Blauer Himmel statt weißes X: Was ist Bluesky?
Hintergrund

Blauer Himmel statt weißes X: Was ist Bluesky?

Jan Johannsen
6.10.2023

Den aktuell heißesten Konkurrenten für X hat der Kurznachrichtendienst vor einer gefühlten Ewigkeit selbst gestartet. Anders als Mastodon, ist Bluesky noch ein geschlossenes Netzwerk, für das ein Invite Code nötig ist.

Seit der Übernahme Twitters durch Elon Musk im Oktober 2022 hat die Suche nach einer Alternative zum Kurznachrichtendienst Fahrt aufgenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber weder Mastodon noch Threads haben bisher nachhaltig vom Niedergang bei X profitiert. Derzeit ist Bluesky der heißeste Kandidat, der aber erst die Millionengrenze bei den Accounts erreicht hat.

Mastodon und Threads verdrängten X bisher nicht

Direkt nach der Übernahme galt Ende 2022 Mastodon als größter Profiteur der Abwanderung von Twitter. Der Dienst mit dem Mammut konnte seine Nutzerzahlen zwar deutlich erhöhen, blieb aber immer noch weit hinter Twitter. Mit dem Update auf die Version 4.2 erhielt das dezentrale Netzwerk zwar weitere Funktionen und wurde durchsuchbar, aber neue Accounts wurden vor allem als Reaktion auf weitere Veränderungen bei Twitter angelegt.

Im Sommer sammelte Meta mit seinem Instagram-Spinoff Threads in kurzer Zeit deutlich mehr Nutzer und Nutzerinnen ein als Mastodon in den Monaten zuvor. Blieb aber aufgrund lokaler Einschränkungen durch Meta ein US-Phänomen.

Die ersten Kollegen haben den Weg zu Bluesky gefunden, aber unsere Artikelvorschau noch nicht.
Die ersten Kollegen haben den Weg zu Bluesky gefunden, aber unsere Artikelvorschau noch nicht.
Quelle: Jan Johannsen

Die ganze Zeit dümpelte im Hintergrund bereits Bluesky herum, konnte aber erst Anfang Oktober 2023 so richtig im deutschsprachigen Raum durchstarten. Dafür gibt es zwei Gründe: Invite Codes waren inzwischen ausreichend verfügbar und Elon Musk wurde unterstellt, im deutschen Landtagswahlkampf Positionen der AFD zu stärken.

Vom Twitter der Zukunft zur Konkurrenz für X

Bluesky, bzw. die Idee dahinter existiert seit 2019. Der damalige Twitter-CEO Jack Dorsey kündigte eine Initiative an, um den Kurznachrichtendienst in Zukunft dezentraler strukturieren zu können. Vorbild war damals das ActivityPub-Protokoll, auf dem Mastodon basiert. Bei Bluesky entstand mit dem AT-Protokoll dann aber noch eine eigene technologische Basis, die aber grundsätzlich dezentral gedacht ist. Im Unterschied zu Mastodon sollte aber nicht unbedingt jede Person eine Instanz aufsetzen können, sondern eher nur Organisationen oder Unternehmen. Twitter finanziert die Arbeit von Bluesky bzw. einer gemeinnützigen Gesellschaft, die sich um das Protokoll kümmert.

Nach der Twitter-Übernahme durch Musk wurde die Nutzung des AT-Protokolls konkreter. Bluesky wurde zu einer Firma, die eine App auf Basis des Protokolls anbietet und Investorengelder einsammelt.

Bluesky sortiert Postings in verschiedenen Feeds.
Bluesky sortiert Postings in verschiedenen Feeds.
Quelle: Jan Johannsen

Neue Accounts können bei Bluesky bisher nur mit einem Einladungscode angelegt werden. Damit ist es möglich, den Dienst im laufenden Betrieb zu testen, ohne die Hardware für Millionen von Nutzerinnen und Nutzern bereithalten zu müssen. Im September 2023 überschritt Bluesky die Millionengrenze. Mastodon hatte da bereits über zehn Millionen Accounts und Threads knackte nach eigenen Angaben bereits im Juli die 100 Millionen.

Bluesky steht noch am Anfang

Die Arbeit an Bluesky ist noch nicht abgeschlossen. Im Vergleich zu X fehlen Bluesky noch einige Dinge, wobei Twitter sie auch nicht unbedingt bereits im ersten Jahr hatte:

  • Direktnachrichten
  • anklickbare Hashtags
  • Videos posten
  • Livestreams
  • GIFs posten

Zudem gibt es noch keine Werbung bei Bluesky und blockierte Accounts sind unter deinen Postings gar nicht zu sehen. Bei der Verifizierung setzt Bluesky nicht auf blaue Haken, die man sich bei X ja inzwischen kaufen kann. Stattdessen kann man seinen Account mit dem Zugriff auf eine Domain bestätigen. Sie taucht dann als Handle des Accounts auf.

Das aktuelle Menü der Bluesky-App.
Das aktuelle Menü der Bluesky-App.
Quelle: Jan Johannsen

Mit deck.blue gibt es aber bereits einen Tweetdeck-Klon für Bluesky. Das Original war bei X hinter die Bezahlschranke von Twitter Blue gewandert. Ebenso haben schon Leute hilfreiche Tools programmiert, die Accounts, denen man bei X gefolgt ist, bei Bluesky finden.

Bluesky könnte X nachhaltig Probleme bereiten

Für X sieht es finanziell nicht gut aus. Das Unternehmen wird derzeit mit acht Milliarden US-Dollar bewertet. Ein herber Verlust gegenüber den 44 Milliarden, die Elon Musk gezahlt hat. Und sogar weniger als die Schulden der Firma. Die liegen derzeit bei 13 Milliarden Dollar.

Die Abwanderung an Accounts ist dagegen noch nicht in einem so großen Rahmen messbar. Während Mastodon seit einem Jahr nicht so richtig durchstartet und Threads irgendwie nur eine Instagram-Erweiterung ist, könnte Bluesky nachhaltig Twitter viele Nutzerinnen und Nutzer wegnehmen.

Derzeit läuft die Entwicklung noch langsam. Aber irgendwann wird kein Invite Code mehr nötig sein. Und auch funktional dürfte Bluesky im Laufe der Zeit noch zulegen. Beides wird die Relevanz des Netzwerks und damit seine Attraktivität steigern und sich vielleicht mit dem AT-Protokoll noch dezentralisieren. Trotzdem habe ich Zweifel, dass die weitere Entwicklung nur positiv vonstattengehen wird. Für den Moment habe ich mit Bluesky allerdings ein Netzwerk gefunden, das es mir möglich macht, bei X nicht mehr reinzuschauen. Ein, zwei Football-Accounts fehlen mir allerdings noch.

Titelfoto: Jan Johannsen

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Jan Johannsen
Content Development Editor
jan.johannsen@galaxus.de

Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus. 


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