Meinung

Die Dystopie des Mark Zuckerberg

Oliver Herren
27.8.2025

Ich halte Mark Zuckerberg als CEO von Meta für eine der gefährlichsten Figuren im Tech-Bereich. Weil er mit enormem Einfluss eine Plattform aufbaut, die unsere Gesellschaft schleichend zum Schlechten verändert. Und kaum jemand hält ihn auf.

Wir bei Galaxus schalten Werbung auf Facebook und Instagram - schlicht, weil unsere Kundschaft dort aktiv ist. Wirtschaftlich führt oft kein Weg daran vorbei. Doch ehrlich gesagt würden wir es lieber nicht tun.

Denn Meta ist längst nicht mehr nur ein Social-Media-Konzern, sondern ein System, das Menschen abhängig macht und zunehmend versucht, echte Beziehungen durch künstliche zu ersetzen.

Mark Zuckerbergs Plan: KI statt echte Menschen

In einem Podcast erklärte Zuckerberg, er sehe eine Zukunft, in der «Freundschaft» auch bedeuten könne, dass wir uns mit KI-Chatbots austauschen – ob als Therapeuten, Gesprächspartner oder Vertraute.

Ich denke, dass jeder Mensch, der keinen Therapeuten hat, stattdessen eine KI haben wird.
Mark Zuckerberg

Doch diese künstlichen «Freunde» gehören dir nicht. Sie stehen dir nur so lange zur Verfügung, wie du das Abo bezahlst. Und je stärker deine emotionale Bindung an ein solches System, desto leichter lassen sich die Preise erhöhen – ein Geschäftsmodell, das auf Abhängigkeit setzt.

«Freundschaft», so seine Vision, könne auch bedeuten, dass du einem Algorithmus dein Herz ausschüttest. Dass ein Chatbot dein Therapeut wird. Dass deine emotionalen Bindungen von einem Produkt simuliert – und vermarktet – werden.

Und was noch wichtiger ist: Diese digitalen Begleiter können in schwierigen Zeiten nichts Reales leisten. Du kannst nicht bei ihnen übernachten, wenn du Trost oder Nähe brauchst. Sie reichen dir nicht die Hand, sie hören dir zu, aber sie bleiben eine Simulation – ohne echte Hilfe oder Fürsorge.

Das ist keine Science-Fiction mehr. Das ist Produktstrategie. Und wenn wir nicht aufpassen, wird es Alltag.

Ein Vorgeschmack auf allumfassendes Tracking ist die Ray-Ban-Meta-Brille, die seit ihrem KI-Update das meistverkaufte Modell von EssilorLuxottica ist – vor Marken wie Oakley oder Prada. Mit solchen Produkten macht Meta klar, wohin die Reise geht: hin zu ständiger Interaktion mit KI. Und auch OpenAI hat ebenfalls ein Produkt angekündigt, das vielleicht wie in der Black Mirror Folge «The Entire History of You» dein ganzes Leben aufzeichnet.

Die Ray-Ban-Brille mit Meta-Technologie in einem Einkaufszentrum in Italien. Wer eine solche Brille trägt, liefert dauernd neue Daten.
Die Ray-Ban-Brille mit Meta-Technologie in einem Einkaufszentrum in Italien. Wer eine solche Brille trägt, liefert dauernd neue Daten.
Quelle: Shutterstock

Was bedeutet das für unsere Gesellschaft?

Wenn Menschen anfangen, ihre Zeit mit KI-Bots zu verbringen statt mit anderen Menschen, verändert das mehr als nur unsere Kommunikation. Es verändert unser Selbstbild, unsere Beziehungen und das gesamte Miteinander. Eine KI widerspricht dir nicht. Sie fordert dich nicht heraus. Sie tut das, was du willst. Doch gerade das macht echte Beziehungen aus: dass sie nicht perfekt sind.

Wer sich dauerhaft mit KI unterhält, verlernt, mit echten Menschen umzugehen. Geduld, Empathie, Kompromissfähigkeit – all das verkümmert. Zurück bleibt eine neue Form der Einsamkeit: simuliert, bequem, aber zutiefst leer. Und dies führt erwiesenermassen zu mehr Depressionen.

Besonders junge Menschen sind gefährdet. Denn in Entwicklungsphasen sind reale, manchmal schwierige Beziehungen entscheidend für emotionale Reife.

Und was passiert mit deinen Daten?

Mit jedem Satz an einen KI-Bot gibst du intime Informationen preis – und du wirst dabei analysiert. Meta weiss, wann du traurig bist, was dir Angst macht, was dich verletzt. Und das ist kein Zufall – es ist das Geschäftsmodell.

Diese Daten fliessen in hyperpersonalisiertes Marketing: noch gezielter, noch manipulativer, noch schwerer zu erkennen. Du wirst nicht beraten – du wirst manipuliert. Und zwar genau im Moment deiner emotionalen Schwäche.

Tech-Milliardäre halten ihre Kinder vom Bildschirm fern

Ein interessanter Widerspruch fällt auf, wenn man genauer hinschaut: Die Menschen, die diese Technologien entwickeln, halten ihre eigenen Kinder bewusst davon fern. Beispielsweise bei der Bildschirmzeit ihrer Kinder.

Dass das kein Zufall ist, sollte jedem klar sein. Diese Menschen kennen die psychologische Wirkung und Konsequenzen ihrer Produkte. Sie wissen, wie stark die Plattformen auf Dopamin, soziale Bestätigung, endloses Scrollen und emotionale Manipulation setzen.

Sie wissen auch: Wer früh damit anfängt, lernt nicht, sich zu regulieren – sondern, sich abhängig zu machen. Und sie handeln. Für ihre Kinder. Für ihre Familien. Vielleicht sollten wir das auch tun.

Was wäre, wenn wir dieselben Massstäbe anlegen würden?

Wenn selbst die Entwickler ihren Produkte misstrauen, ist es vielleicht Zeit, dass auch wir umdenken. Ich persönlich nutze Social Media nur beruflich – LinkedIn für Austausch und Kommunikation. Privat interessieren mich die Tools nicht direkt, sondern nur als Kulturphänomen und damit auf einer soziologischen Ebene.

Galaxus schaltet nach wie vor Werbung auf Meta – aber wir hinterfragen das ständig. Und wir würden es gerne weniger tun. Nur: Solange Nutzer dort sind, funktioniert es wirtschaftlich und ist damit unverzichtbar.

Ja, bei Instagram findest du auch Inhalte und Werbung von Galaxus – eine wirtschaftliche Notwendigkeit.
Ja, bei Instagram findest du auch Inhalte und Werbung von Galaxus – eine wirtschaftliche Notwendigkeit.
Quelle: Martin Jungfer

Was du tun kannst

Du kannst dich entscheiden, weniger Zeit auf diesen Plattformen zu verbringen. Du kannst kritisch hinterfragen, wem du deine Aufmerksamkeit schenkst.

Jede Entscheidung gegen diese Plattformen ist eine Entscheidung für:

  • Mehr Zeit für dich, deine Familie, deine Interessen.
  • Mehr Ruhe – weniger Vergleiche, weniger FOMO, weniger Ablenkung.
  • Mehr Fokus auf das, was dich wirklich weiterbringt.
  • Mehr Kontrolle über deine Daten und deine Aufmerksamkeit.

Du entziehst damit einem Konzern wie Meta deine Aufmerksamkeit – und damit die Grundlage für sein Geschäftsmodell. Und ohne Werbung kein Wachstum.

Und investiere doch Geld in qualitativ gute und lokale Medien, bei welchen Journalisten mit einem Berufsethos arbeiten und nicht nur käufliche Influencer und andere Eitelkeiten. Ohne qualitativ gute Informationen kannst du keine mündigen Entscheidungen mehr treffen.

Fazit

Zuckerberg wird seinen Kurs nicht ändern. Warum sollte er? Er baut das Produkt, das für Meta am profitabelsten ist – und rechtlich darf er das. Die Verantwortung liegt bei uns – als Nutzer, als Gesellschaft.

Wenn wir nicht wollen, dass intransparente Algorithmen unsere Werte definieren, müssen wir bewusst entscheiden, wie wir damit umgehen wollen, in welcher digitalen Welt wir leben wollen. Und wir müssen digitale Räume politisch und rechtlich regulieren, so wie jede andere Industrie mit gesellschaftlicher Sprengkraft.

70 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Cool: Schnittstellen zwischen der realen Welt und der Welt der reinen Informationen aufbauen. Uncool: Mit dem Auto ins Einkaufszentrum fahren, um einzukaufen. Mein Leben ist «online», und das Informationszeitalter ist meine Heimat.


Tech
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Gesundheit
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Politik
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Meinung

    «The Alters» & Co.: warum Gamer zurecht gegen den Einsatz von KI protestieren

    von Debora Pape

  • Meinung

    Die grosse Chance von KI: «Richtige» Arbeit wird wieder wertvoller und Bullshit-Jobs verschwinden

    von Oliver Herren

  • Meinung

    Die KI-Blase

    von Samuel Buchmann

46 Kommentare

Avatar
later