Hintergrund

Das steckt in Heidi – Raumfahrtnation Schweiz, Episode 2

Martin Jud
16.3.2020

Nach der Bruchlandung von TELL krempeln die Studenten ihre Ärmel hoch und bauen eine zweite Rakete. HEIDI ist geboren und beinahe jedes Teil an ihr ist Eigenentwicklung.

Auf TELL folgt HEIDI. Die zweite Rakete von Team ARIS soll es richten und beim weltweit grössten Ingenieurwettbewerb für Raketenbau, dem Spaceport America Cup, alles besser machen.

Falls du die explodierte Rakete TELL verpasst hast und gerne erfahren möchtest, was die Ziele der Akademischen Raumfahrt Initiative Schweiz (ARIS) sind, findest du Episode 1 hier:

Rakete HEIDI: Neues Spiel, neues Glück – und Personalverstärkung

Von der gescheiterten TELL-Rakete bekommt er im Juni 2018 erstmal nichts mit. Er schwingt derweil am Southside Festival in Deutschland sein Tanzbein. Blöderweise bricht während dem Festival das Handynetz zusammen, weshalb er erst zwei Tage später vom Misserfolg erfährt:

«Erst fühlte ich nur Mitleid mit dem Team. Dann fragte ich mich, was wohl falsch gelaufen ist. Erst danach trauerte ich auch um die schöne Rakete.»

Doch lange traurig sein müssen die Studenten nicht, denn dank TELL haben sie eine gute Basis für ein zweites Projekt. Ich will von Paul wissen, wie die Studenten ein neues Raketenprojekt angehen:

HEIDI im Detail: So ist die Rakete aufgebaut

Der HEIDI-Bau läuft gut – auch dank Erfahrungen aus dem TELL-Projekt. Fertiggestellt wird die zweite ARIS-Rakete Mitte März 2019.

HEIDI ist 278 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von 15 Zentimeter. Für die aus drei Experimenten bestehende Nutzlast sind vier Kilogramm vorgesehen, die Rakete bringt ein Abfluggewicht von 24 Kilogramm auf die Waage. Von der Struktur über die Finnen bis hin zu Luftbremse, Controller und Recovery System mit zwei Fallschirmen – alles, bis auf den Motor der Rakete, ist Eigenentwicklung.

Finnen (Fins)

Die drei Finnen ganz am Ende der Rakete nutzen den auftretenden Luftstrom während des Fluges. Sie sind ein wichtiges Steuerelement, das die Rakete auf Kurs bringt, hält und den Flug stabilisiert. Solange sich die Rakete innerhalb der Erdatmosphäre aufhält, verhindern die Finnen ein Abdriften vom Zielkurs. Im Weltraum benötigen Raketen zum Steuern aufgrund der fehlenden Atmosphäre zusätzlich Steuerdüsen.

Triebwerk von Aerotech (Motor)

Luftbremsen (Air Brakes)

Damit die Rakete die vordefinierte Zielhöhe möglichst exakt erreichen kann, benötigt sie Luftbremsen. Die Luftbremsen der Rakete sind mit den Landeklappen eines Flugzeugs vergleichbar. Wenn sie ausfahren, erhöhen sie den Strömungswiderstand des Flugobjekts, was zur Verringerung der Geschwindigkeit führt.

Avionik (Avionics)

Die Avionik beinhaltet – abgesehen vom Recovery System – sämtliche Elektronik, die zur Steuerung der Rakete benötigt wird. Zur Avionik gehören Flugkontrollsysteme inklusive Autopilot, Kommunikationssysteme, Navigationsgeräte, Sensoren und weitere Missionssysteme.

Recovery-Elektronik und Fallschirme (Recovery Electronics & Parachutes)

Da die Rakete wiederverwendbar sein soll, benötigt sie ein Recovery System. Dieses besteht aus elektronischen und physikalischen Komponenten, die zu vordefinierten Zeitpunkten zwei Fallschirme öffnen.

Erst öffnet sich beim Gipfelpunkt zur Stabilisierung der Bremsfallschirm. Dann öffnet auf 400 Metern der Hauptfallschirm und bringt die Rakete sanft zu Boden. Dabei ist die Schockkraft der Fallschirme nicht zu unterschätzen. Die Konstruktion muss beim Bremsfallschirm 1,2 Kilonewton und beim Hauptfallschirm 5,6 Kilonewton aushalten.

Trennstelle (Separation Point)

Hat die Rakete die Zielhöhe erreicht, wird sie an der Trennstelle in zwei Teile gesplittet, um die Fallschirme freigeben zu können.

Cubesat-Experimente (Experiments)

Cubesat ist ein weltweit eingesetzter Standard für kostengünstige Kleinsatelliten. HEIDI hat Platz für drei solcher Cubesats. Für den Spaceport America Cup werden die drei Plätze mit drei Experimenten mit hohem wissenschaftlichem Wert befüllt.

Folgende Experimente sind am Start:

HEIDI: Wirst du den Testflug überstehen?

Dass im Inneren von HEIDI auch Rinderknorpelzellen bei rund 11 g untersucht werden, finde ich toll. Gerne würde ich mehr dazu und zu den weiteren Experimenten erfahren, doch das muss ich verschieben. Denn der Fokus dieser Geschichte liegt auf dem Alpöhi HEIDI. Und deren Geschichte geht verdammt genial aus.

Glücklicherweise haben die Studenten und Paul viel Ausdauer, um mir alles im Detail zu erzählen. Nichtsahnend, dass ich bald wegen des Videos zum finalen HEIDI-Flug mit den Tränen kämpfen werde, lehne ich mich zurück, schmeiss mir ein aus Rinder-Gelatine hergestelltes Gummibärchen ein, drücke beim Audio Recorder auf Start und lausche Pauls Erzählungen zum dritten Akt.

Erfahre in der dritten Episode, wie sich die Rakete im Formel-1-Windkanal und beim Testflug macht. Und wie HEIDI in der Schweiz für rote Köpfe und in der Wüste von New Mexiko für strahlende Gesichter sorgt.

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