Meinung

Die CD wird nie cool werden – sie ist zu gut für Hipster

David Lee
1.2.2022

Schallplatten, Musikkassetten und Bandmaschinen geniessen viel Retro-Charme. Die CD nicht. Warum eigentlich? Einige Gründe sprechen nicht gegen, sondern für die CD.

Das Phänomen existiert auch bei alten Computern, bei Autos oder in der Mode, wo ein 90er-Revival in den Nullerjahren noch undenkbar gewesen wäre.

Gemäss der Logik dieses Zyklus’ müssten in Zukunft auch CDs total cool werden. Es gibt aber einiges, was dagegen spricht.

CDs sind zu gewöhnlich

Sammler:innen machen am liebsten Jagd auf die seltenen Stücke. Auf die so erbeuteten Trophäen sind sie besonders stolz. Da haben CDs schlechte Karten, denn sie sind alles andere als selten. Diesbezüglich sind sie das Opfer ihres eigenen Erfolgs. Die Verkaufszahlen der CD in den letzten 40 Jahren stellen alle anderen Musik-Konsumformen weit in den Schatten.

CDs sind zu einfach

CDs sind nicht sinnlich

Die CD war schon früher nie cool

Ein Plädoyer für CDs

Die Chancen für die CD, zum nächsten Kultobjekt zu werden, stehen also schlecht. Doch alles, was gegen die CD als Trend spricht, spricht für die CD als Gebrauchsgegenstand. Das Angebot ist riesig, die Handhabung simpel. CDs liefern zuverlässig und günstig einen guten Klang. Du bekommst ein wenig Retro-Feeling, aber ohne den Aufwand, der normalerweise mit Retro-Tonträgern verbunden ist.

Der wichtigste Grund, wieder CDs zu hören, ist jedoch nicht Nostalgie, sondern die Wertschätzung eines Albums. Du hörst nicht zufällig zusammengewürfelte Musik, sondern zueinander passende und zusammengehörende Stücke, bei deren Reihenfolge sich jemand viel überlegt hat.

CDs werten das Konzept des Albums auf. Bei Schallplatten ist die Albumlänge auf etwa 45 Minuten begrenzt, ein CD-Album kann bis zu 74 Minuten lang sein. Zudem lässt es sich ohne Halbzeitunterbrechung abspielen. Es erstaunt mich nicht, dass sehr viel mehr Alben auf CD verkauft wurden als auf Schallplatte – und immer noch werden.

Natürlich kann ich auch mit Streaming-Diensten oder Downloads ganze Alben hören. Meist tue ich es aber nicht, und selbst wenn, ist es nicht dasselbe. Nur schon die Tatsache, dass keine andere Musik verfügbar ist, solange keine neue CD eingelegt wird, macht einen Unterschied. Mit dem Einlegen einer Scheibe lege ich mich darauf fest, mich voll und ganz diesem Album zu widmen.

CDs erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass du Alben mehrmals hörst. Du entdeckst neue, versteckte Details und freust dich darüber. Vielleicht merkst du, dass die unauffälligen Stücke eines Albums die besten sind. Du entdeckst Musik.

Darum geht es bei der CD. Nicht um Hipster-Coolness. Nicht um Tonträger- und Maschinenfetischismus. Nicht um Audio-Snobismus. Aber auch nicht um die irre Vorstellung, alles kennen und haben zu müssen. Es geht einzig und allein ums Musikhören.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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