Roman Schläpfer
Hintergrund

E-Sports-Experte Remo Blaser über die Anfänge und Entwicklung der Schweizer «Counter-Strike»-Szene

«Counter-Strike» gehört seit jeher zu den beliebtesten kompetitiven Spielen weltweit. Auch in der Schweiz hat das Game eine aktive E-Sport-Community. Im Gespräch mit «Counter-Strike»-Experte Remo Blaser blicke ich auf die Anfänge und die Entwicklung der Szene zurück.

Ich habe mich mit Remo über die Geschichte, den aktuellen Stand und die Zukunft der Schweizer «Counter-Strike»-Szene ausgetauscht.

Dort habe ich drei bis vier Jahre aktiv gespielt. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich mich nicht mehr verbessere, dass ich meinen Zenit erreicht habe. Zudem konnte ich die benötigte Zeit nicht mehr aufwenden, um mitzuhalten – unter anderem aufgrund meines Studiums. Heutzutage spiele ich «Counter-Strike» immer noch mehrere Male pro Woche, halt einfach nicht mehr auf diesem extrem hohen, kompetitiven Level.

So richtig ernst wurde das Ganze mit dem Start der Hero League 2019. Das war das erste Mal, dass ich regelmässig für ein Turnier verpflichtet wurde. Zwei Mal zwei Monate im Jahr, in denen ich jeden Mittwoch vor der Kamera stehen durfte. Die Organisation und Produktion waren auf einem komplett anderen Level als alles bisher Dagewesene.

Ich habe aber die ESL-EPS-Meisterschaften im deutschsprachigen Raum mitverfolgt – da haben Spieler aus der Schweiz, Österreich und Deutschland mitgemacht. Gespielt wurde sowohl «Source» als auch «1.6». Das war eines der ersten Turniere, die ich live im Internet verfolgt habe.

LAN-Parties waren ein essenzieller Bestandteil der Szene, an denen man sich mit Gleichgesinnten ausgetauscht hat. Heutzutage passiert vieles über Social-Media-Kanäle, die es damals in dieser Form noch nicht gab. Zudem kann ich heute einfach «Counter-Strike 2» starten und mit dem Matchmaking Mitspieler und Kontrahenten finden – ohne persönlichen Austausch.

Schwierig war die Situation damals mit den zwei Lagern. Ich schätze, dass rund 60 Prozent «Counter-Strike 1.6» und 40 Prozent «Counter-Strike: Source» gespielt haben. Die beiden Szenen konnten nichts miteinander anfangen. Zum Glück war die dritte «Counter-Strike»-Variante, «Condition Zero», in der Schweizer Szene nie beliebt.

Die beiden ‹Counter-Strike›-Szenen konnten nichts miteinander anfangen.
Remo Blaser

Die Szene war aber nicht so sichtbar wie heute. Da trafen sich irgendwelche «Nerds» für ein Wochenende an einer LAN-Party und spielen nonstop «Killergames». Das wirkte auf Aussenstehende befremdlich – das müssen einsame, depressive Menschen sein. Mainstream-Medienberichterstattung über solche Events gab es entsprechend auch kaum – und wenn, dann war sie skeptisch bis negativ gefärbt.

Wie würdest du die Grösse der aktuellen Schweizer Szene im Vergleich zur Szene der Nullerjahre einschätzen?
Der harte Kern der Szene ist definitiv kleiner geworden. Eben: Früher musstest du ein aktiver Teil der Szene sein, um überhaupt gegen andere spielen zu können. Heute musst du das nicht mehr, Matchmaking sei Dank.

Ich denke auch, dass die Hardcore-Szene mit dem Release von «Counter-Strike 2» nochmal kleiner geworden ist. Viele Spieler nutzen diesen Umbruch als Gelegenheit, um eine Pause zu machen oder ganz aufzuhören. Schön ist aber auch, dass es viele Spieler aus «Source»- und «1.6»-Zeiten gibt, die sich immer noch in irgendeiner Form aktiv an der Szene beteiligen. Sie casten, gründen Teams oder sind organisatorisch bei Turnieren beteiligt. Das ist sehr cool.

Was man aber auch ganz klar sagen muss: Obwohl der Kern kleiner geworden ist, ist die Peripherie der Szene exponentiell gewachsen. Es gibt unzählige Casual-Spieler, die ab und zu spielen. Darum finde ich Turniere wie den Digitec Playground extrem wichtig. Die Grümpi-Turniere am Playground sind für alle da und nicht nur für den kleinen Hardcore-Kern. Das gibt der Szene mehr Visibilität.

Mit diesem Update ist «CS:GO» explodiert – auch in der Schweiz. Das Spiel hat es auch geschafft, die verfeindeten «Source»- und «1.6»-Lager zusammenzuführen. Danach ging es in der Schweiz so richtig ab in der Szene. Es wurden viele neue Teams gegründet und neue Turniere gestartet.

Ebenfalls wichtig waren die «Supreme Masters» – «CS:GO»-LAN-Parties mit einem Twist. Die Teilnehmenden mussten einen etwas höheren Betrag zahlen, um mitzumachen. Dafür wurde das eingenommene Geld in einen Topf geworfen, der dann an die Gewinner ausgeschüttet wurde. Das hat auch Pro-Teams aus ganz Europa angezogen, mit Spielern aus der internationalen Spitze.

Erwähnen muss ich auch die «Hero League». Die Liga hat die Schweizer Szene deutlich professionalisiert. Sicher auch, weil das entsprechende Budget vorhanden war. Dass ein so grosses Unternehmen wie die Swisscom in «Counter-Strike» eingestiegen ist, hat der Szene sehr geholfen.

Kleinere Turniere wie der Digitec Playground sind wichtig, damit die Szene wächst.
Remo Blaser

Wie schneidet «Counter-Strike» in Sachen Popularität im Vergleich zu anderen E-Sports-Titeln in der Schweiz ab?
Aktuell ist die Kern-Szene von «Counter-Strike» sicherlich die grösste aller E-Sports-Titel in der Schweiz. «League of Legends» ist mit den vielen Spielern, die ab und zu zocken, vielleicht insgesamt ein bisschen beliebter.

In der Schweiz ist auch «Super Smash Bros» ein Dauerbrenner. «Overwatch» und «Rainbow Six Siege» haben ebenfalls eine kurze Zeit in der Sonne genossen. Die Mobile-Gaming-Szene kann ich nicht einschätzen, die tummelt sich auf anderen Plattformen und sind für mich fast unsichtbar. Ich denke aber, dass beispielsweise «Brawl Stars» auch eine riesige Community in der Schweiz hat.

International gesehen ist «Valorant» trotzdem eine grosse Konkurrenz für «Counter-Strike». Und das ist gut so. Ich denke auch, dass «Counter-Strike 2» ohne «Valorant» nicht so schnell erschienen wäre.

Wie bewertest du den Launch von «Counter-Strike 2» – welche Auswirkungen wird das auf die Schweizer Szene haben?

Insgesamt ist das Erscheinen von «Counter-Strike 2» eine gute Sache. Obschon einige Spieler aufgrund von fehlenden Updates und einigen Bugs noch gefrustet sind, wurde das Spiel in einem viel besseren Zustand als «CS:GO» veröffentlicht. Einige Spieler finden Neuerungen wie das neue Rauchsystem nicht cool. Ich finde es aber gut, dass sich Valve etwas traut. In der E-Sports-Szene stösst man immer auf Widerstand, wenn man den Status Quo ändert.

Ich bin auch froh, dass «Counter-Strike 2» das alte «CS:GO» komplett ersetzt hat. Sonst hätten wir wieder diese Spaltung der Szene gehabt, wie damals mit «Source» und «1.6». Langfristig wird die Schweizer Szene mit «Counter-Strike 2» wachsen, da bin ich mir sicher.

Wie hoch ist das spielerische Niveau in der Schweiz und wie gut schneiden wir im internationalen Vergleich ab?
«mYinsanity», «Lausanne E-Sports» und «Team Solid», ehemals bekannt als «Sans Vergogne», gehören zu den drei Top-Teams der Schweiz. «mYinsanity» ist auf dem Papier am stärksten – gerade mit den Spielern aus Deutschland, die sie verpflichtet haben.

Schweizer Teams spielen international in der Conference League und nicht in der Champions League.
Remo Blaser

Was würdest du dir für die Schweizer «Counter-Strike»-Szene wünschen?
Wir brauchen wieder eine konstante Liga, die einen gewissen Rhythmus vorgibt. Einerseits für die Spieler, die dadurch regelmässig an Turnieren teilnehmen können, aber andererseits auch für das Publikum. Durch regelmässige Events können auch die Zuschauerinnen und Zuschauer mehr mitfiebern und Fans von Teams werden. Ohne konstante Liga ist das schwierig.


Am Samstag, 23. März, starten die ersten Qualifier für den Playground Cup Vol. 12. Gespielt wird «Counter-Strike 2» – das hat die Community in einem öffentlichen Voting deutlich entschieden.

Alle Infos zum Turnier und zur Anmeldung findest du in diesem Artikel:

Titelbild: Roman Schläpfer

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.


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