
Meinung
Paukenschlag: James Bond droht, zum seelenlosen Franchise zu werden
von Luca Fontana
Immer wieder wird den Medien, der Fotoindustrie und überhaupt allen klassischen Wirtschaftszweigen der selbstverschuldete Untergang vorgeworfen. Das ist zu simpel, und durch ständige Wiederholung wird es auch nicht wahrer.
Der Beitrag «The Things That Kill Themselves», auf Deutsch etwa: «Die Dinge, die sich selbst zerstören», gibt einen guten Überblick über alles, was in den letzten Jahrzehnten in der Fotografie schief gelaufen ist. Weniger gut sind meiner Meinung nach die Erklärungen dafür.
Für Autor Paul Melcher sind einfach alle selbstzerstörerisch, oder anders gesagt: doof. Die gedruckten Fotomagazine sind doof, weil sie sich nicht dem Internet-Zeitalter anpassen. Kodak war doof, weil der Konzern die Digitalfotografie nicht hat kommen sehen. Bildagenturen sind doof, weil sie durch Preisdumping den Markt kaputt machen; die Fotografen sind doof, weil sie sich das gefallen lassen, und die Kamerahersteller sind doof, weil sie nicht verstanden haben, was die Leute wirklich wollen: nämlich ihre Bilder übers Netz verschicken und teilen.
Die ganze Welt mit Dummheit zu erklären, ist nun selbst nicht gerade der intelligenteste Ansatz.
Nehmen wir mal das Beispiel Kodak. «Hätten die sich rechtzeitig angepasst, würde es sie heute noch geben.» Das ist ein beliebtes Märchen in der Tech-Szene, und es wird oft und gern anhand von Kodak erzählt.
Das Kodak-Märchen geht so: Es war einmal ein riesiger, schwerfälliger Konzern mit viel Geld. Doch er verpennte sämtliche Entwicklungen der Digitalfotografie und hielt stur an der Filmfotografie fest. Selbst dann noch, als jeder längst gemerkt hatte, dass Film keine Zukunft hat. Und wenn er nicht gestorben wäre, dann würde er noch heute Filme herstellen.
Doch Kodak hat die digitale Entwicklung nicht verpennt, sondern war von Anfang an mit dabei. Ein wenig Wikipedia-Lektüre genügt, um einen Eindruck davon zu gewinnen. Der heute noch in den meisten Digicams verwendete Bayer-Filter wurde in den 70er-Jahren von Bryce Bayer, einem Kodak-Mitarbeiter, erfunden. 1986 entwickelte Kodak den ersten digitalen Fotosensor mit mehr als einer Million Pixel. 1991 brachte der Konzern mit der DCS erste kommerziell erhältliche DSLR auf den Markt. 1992 führte Kodak die Photo CD ein – und somit für jedermann die Möglichkeit, seine Filme vollautomatisch digital archivieren zu lassen. Kodak war auch Pionier bei der Entwicklung von OLED und brachte 2003 die erste Digitalkamera der Welt mit einem OLED-Display heraus. Die erste Digicam mit zwei Objektiven stammt ebenfalls von Kodak. Mit den Nexpress-Druckmaschinen war und ist Kodak auch im Digitaldruck eine grosse Nummer.
Kodak hatte zu seinen besten Zeiten 120 000 Angestellte. Das war aber bereits in den 70er-Jahren. Danach lief das Geschäft nicht mehr so gut. Das bedeutet: Es war nicht die Digitalfotografie, die Kodak Schwierigkeiten machte, sondern die Konkurrenz aus Japan. Dass die USA auf Kosten von Japan Arbeitsplätze verlor, war in den 70er- und 80er-Jahren ein genereller Trend, vor allem im Tech-Bereich. Die Japaner produzierten mindestens gleich gut wie die Amerikaner, und obendrein billiger. Kodaks Niedergang hatte erst mal nichts mit der Digitalfotografie zu tun. Als die Digitalfotografie marktreif wurde, war der gesamte Kameramarkt fest in japanischer Hand. Logisch, dass dann die Digicams auch aus Japan kamen.
Kodak hat sich kontinuierlich aus unrentablen Sparten zurückgezogen, 2004 etwa aus dem Verkauf von Filmkameras, aber genützt hat es wenig. Globalisierung bringt neue Konkurrenz, neue Technologien bringen neue Konkurrenz.
So ist es auch mit den übrigen Punkten, die Melcher anspricht. Die gedruckten Magazine können nicht einfach nur online gehen, und alles wird gut. Denn die Preise für Online-Anzeigen sind sehr, sehr tief. Für Google und Facebook geht die Rechnung wegen der Masse auf. Für kleine Magazine nicht. Einem gedruckten Magazin bringt es wirtschaftlich kaum etwas, alles auf online zu setzen. Wenn es so einfach wäre, hätten sie es alle längst getan.
Oder die Fotografen. Es ist heute einfacher, gute Bilder zu machen, und es ist auch einfacher, das Handwerk zu lernen. Dadurch gibt’s zwangsläufig mehr Konkurrenz. Gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach professioneller Fotografie, weil die Magazine eingehen. Was soll ein Fotograf in dieser Situation machen? Ist er doof, wenn er schlecht bezahlte Arbeit annimmt?
Oder die Bildagenturen. Dass man für ein langweiliges Stockfoto nicht mehr bekommt als zwei Dollar, ist in der heutigen Bilderflut verständlich und dürfte kaum die Schuld der Datenbankbetreiber sein. Die Bilder, die keine Stockfotos sind, sind nach wie vor richtig teuer – siehe Keystone, siehe Getty.
Die Fotobranche zerstört sich nicht selbst. Sie ist nicht suizidal. Es ist nur nicht für alle so einfach, sich in einem schnell wandelnden Umfeld zu behaupten. Dass die Fotografie als ganzes vor die Hunde geht, glaube ich nicht. Im Gegenteil: Wer sie als Hobby betreibt, für den gab es nie eine bessere Zeit als heute.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.