
Hintergrund
Kennst du noch? «Day of the Tentacle»
von Florian Bodoky
Tentakel in Videospielen bedeuten meist abgefahrener Horror oder absurder Humor. Die folgenden Spiele bieten mindestens eines davon.
Spätestens seit den Lektüren der Werke des Horror-Autors H. P. Lovecraft bekomme ich nicht genug von Tentakel-Monstern. Zum Glück gibt es einige Videospiele, die diese Vorliebe stillen – selbst ohne Sex- oder Gruselgenre.
Ich habe neun Spiele mit Tentakeln ausgesucht, die ich dir näher vorstellen möchte. Der Tentakel-Faktor (🐙 bis 🐙🐙🐙🐙🐙) zeigt, wie stark die tentakeligen Inhalte im Spiel vertreten sind.
Während meiner erstmaligen Suche nach Games, die H. P. Lovecrafts Horror besonders gut einfangen, staunte ich nicht schlecht über die Empfehlung von «Bloodborne». Die Trailer lassen eher auf gotische Städte voller Monster wie Werwölfe schliessen. Nach dem Durchzocken muss ich zugeben: Ich habe mich getäuscht. «Bloodborne» fängt den Horror von H. P. Lovecraft sogar am besten von allen ein – inklusive tentakeliger Monster wie die Amygdalas.
Was als Souls-Spiel mit düsterer Atmosphäre und Werwölfen beginnt, wandelt sich nach dem Sieg über den Boss Rom, die geistlose Spinne, in ein lovecraft’sches Spektakel. Nach Roms Ableben fällt der Schleier, den sie bisher zum Schutz meiner Psyche über der Welt aufrechterhalten hat. An allen Gebäuden werden riesige, tentakelige Amygdalas sichtbar, die mich teils angreifen, teils aber auch einfach ignorieren, wie der unscheinbare Winzling, der ich bin.
Mein Highlight: Wenn ich im Verlauf des Spiels die richtigen Voraussetzungen erfülle, verwandle ich mich selbst in eine Art Tentakel-Schnecke.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙
Plattformen: PS4
Dass Tentakel nicht immer etwas mit Horror oder Pornos zu tun haben müssen, bewies «Octodad: Dadliest Catch» bereits vor über zehn Jahren. Das Spiel ist genauso skurril wie seine Prämisse: Ich steuere einen Oktopus, der vorgibt, ein menschlicher Familienvater zu sein. Dabei ist mir der Koch Fujimoto auf der Spur, der mich zu Sushi verarbeiten möchte. Es gilt, möglichst unauffällig einen Menschen zu spielen, damit meine geheime Identität als Oktopus nicht auffliegt.
Diese Tarnung stellt sich als die grösste Herausforderung heraus. Ich muss Aufgaben nachgehen, die für Menschen alltäglich sind: Cornflakes für die Kinder besorgen oder an Spielautomaten Geschenke für sie gewinnen. Die Steuerung wird zum Hindernis. Ich muss meine Tentakel einzeln steuern. Also vier Gliedmassen, die es zu beherrschen gilt. Durch die chaotische Natur des Spiels und der Steuerung ist das gar nicht mal so einfach. Vor allem, weil ich dabei wegen des besagten bösen Kochs nicht zu viel Aufsehen erregen darf.
Noch wilder wird es im Multiplayer, wenn bis zu drei zusätzliche Spielerinnen und Spieler die Kontrolle über die einzelnen Tentakel übernehmen. Das Tentakel-Chaos ist vorprogrammiert.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙🐙🐙
Plattformen: PC, Switch, PS4, PS5, PS Vita, Wii U, Xbox One, Xbox Series X/S, Mobile (iOS und Android)
In «Day of the Tentacle» trinkt ein mutierter, purpurner Tentakel das Abwasser eines Labors und wird dadurch besonders intelligent, aber auch machthungrig. Purpur-Tentakels Ziel ist es, die Menschheit zu unterjochen. Sein ehemaliger Freund, Grün-Tentakel, bittet die Heldinnen und Helden des Vorgänger-Spiels «Maniac Mansion» daraufhin um Hilfe. Sie sollen dem Nachwuchs-Schurken das Handwerk legen. Nur läuft nicht alles nach Plan und die Protagonisten landen in unterschiedlichen Zeitepochen.
Im Point-and-Click-Adventure von Lucas Arts steuere ich drei Charaktere in der Gegenwart, den USA zur Zeit der Verfassungsgebung und einer Zukunft, in der Tentakel über die Welt regieren. Das Spiel begeistert zahlreiche Genre-Fans und hat 2016 eine Remastered-Version bekommen, die die Steuerung und Grafik an moderne Standards anpasst.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙
Plattformen Remaster: PC, PS4, PS5, PS Vita, Xbox One, Xbox Series X/S, iPad (iOS)
Wenn Lovecraft-Monster mit einer japanischen Dating-Simulation kombiniert werden, lautet das Ergebnis «Sucker for Love: First Date». In dieser Visual Novel schlüpfe ich in die Rolle von Darling, eines Ritual-besessenen Protagonisten, der zufällig über ein pinkes Necronomicon stolpert. Dabei handelt es sich um ein mächtiges, in Lovecrafts Lore etabliertes Zauberbuch, das Zaubersprüche oder den verfrühten Tod seiner Leserinnen bereithält.
Die Besitzerin des eigenartigen Necronomicons ist Ln’eta, eine Monster-Dame, die Cthulhu nachempfunden ist. Der König in Gelb und der ominöse Nyarlathotep sind in Form von date-baren Damen ebenfalls vertreten. Das Ziel innerhalb der knapp vierstündigen Spieldauer ist es, einen Kuss meines Traummonsters zu erhaschen.
«Sucker for Love: First Date» ist keine ernsthafte Dating-Simulation. Stattdessen nimmt sich Entwickler Akabaka nicht allzu ernst und spielt mit bekannten Genrekonventionen. So verliere ich beim Versuch, meiner Liebsten näherzukommen, beispielsweise mein Gesicht oder sterbe vor Grauen, weil ich aus dem Fenster geschaut und dabei gesehen habe, dass die Welt untergeht.
Das Gameplay tritt zugunsten der unterhaltsamen Dialoge jedoch in den Hintergrund. Denn mehr als Lesen und die eine oder andere simplifizierte Ausführung eines Rituals steht nicht auf dem Programm.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙🐙🐙
Plattformen: PC, Switch
Wo es Tentakel gibt, sind Lovecraft-Adaptionen nicht weit. «The Sinking City» ist eines von zahlreichen Spielen, die direkt die visuellen und erzählerischen Elemente des verstorbenen Autors übernehmen.
«The Sinking City» stammt vom Studio Frogwares, das primär für seine Sherlock-Holmes-Adaptionen bekannt ist. In diesem Spiel schlüpfe ich in die Rolle eines Privatdetektivs. Ich soll herausfinden, was in der halb überfluteten Stadt Oakmont vor sich geht. Die Bewohnerinnen und Bewohner scheinen von unbekannten Kräften besessen zu sein und überall treiben sich Monster herum. Beim Lösen des mysteriösen Falles hilft es auch nicht, dass meine Spielfigur ständig von Visionen heimgesucht wird und das Layout der Stadt sich immer wieder verändert.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙
Plattformen: PC, Switch, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S
«Baldur’s Gate 3» ist ein Meisterwerk. Zufälligerweise eines, in dem Tentakel von Anfang an mit dabei sind. Als Spiel im «Dungeons & Dragons»-Universum greift es auf eine breite Lore zurück, von der Gedankenschinder (auf Englisch «Mind Flayer») ein Teil sind. Dieses bösartige Volk von Ausserirdischen, das alle anderen Wesen versklaven möchte, wird in den 1970er-Jahren erstmals ins Tabletop-Rollenspiel eingeführt – als Hommage an H. P. Lovecrafts Horror.
Diese Gedankenschinder sind der Grund, weswegen mein Abenteuer in «Baldur’s Gate 3» seinen Lauf nimmt. Zu Beginn werde ich auf eines ihrer tentakeligen Raumschiffe, einem Nautiloiden, entführt. Dort pflanzen sie mir gegen meinen Willen eine parasitäre Larve in mein Gehirn ein, damit diese die Kontrolle über mich übernimmt und mich in einen Gedankenschinder verwandelt.
Im Verlauf des Abenteuers stehen die Gedankenschinder mal mehr, mal weniger im Vordergrund. Als Bedrohung bleiben sie bis zum Finale bestehen – aber auch als mögliche Verbündete oder sogar Liebschaften.
Tentakelig wird es übrigens schon im ersten Ankündigungs-Trailer. Die Verwandlung eines Ritters in einen Gedankenschinder ist Body-Horror vom Feinsten:
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙🐙
Plattformen: PC, PS5, Xbox Series X/S
«Carrion» beginnt wie viele klassische Horrorfilme. In einer Forschungseinrichtung schlägt ein Experiment fehl und ein Monster aus Biomasse befreit sich, um daraufhin die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Station zu jagen. Der clevere Twist von «Carrion» ist, dass ich nicht in die Rolle der Fliehenden schlüpfe, sondern die tentakelige Biomasse steuere.
Durch das Verspeisen der Anwesenden regeneriere ich Gesundheit, wachse und schalte neue Fähigkeiten frei, um mich noch schneller durch die verwinkelten Gänge zu bewegen. Die Steuerung der Biomasse gestaltet sich dabei anders als bei humanoiden Spielcharakteren und sorgt insbesondere in der Fortbewegung für eine Menge Abwechslung. Es macht Spass, mich blitzschnell über die Wände und Lüftungsschächte zu meinen nächsten Opfern zu begeben.
Das Metroidvania ist kurz, unterhaltsam und die perfekte Möglichkeit, um selbst in die Rolle eines Tentakel-Monsters zu schlüpfen.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙🐙🐙
Plattformen: PC, Switch, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S
In «Tentacular» spiele ich ein tentakeliges Monster. Wenn ich dafür die VR-Brille aufsetze, sorge ich nicht für Angst und Terror. Stattdessen helfe ich der Bevölkerung der Insel La Kalma bei ihren alltäglichen Problemen. Das bedeutet, dass ich in insgesamt 50 Leveln Gebäude baue, einzelne Einwohner zu ihrem Wunschort transportiere oder mal ein Rätsel löse.
«Tentacular» baut die Tentakel als humorvolles Element in der VR-basierten Steuerung ein. Gemischt mit der ulkigen Physik des Spiels ist der Tentakel-Spass für VR-Fans garantiert.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙🐙
Plattformen: PC, PS5 (über PS VR 2)
Selbst Nintendo kann die Flossen nicht von Tentakeln lassen. Mit der «Splatoon»-Reihe hat der Videospiel-Gigant ein Shooter-Franchise erschaffen, das sich um Tintenfischmenschen, die sogenannten Inklinge, dreht. Anstelle von Patronen verschiesse ich Farbe, in die ich abtauchen und mich dadurch schneller fortbewegen kann. Trotz des tentakeligen Farbanstrichs stecken in den Spielen solide und unterhaltsame Third-Person-Shooter.
Tentakel-Faktor: 🐙🐙🐙🐙🐙
Plattformen (Splatoon 3): Switch
Das MMORPG «World of Warcraft» gibt es schon seit über 20 Jahren. Genug Zeit, um eine breite Lore aufzubauen. Teil dieser Lore sind auch die Alten Götter C’Thun, Yogg-Saron, N’Zoth und Y’Shaarj, die eine Hommage an die Monster von H. P. Lovecraft sind.
Die vier kosmischen Gottheiten werden aufgrund des Online-Kartenspiels «Hearthstone» immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Einerseits haben die Karten damals für spannende Duelle gesorgt,andererseits liebe ich so manche Designentscheidung, die es mit ihnen ins Spiel geschafft hat. Zum Beispiel beleidigt mich die Schlüssel-Karte C’Thun, wenn ich bestimmte Karten spiele. Von Aussagen wie «You have already lost» bis hin zu «Your minions think you are weak» ist das eine unerwartete Art von Immersion im Kartenspiel.
Tentakel-Faktor: 🐙
Plattformen: PC, Mobile (iOS und Android, nur «Hearthstone»)
«Cat Quest 3» hat als niedliches Action-Rollenspiel im ersten Augenblick nichts mit Tentakeln und Cthulhu zu tun. Auch nicht auf den Zweiten. Nur wenn ich die Nebenquest «Lost and Found» angehe, erwartet mich an deren Ende mit «Cathulhu» – der katzenartigen Version von Cthulhu – der wohl coolste und schwerste Bosskampf des Spiels.
Tentakel-Faktor: 🐙
Plattformen: PC, Switch, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S
Es gibt noch viele weitere Games mit offensichtlichen oder versteckten Cthulhu-Referenzen. Die Liste ist lange, fast so lange wie ein Tentakel.
Titelbilder: Devolver Digital, Double Fine Productions
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.