
Die Gott-Maschine: Android-Inkarnation ersetzt buddhistischen Mönch

Endlich erreicht die Industrialisierung auch den Buddhismus. Anfang dieses Monats wurde erstmals ein predigender Mönch durch einen Roboter ersetzt. Es handelt sich dabei allerdings nicht um einen Roboter-Mönch, sondern um eine waschechte Android-Gottheit.
Ursache und Wirkung haben mal wieder zugeschlagen, denn ums Karma des buddhistischen Kodai-ji-Tempels in Kyoto steht es nicht wirklich gut. Die jüngere Generation Japaner meiden, wie auch in Europa, immer mehr die Religionen und Sekten des Landes. Doch im Gegensatz zu den hier heimischen monotheistischen Gläubigen, gehen die japanischen Buddhisten mit der Zeit und haben einen Plan, wie die Jugend wieder für philosophische Lehren begeistert werden kann. Eine Roboter-Gottheit soll es richten.
Buddhismus im Akkubetrieb
Bis vor kurzem hörten die Besucher des Tempels einem älteren Mönch beim Predigen zu. Doch damit ist erst mal Schluss. Nicht zur Begeisterung aller Tempel-Besucher. Gerade Gläubige der älteren Generation tun sich teilweise schwer damit, dass sie nun die Stimme einer jungen Frau aus dem Lautsprecher-Munde einer Gottheit vernehmen. Etwas unbehaglich fühle sich dies an.
Doch das Mindar getaufte Überwesen, welches eine Inkarnation der androgynen Gottheit Kannon, der Gottheit der Barmherzigkeit, darstellt, ist in erster Linie wohl sowieso eher eine Marketingattraktion, welche nebst Jugendlichen auch Touristen anlocken soll. Interessant ist aber, dass die Gottheit an sich im Buddhismus die Fähigkeit hat, beliebige Formen anzunehmen. Der Tempel betont daher, dass sich die Gottheit dieses Mal in einen Androiden verwandelt hat.
Die Gottheit Kannon ist die bekannteste Bodhisattva-Figur im Mahayasna-Buddhismus. Sie ist eine geschlechtsneutrale Mittlergestalt, vergleichbar mit einem christlichen Heiligen. Ihre Aufgabe ist es, sämtlichen fühlenden Wesen zur Erleuchtung zu verhelfen. Dazu kann sie beliebige äusserliche Formen annehmen.
Entstanden ist die Gottheit in Zusammenarbeit zwischen Tempel und der Universität von Osaka, an welcher der Professor für intelligente Robotik, Hiroshi Ishiguro, die Leitung des Projekts übernahm. Kostenpunkt für den Tempel: 100 Millionen Yen (rund 900 000 Schweizer Franken).
Mindar ist 195 Zentimeter gross und wiegt 60 Kilogramm. Beine hat die Gottheit keine und steht daher auf einem Sockel aus Aluminium und Silizium. Bei der Entwicklung wurde darauf geachtet, den Androiden passend zur gewählten Gottheit möglichst geschlechtsneutral zu halten. Ausserdem wurde versucht, ihn in Sachen Kommunikation natürlich wirken zu lassen. Dazu kann der Roboter seine Augen, Hände und Oberkörper frei bewegen. Er beherrscht menschenähnliche Gesten und faltet bei Bedarf auch die Hände. Um den Eindruck von Augenkontakt zu vermitteln, hat Mindar ausserdem eine Kamera im linken Auge eingebaut, mit welcher er dich bei einem Besuch fokussiert.
Bei der Umsetzung wurde auch darauf geachtet, den Gläubigen genügend Raum für ihre eigene Fantasie zu lassen. Daher wurden schlichte Gesichtszüge definiert und das gesamte Erscheinungsbild absichtlich auf ein Minimum reduziert. Der Besucher kann sich die Gottheit somit in Gedanken selbst ausschmücken, respektive seine Quasi-Nacktheit mit genügend Rendermaterial aus dem Gehirn überdecken. Fraglich ist, ob der offene Kopf mit sichtbaren Aluminiumdrähten nicht doch stört, sollte ein Gläubiger mit minderer Fantasie daherkommen.
Werden Mönche nun arbeitslos?

Offiziell wurde der Übermensch entwickelt, um die buddhistischen Lehren auf leicht verständliche Weise zu predigen. Es sollen Menschen mit Problemen angesprochen werden, die Seelenfrieden suchen. Die momentane Predigt von Mindar dauert 25 Minuten und basiert auf dem philosophisch-religiösen Text des Herz-Sutras, dessen Bedeutung selbst von Mönchen nicht wirklich verstanden wird. Die Rezitierung des Sutras ist daher auch mehr Poesie denn Wissensvermittlung und steht etwas im Widerspruch zum gesetzten Ziel des leicht Verständlichen. Dennoch gehört es zu den wichtigsten Religionstexten.
Die aktuelle Predigt wird durch eine Lichtshow und auf Leinwand projizierte Übersetzungen auf Chinesisch und Englisch unterstützt. Sie ist erst ein Probelauf, der bis im Mai dauert. Ob Mindar danach den armen menschlichen Prediger definitiv ersetzt, ist noch nicht bekannt. Ich vermute aber, dass er dazu erst in Sachen künstlicher Intelligenz verbessert werden müsste, denn momentan antwortet die Gottheit nur auf vordefinierte Fragen. Es dauert wohl noch einige Zeit, ehe Mönche im grossen Stil durch Android-Gottheiten ersetzt werden.


Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.