Bose Frames: Kann eine Bluetooth-Sonnenbrille Kopfhörer ersetzen?
Produkttest

Bose Frames: Kann eine Bluetooth-Sonnenbrille Kopfhörer ersetzen?

David Lee
21.8.2019
Bilder: Livia Gamper

Bose bringt neben bewährten und soliden Audiogeräten auch immer wieder Neuheiten fürs Kuriositätenkabinett. Heute im Test: Die Bluetooth-Sonnenbrille.

Bose Frames heisst die Sonnenbrille mit integrierten Lautsprechern, die via Bluetooth Sound abspielen. Quasi eine Hörbrille für Leute ohne Seh- und Hörbehinderung. Die Idee: Du sollst Musik hören können, ohne deine Ohren durch einen Kopfhörer zustöpseln zu müssen. Das soll bequemer sein und du bekommst mehr von deiner Umgebung mit.

Die Bose Frames gibt es in zwei Varianten. Das eckige Modell Alto ist etwas grösser als das Modell Rondo. Dieses passt meinem mittelgrossen Schädel gut, das eckige ist mir zu gross.

Beide Varianten kommen mit nicht polarisierten, dunklen Gläsern. Diese lassen sich durch polarisierte Gläser oder einfach durch eine andere Farbe austauschen. Zum Lieferumfang gehört ein stabiles Etui, ein magnetisches Ladekabel und eine Bedienungsanleitung, die nur aus dem Hinweis besteht, dass du die App Bose Connect installieren musst. Dort erfährst du alles weitere und die App generiert dir auf Wunsch einen Zufallsnamen wie «Prinz Eisenherz», «Der Aufreisser», «Kopfschmuck» oder mein persönlicher Favorit, «Enjoy the silence».

Die Frage, die ich mir stelle: Wofür ist das Ding im Alltag zu gebrauchen, wofür nicht?

Im Tram, Bus oder Zug

Die Musik ist für andere Leute schon bei gemässigter Lautstärke deutlich zu hören. Noch lauter als bei schlecht abschirmenden Kopfhörern. Das stelle ich bereits im Büro fest, als die Frames reihum gehen. Für mich ist das Grund genug, die Frames gar nicht erst im ÖV auszuprobieren. Vor allem nicht in der S-Bahn. Da sitzt man eng aufeinander, der Zug fährt leise, man hört jedes Geräusch. Auch wenn die Leute zu höflich wären, um es mir zu zeigen: Ich bin sicher, dass ich ihnen mit den Bose Frames auf die Nerven ginge.

Im Auto

Am Steuer habe ich oft eine Sonnenbrille auf, Kopfhörer dagegen nie, das lenkt zu sehr vom Fahren ab. Und der Sound über die Stereoanlage des Autos ist alles andere als perfekt. Hier könnte die Bose-Brille also punkten.

Tut sie aber nicht. Das Motorengeräusch übertönt die Musik grösstenteils; hörbar bleiben bestimmte Frequenzen im oberen Bereich, die manchmal sehr überraschend kommen – quasi aus dem Nichts. Die Musikstücke sind kaum wiederzuerkennen. An der Brille kann ich die Lautstärke nicht aufdrehen, und am Smartphone herumfummeln während der Fahrt ist für mich ein No-Go. Immerhin: Zum nächsten Stück springen, das geht durch zweimaliges Drücken.

Ausserdem: Pech gehabt, wenn ein Tunnel kommt, dann muss die Sonnenbrille weg.

Auf dem Velo

Die Frames sind leicht (45 Gramm), aber klobig. Erstaunlicherweise kann ich die Brille trotz des dicken Gestells unter meinem Velohelm anziehen. Es klappt, weil der hinterste Teil des Gestells, wo die Ohren sind, vergleichsweise schlank ist.

Das war die einzige positive Überraschung auf dem Velo. Vorbeifahrende Autos rauschen zu laut, um die Musik noch zu hören. Wobei das bei gleichmässig lauten Stücken weniger übel ist als bei Stücken mit sehr unterschiedlicher Lautstärke. «Let there be rock» von AC/DC geht immer, «Hallelujah» von Jeff Buckley geht gar nicht.

Dass ich den Verkehr gut höre, bringt wenigstens mehr Sicherheit, dachte ich. Aber so ganz stimmt das nicht. Die Geräusche klingen für mich anders als gewohnt, wenn ich gleichzeitig noch Sound von den Frames höre. Das führt dazu, dass ich gewisse Dinge nicht identifizieren kann. Ich höre zum Beispiel, dass etwas hinter mir ein Geräusch macht, aber ich höre nicht, dass es ein Auto ist.

Auf dem Sofa

Auf dem Sofa gibt es diese Probleme nicht. Ich störe niemanden und niemand stört mich. Der Sound ist akzeptabel, aber klar schlechter als mit einem mittelmässigen Kopfhörer. Vor allem die Bässe dürften mehr Power haben. Ein kleiner Vorteil: Ich kann mich so richtig faul aufs Sofa fläzen und auch den Hinterkopf anlehnen. Mit den grossen Kopfhörern stosse ich dabei immer irgendwo an.

Aber ich brauche keine Sonnenbrille auf dem Sofa. Ausserdem habe ich dort bereits eine gut klingende Stereoanlage.

Im Büro

Wenig überraschend taugt die Brille bei der Arbeit nichts. Ich störe die anderen, und umgekehrt dringt ihr Lärm ungefiltert an meine Ohren. Mit den polarisierten Gläsern sehe ich zudem nichts auf dem Bildschirm. Natürlich kann ich sie durch die mitgelieferten unpolarisierten ersetzen. Das Austauschen der Gläser geschieht mit roher Gewalt und ist daher sehr einfach. Aber wirklich sinnvoll wird das Tragen der Hörbrille im Büro deswegen nicht.

Livia, die im Büro neben mir sitzt, hat die Bose Frames ebenfalls kurz an- und ausprobiert. Durch ihre langen Haare verändert sich der Sound. Schall, der sonst in alle Richtungen abstrahlt, wird besser kanalisiert. Dadurch wird es lauter und der Bass wird stärker, als wenn die Haare hinter den Ohren liegen. Nicht so toll ist allerdings, dass sich der Sound einseitig ändert, wenn Livia den Kopf neigt.

Draussen vor der Tür

Heute ist das Wetter wechselhaft. Muss ich jetzt immer zwei Geräte dabei haben, einen Kopfhörer für Regen und die Bose Frames für Sonnenschein? Nein! Falls es mir zu finster wird, kann ich die Brillengläser herausnehmen ohne Gläser durch die Gegend spazieren. Lässig. Aber nicht sinnvoll. Und besonders intelligent sieht es auch nicht aus. Ausserdem ist das Gerät nicht gegen Regentropfen geschützt. Warum auch? Es ist eine Sonnenbrille.

Mit der Hörbrille kann ich auch telefonieren. Denn ins Brillengestell haben die Wizards of Bose auch ein Mikrofon gezaubert. Telefonversuchskaninchen Livia bescheinigt mir allerdings, dass sie alles Mögliche höre, nur meine Stimme nicht. Um mich verständlich zu machen, habe ich folgende Möglichkeiten: 1. Rumbrüllen. 2. Brille abnehmen und beim Sprechen vor den Mund halten. 3. Mit den Händen einen Schallkanal von meinem Mund zum Brillengestell formen.

Fazit: Sonnenbrille und Kopfhörer lieber separat

Austauschbare Gläser, stabiles Etui, leichtes Gewicht, brauchbare Bedienung trotz lediglich einer Taste: Die Umsetzung bei den Bose Frames ist nicht schlecht. Aber die Idee. Es hat schon seinen Grund, dass wir im Jahr 2019 immer noch Kopfhörer verwenden. Sogar mehr denn je. Kopfhörer sind in praktisch allen Situationen besser. Das Problem, dass gewisse Modelle zu stark von der Umgebung abschirmen, ist ja bereits gelöst – unter anderem von Bose selbst. Verwenden könnte ich die Bose Frames höchstens als nicht ganz ernst gemeintes Gadget – doch dafür sind sie eindeutig zu teuer.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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