cd/m². Die Farben werden knackig dargestellt.

Schlechte Stereo-Lautsprecher

Schwache Akkuleistung

Der verbaute Akku mit 3500 mAh reicht für nichts. Um es kurz zu machen:

  • Beim Youtube-Dauerstreaming mit mittlerer Bildschirmhelligkeit liegt der Akku nach 2 Stunden und 22 Minuten ab.
  • Im Office kann ich 2 Stunden und 53 Minuten damit arbeiten.
  • Beim Stresstest, der sämtliche Hardware an seine Grenzen bringt, hält der Akku genau 1 Stunde und 30 Minuten.

Tja, somit ist der Ockel nicht wirklich ohne Stromkabel zu gebrauchen.

CPU und Grafikprozessor

Das 64-Bit Quad-Core-SOC Intel Atom x7-Z8750 wurde im ersten Quartal 2016 eingeführt. Normalerweise wird es in preiswerten mobilen Geräten verbaut. Es basiert auf der Airmont-Mikroarchitektur und wird im 14-nm-Prozess gefertigt. Der Basistakt beträgt 1.6 GHz, die Burst-Frequenz beträgt 2.56 GHz. Bei der Leistungsaufnahme werden bei typischer Verwendung (SDP) 2 Watt angegeben.

Auf dem Chip steckt auch Intels HD Graphics 405, welche mit 400 MHz läuft und eine maximale dynamische Frequenz von 600 MHz aufweist.

Unterirdische Performance

Um dir klar zu machen, dass die Performance dieses Geräts mehr als nur schlecht ist, muss ich keinen Benchmark laufen lassen. Selbst mein altes Lenovo-X220-Notebook aus dem Jahr 2012 fühlt sich beim Arbeiten wie ein Ferrari an, wenn ich zuvor mit dem Ockel unterwegs war. Multitasking ist mit diesem Gerät eine schlechte Idee. Und ganz allgemein sollte man denjenigen Ohrfeigen, der die Innereien dieses Produkts zu verantworten hat.

Hier die Benchmark-Resultate des Ockels. Weil sie so mies sind, belasse ich es, genauer darauf einzugehen. Möchte ich sie mit anderen Geräten vergleichen, finde ich keines, das in vorangegangenen Reviews ähnlich schlecht abgeschnitten hat.

Cinebench R15

Cinebench R20

Geekbench 4

Falls du dir die Geekbench-Resultate im Detail ansehen möchtest:

PCMark 10

Beim PCMark 10 kommt ein durchschnittlicher Office-PC aus dem Jahr 2016 auf 2675 Punkte. Der Ockel schneidet mit 728 Punkten ab. Das Resultat im Detail findest du hier.

Praxistests: Lügt Ockel bei der 4K-Unterstützung?

Wozu soll dieses Gerät schon wieder gut sein? Ach ja, bisher fehlt noch ein Use Case, der wirklich Sinn macht. Na gut, zumindest Office funktioniert. Wenn auch mit viel Geduld und Strom von der Steckdose.

Ockel als Medienplayer am TV

Oh Sirius, was bist du bloss für ein komisches Produkt? Da steht auf der Packung, dass du 4K respektive UHD mit 30 Hz unterstützt. Doch was geschieht, wenn ich dich am TV anschliesse und auf die UHD-Auflösung wechsle?

Ach ja: Mit 1080p-Auflösung kann das Gerät als Medienplayer genutzt werden. Immerhin. Doch ist das nicht mehr zeitgemäss. Und schon gar nicht zum Preis von 899 Franken (Stand 9. Juli 2019).

Zwei externe Bildschirme im Office

Das Ockelchen hat nicht nur einen HDMI-Anschluss, der wegen der zu schwachen Hardware nicht vollumfänglich genutzt werden kann. Er hat auch einen DisplayPort-Anschluss. Naheliegend, dass ich ihn daher im Büro auch gerne mit zwei Bildschirmen betreiben möchte.

Doch auch hier versagt der Ockel. Zwar kann ich zwei Displays anschliessen, doch gibt es keine Möglichkeit, die Anzeige auf beide Bildschirme zu erweitern. Es ist nur möglich, dasselbe Bild auf beiden Monitoren gleichzeitig darzustellen. Somit ist der Ockel für mich definitiv gestorben.

Fazit: Ein teurer Briefbeschwerer, der zuviel verspricht und hübsch aussieht

Ja, lieber Leser; dieses Review hat mir keinen Spass gemacht. Wenn du auch gerne einen roten Kopf bekommen willst oder gerne in die Tischkannte beisst, dann solltest du dir sofort einen Ockel Sirius A Pro kaufen. Doch er ist nicht mehr als ein wunderschön designter Briefbeschwerer.

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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