Hintergrund

«Cave Noire»: Das Game Boy RPG, das ich nicht kannte, aber heute liebe

Martin Jud
6.5.2022

«Cave Noire» ist ein japanisches Game-Boy-Rollenspiel – ein Roguelike – von 1991. Darin kämpfst du dich immer tiefer in prozedural generierte Dungeons. Obwohl die Konfrontation nicht immer die beste Lösung ist.

Ich rolle mit den Augen und ächze ebenfalls. Sekunden später freue ich mich jedoch darüber, dass ich vor wenigen Minuten ein Gegengift im Rucksack verstaut habe. Hützel trinkt es reflexartig und zieht sich in den vorangegangenen Raum zurück.

Dass mein Protagonist im richtigen Moment den richtigen Trank bei sich hat, ist bei einem auf acht Plätze beschränkten Inventar nicht selbstverständlich. Dass ich eine Dungeon-Ebene über mir einen Lichtzauber liegen lassen habe, nervt trotz der Freude über das Gegengift gewaltig. Mit ihm hätte mein Charakter den Raum erhellen und die Gefahr besser einschätzen können.

Japanisches RPG mit Englisch-Mod

Auch wenn das Spiel erbarmungslos sein kann, kommt beim Zocken keine Hektik auf. Das Rollenspiel läuft rundenbasiert ab – führt dein Charakter eine Aktion aus, tun das auch sämtliche Monster. Wobei sie sich nicht raumübergreifend bewegen und viele ihren festgelegten Bewegungspfad haben. Nur bestimmte Monster verfolgen dich im gleichen Raum beziehungsweise auf einem Bildschirminhalt. Andere kannst du bei Bedarf einfach umgehen.

Cave Noire hat ein schnell lernbares Spielprinzip und richtet sich auch an Rollenspiel-Neulinge. Oder an Freunde des Knobelns, denn unterm Strich erwartet dich in den Höhlen vor allem kniffliger Denksport. Wer ein klassisches RPG sucht, ist hier falsch.

Vielen Dank, Aeon Genesis!

Nach dem Kauf – oder war es ein «Klauf»? – der gemoddeten Version plagte mich mein Gewissen. Nicht nur gegenüber Konami und Nintendo, auch gegenüber den Übersetzern, die am Produkt ebenso wenig mitverdienen. Daher habe ich mir auch noch ein Original des Spiels besorgt. Der Versand aus Japan hat zwei Wochen gedauert. Total habe ich 39,99 US-Dollar bezahlt. Die englische Kopie hat inklusive Versand lediglich 13,98 US-Dollar gekostet.

Aber was bietet Cave Noire überhaupt und warum fasziniert es mich derart, dass ich es seit einem Jahr immer wieder auf diversen Game Boys und Anbernic-Handhelden zocke?

Das Spielprinzip: Wenn Monsterkloppen nicht alles ist

Cave Noire gehört zur Rollenspiel-Untergruppe der Roguelikes. Ein Roguelike ist ein RPG, das dem Spielprinzip des Games Rogue aus dem Jahr 1980 folgt. Im Unterschied zu Rogue, bietet Cave Noire elf Jahre später bereits echte Grafik, die eine Textsymbol-basierte Welt ablöst.

In Cave Noire kannst du dich als Heldin oder Held ins Abenteuer stürzen. Da ich meine digitale Kopie spielen möchte, wähle ich den männlichen und tippe den Namen Huetzel ein. Eigentlich sollte er Hützelbrützel heissen, doch das Spiel lässt nur acht Buchstaben zu.

Dann geht die Story los. Wobei die Subgenre-typisch spärlich gehalten ist und nicht im Vordergrund steht. Was bei einem Roguelike zählt, ist das Gameplay.

Deine Geschichte beginnt im Dorf Karuzu. Du hast gehört, dass es dort vier Dungeons und viele Abenteurerlehrlinge gibt. Die bemühen sich, ihre Fähigkeiten Tag und Nacht in den Untergrund-Labyrinthen zu verbessern. Sie streben danach, wonach auch du strebst: Sie wollen den Titel «Abenteurer» von der hiesigen Gilde erlangen.

Vier(zig) Dungeons, vier Missionen: Feen retten, Monsterkloppen, Gold sammeln und Orbs finden

Damit dir die Abenteurergilde den Titel gewährt, musst du vier Dungeons betreten und in jedem eine andere Aufgabe erledigen. Zudem musst du jede Aufgabe in sechs immer schwerer werdenden Durchgängen respektive Levels absolvieren. Was nicht heisst, dass das Spiel danach zu Ende ist. Du kannst nach den 24 Haupt-Quests noch schwerere Levels bestreiten. Total gibt es jeweils neun Levels und einen Master-Level pro Dungeon – also vierzig Stück.

Zu den vier zu erledigenden Aufgaben gehören:

  • Monster-Quest – töte eine bestimmte Anzahl Gegner
  • Gold-Quest – sammle eine bestimmte Anzahl Gold
  • Orb-Quest – finde eine bestimmte Anzahl Orbs, die sehen aus wie Kelche
  • Feen-Quest – finde Schlüssel und in Käfige gefangene Feen und befreie eine bestimmte Anzahl

Tricky ist, dass du bei der Orb-Quest jeweils einen Inventarplatz für jeden Orb benötigst. Das bedeutet, dass du beispielsweise auf Quest-Level 6 bereits sechs Plätze alleine für die Questobjekte benötigst – auf Level 10 sind’s dann alle acht. Gold hingegen kannst du beliebig viel mit dir herumtragen. Dafür benötigen auch die Schlüssel der Feen-Quest Platz, wenn auch nur vorübergehend.

Hast du das Ziel eines Quest-Durchgangs erreicht, erscheint in der Nähe eine Türe. Betrittst du sie, wirst du zurück ins Dorf befördert.

Die Spielwelt: Von geheimen Gängen, Zaubern und Monstern

Wichtige Dinge lernst du unter Schmerzen. Solltest du Ausrufezeichen in einer Denkblase über deinem Charakter sehen, könnte es sein, dass im nächsten Moment der Boden unter den Füssen wegbricht. Falls du eine Runde wartest und nicht weitergehst, wirst du in den Untergrund stürzen. Dadurch erleidest du Schaden und bist in einem neuen Gebiet.

Worauf du nie stehen solltest, ist Lava. Klar, das kennt jedes Kind. Genauso stellt sich für mich nicht die Frage nach einer diagonalen Bewegung. Erst beim Schreiben dieser Zeilen wird mir bewusst, dass ich es als normal erachte, mich nur in vier Richtungen bewegen zu können.

Abgesehen von den genannten Problemfeldern sind da auch Löcher, die bereits bei Betreten eines Raums bestehen. In seltenen Situationen können die, obschon dir ein Sturz in die untere Ebene schadet, auch helfen. Ein kalkulierbares Risiko, wenn die Alternative eine von einem Zyklopen bewachte Treppe ist. Der hat zwar nur ein Auge, hält aber ungefähr gleich viel aus wie du und haut ähnlich gut zu.

Habe ich schon erwähnt, dass Treppen immer nur nach unten führen? Bist du unten angekommen, ist auf der neuen Ebene keine Treppe nach oben. Wo ist sie hin?

Egal.

Gute Felder sind übrigens alle anderen, noch nicht genannten. Ein kleiner Untergrundfluss ist kein Problem – einfach durch und weitergehen.

Von Attributen, Kisten, Loot und dem Kampf

Bei Cave Noire bekommst du bei Erreichen bestimmter Quest-Level permanente Attribut-Erhöhungen. Das passiert automatisch, jedoch ist die Auswirkung so minim, dass sie nicht mit dem höher werdenden Schwierigkeitsgrad skalieren. Genauso sind Fähigkeiten kein Thema – du hast keine, brauchst keine, gewinnst keine und steigst auch keine Stufen auf.

Items sind bei Cave Noire vergleichsweise rar gesät. Die meisten sind in Kisten zu finden – Monster bringen weder Erfahrungspunkte noch Loot. Das spärliche Item-Angebot passt zum ultrakleinen und fast immer vollen Inventar. Wo andere RPGs ein grosses Waffenarsenal bieten, gibt es hier zum Beispiel nur je vier Schwerter und Schilder – etwa ein Flammenschwert, das plus zwei auf Angriff gibt.

Findest du ein besseres Schwert oder einen Schild, gibt es keinen speziellen Platz, wo du dich damit ausrüstest. Sie nehmen im Gegensatz zum «Start-Schwert» einen Inventarplatz ein. Fallenlassen schlechterer Ausrüstung ist daher Pflicht.

Solltest du dich mal verirren, kannst du über die Starttaste dein Camp aufrufen, wo du nicht nur eine Charakterübersicht findest, sondern auch eine Map. Rasten und dich damit heilen oder Zauber lernen, ist im Camp leider nicht möglich. Keine Stufenaufstiege, keine Schlafenszeit – du bist Tag und Nacht im Dungeon. Was nicht verkehrt ist, da dich im Schlaf ein Minotaurus überraschen könnte. Oder Schlimmeres...

Fazit: Für anhaltenden RPG-Spass reicht auch simple Grafik

Cave Noire bietet mit seiner Retro-Grafik einen wunderbaren Kontrast zu heutigen Titeln. Auch nach über dreissig Jahren – oder erst nach dreissig Jahren, wie in meinem Fall – ist es eine befriedigende Rollenspielerfahrung, deren Haupt-Quests du mit etwas Knobelei und Hirnschmalz in unter zwei Stunden schaffen kannst. Musst du aber nicht, da die erfolgreichen Quest-Durchgänge im Gegensatz zum laufenden Spiel gespeichert werden.

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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