
Hintergrund
Wie sich Formfaktor und Layout auf die Tastatur auswirken
von Kevin Hofer
Die Iqunix F96 wäre die beste Fertigtastatur in unserem Sortiment, wenn da nicht ein grosser Makel wäre.
Die Iqunix F96 hat in unserem Shop Seltenheitswert. Sie ist komplett in Aluminium gekleidet. Die meisten Tastaturen im Shop sind mehrheitlich aus Kunststoff. Apropos Kunststoff: Die Tastatur verfügt über Keycaps aus dem qualitativ hochwertigen PBT-Kunststoff – und das im Schweizer Layout. Die meisten Fertigtastaturen kommen mit billigen Keycaps aus ABS-Kunststoff. Diese zwei Features alleine machen die Tastatur zum Geheimtipp. Leider trällert ihr Gewand einen Singsang, der mir beim Tippen auf die Nerven geht.
F96 könnte genauso gut der Name eines Sportwagens sein. Schnittig sieht die F96 jedenfalls aus. Das 96 im Namen steht für den Formfaktor der Tastatur. Es handelt sich nämlich um eine 96-Prozent-Tastatur. Sie ist etwa so gross wie eine Tenkeyless-Tastatur – eine Tastatur ohne Nummernblock -, hat aber nur vier Tasten weniger als eine Tastatur im Vollformat. Dafür sind die Tasten zusammengestaucht. Die F96 gibt es in drei Farben/Ausführungen: KAT, Knight oder Coral. Ich habe die KAT- und Coral-Ausführung zum Testen.
Auch bei den Switches gibt es die Wahl zwischen drei: Cherry MX Blue, Cherry MX Red oder Cherry MX Brown. Leider sind die Taster verlötet, wodurch der Tausch mit grossem Aufwand verbunden ist. Demnächst sollen weitere Ausführungen mit Switches des Herstellers TTC kommen. Meine beiden Test-Tastaturen haben Cherry MX Red verbaut.
Das Gehäuse der F96 besteht aus fünf Aluminiumteilen: Dem Unterteil und den vier Seitenteilen. Die Seitenteile werden über Einkerbungen am Unterteil eingehängt und miteinander in den Ecken verschraubt. Das Design mit sichtbaren Schrauben verleiht der Tastatur einen industriellen Touch. Es handelt sich beim Keyboard um ein sogenanntes Tray-Mount. Dabei werden Platine und Deckplatte, worauf sich die Taster befinden, mit dem Boden verschraubt. Die meisten Fertigtastaturen basieren auf dieser Art der Befestigung. Das sorgt eher für ein hartes Tippgefühl.
Fix montiert sind zwei Füsse, die der Tastatur einen Tippwinkel von 6 Grad verpassen. Dieser lässt sich nicht anpassen – ausser du schraubst die Tastatur auseinander und entfernst die Füsse.
Alles in allem ist die Tastatur sehr gut verarbeitet. Auch nach mehreren Malen auf- und wieder zuschrauben hat das Gehäuse keine Kratzer oder sonstige Abnutzungserscheinungen.
Bei den Keycaps setzt Iqunix auf PBT-Kunststoff. Die Aufdrucke werden im Sublimationsdruckverfahren erstellt. Dabei wird der Farbstoff in die Keycaps eingedampft. Dadurch sollen die Aufdrucke langlebig sein. Bei den Knight- und Coral-Versionen setzt Iqunix auf das OEM-Profil. Bei der KAT-Version auf das KAT-Profil. Bei KAT sind die Tastenkappen etwas höher und für besseren Grip geformt. Ich mag beide Profile und die Tastenkappen sind für eine Fertigtastatur sehr gut. Die Beschriftungen sind nicht durchsichtig, wodurch sie nicht von den RGB-LEDs ausgeleuchtet werden.
Die verbauten Cherry MX Red sind linear, lösen bei 2 Millimetern aus und erfordern dazu 45 Gramm Kraft. Der gesamte Tastenweg beträgt 4 Millimeter. Es handelt sich um die RGB-Version des Switches mit transparentem Gehäuse. Die Switches sind mir insgesamt zu kratzig beim Herunterdrücken. Das spüre und höre ich. Die Feder, die den Taster nach Betätigung wieder in die Ausgangsposition drückt, macht ein nerviges Ping-Geräusch – der sogenannte Spring-Ping. Dieser Ton wird durch die Akustik des Gehäuses noch verstärkt. Kleiner Tipp: Falls dich die Tastatur interessiert und du lineare Schalter magst: Warte auf die Version mit Switches von TTC. Die Gold Pink Switches gehören zu den besten Out-of-the-Box-Tastern, die ich je probiert habe.
Noch selten habe ich ein Tastatur-Gehäuse erlebt, das derart «singt», wie das Iqunix F96. Mit «singen» meine ich den Hall, der das Gehäuse erzeugt. Das Aluminium schwingt mit, wenn ich tippe und erzeugt dadurch ein helles Ping-Geräusch. Dabei spendiert Iqunix der F96 zwei Dämmungsschaum-Platten. Eine zwischen der Deckplatte und der Platine sowie eine zwischen dem Platine und dem Unterteil des Gehäuses. So hat es praktisch keinen Spielraum mehr im Gehäuse und der Hall sollte eigentlich kein grosses Thema sein.
Das Problem, das mir beim Aufschrauben der Tastatur auffällt: Der Unterteil besteht aus zwei Millimeter dünnem Aluminium. So dünnes Alu neigt dazu, Schall leicht aufzunehmen und wieder abzugeben – also zu vibrieren.
Mich stört das «Gesinge» des Gehäuses. Das ruiniert die sonst eigentlich erstklassige Verarbeitung der Tastatur. Ich habe noch nie zuvor derart gut klingende lange Tasten wie Leertaste, Backspace oder Enter gehört. Iqunix schmiert nämlich die Stabilisatoren. Das sind jene mechanischen Teile, die die langen Tasten beim Runterdrücken stabilisieren. Üblicherweise klappern diese, aber bei der F96 hören sich die langen Tasten beim Tätigen verdammt gut an. Leider handelt es sich um sogenannte Costar-Stabilisatoren. Bei denen ist es schwieriger als bei den Cherry-Stabilisatoren die Keycaps zu tauschen. Hier ein Tipptest.
Hast du das Ping-Geräusch beim Tipptest wahrgenommen? Mich stört der Singsang beim Tippen. Schade, weil sonst wäre die Tastatur geil. Für mich ist das jedoch ein K.-o.-Kriterium. Aber es soll ja Leute geben, denen sowas gefällt.
Verbunden wird die F96 entweder per USB oder Bluetooth 4.0. Falls dein Computer nicht über Bluetooth verfügt, liefert Iqunix gleich einen entsprechenden Dongle mit. Ebenfalls im Lieferumfang ist ein USB-C auf USB-A-Kabel zur kabelgebundenen Verbindung enthalten. Auf der Unterseite der Tastatur lässt sich die Verbindung umschalten. Die verbaute 4000 mAh Batterie hält bei deaktiviertem RGB bis zu vier Wochen bei täglich acht Stunden Gebrauch durch. Die F96 kann per Bluetooth nahtlos zwischen bis zu drei Geräten gleichzeitig wechseln. Die Bluetooth-Verbindung war bei meinem Test stabil und beim Tippen habe ich kaum eine Eingabeverzögerung bemerkt. Zum Gamen würde ich die Tastatur aber per Kabel verbinden.
Die drahtlose Verbindung stellst du mithilfe von Tastenkombinationen her. Das funktioniert einwandfrei – auch mit einem Mac. Weitere Tastenkombination sind ebenfalls programmiert. So erhältst du Zugang zu Medientasten, indem du die Fn-Taste in Verbindung mit den F-Tasten drückst.
Die F96 verfügt über pro Taster RGB-Beleuchtung. Da die Beschriftungen der Keycaps nicht transparent sind, scheint das RGB nicht durch. Es ist somit eher eine konfigurierbare Hintergrundbeleuchtung. Die Beleuchtung lässt sich entweder über Tastenkombinationen einstellen oder mithilfe einer Software. Letztere ist nur schwer auffindbar. Ich habe sie zu Testbeginn von der Iqunix Homepage runtergeladen, ein paar Tage später war sie nicht mehr auffindbar. Die Software bietet nicht viele Einstellungsmöglichkeiten, aber es lassen sich dennoch alle Tasten neu belegen und Makros erstellen.
Mit der F96 liefert Iqunix die beinahe perfekte Fertigtastatur ab. Der 96-Prozent-Formfaktor, der dennoch (beinahe) alle Tasten einer Vollformat-Tastatur beibehält, ist vor allem fürs Büro geeignet. Die Verarbeitung ist top, es gibt sie in verschiedenen Ausführungen und mit unterschiedlichen Switches. Einzig der Klang der Tastatur ist für mich ein Killerkriterium. Die F96 veranstaltet beim Tippen einen unsäglichen Singsang, der mir auf den Wecker geht.
Weitere Kritikpunkte sind, dass sich die Taster nicht einfach per Hotswap wechseln lassen und das relativ harte Tippgefühl. Und dann ist da noch der Preis. Je nach Version kostet die Tastatur 200 bis knapp 230 Franken. Im Vergleich zu einer Keychron K4, die ebenfalls im 96-Prozent-Formfaktor kommt, ist das viel Geld. Und bei der K4 kannst du die Switches dank Hotswap leicht tauschen. Dafür bekommst du mit der F96 ein komplettes Aluminium-Gehäuse. Falls dich der Singsang und der hohe Preis nicht abschrecken, dann kann ich dir die F96 empfehlen.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.