Hintergrund

August Dvorak und die Tastenbelegung: Der gescheiterte Weltverbesserer

Kevin Hofer
4.12.2021

August Dvorak entwickelte in den 1930er Jahren die Dvorak-Tastenbelegung. Tastaturen mit dieser Belegung sollten es ermöglichen, schneller und effizienter zu Tippen als die uns bekannte QWERTZ. Dennoch hat sich Dvoraks Erfindung nie durchgesetzt.

August Dvorak wollte etwas Lohnendes für die Menschheit machen, sie weiterbringen. Auf seine Art. Nicht etwa Menschen auf den Mond schiessen oder Krebs heilen, sondern sie schneller machen beim Tippen. Dazu hat der Mann aus Minnesota eine eigene Tastaturbelegung entwickelt: Dvorak. Heute kennt ihn und seine Erfindung kaum noch jemand.

Das Folterboard

Dvorak wird am 5. Mai 1894 in Glencoe, Minnesota geboren. Im ersten Weltkrieg dient er in der Navy. Nach dem Krieg zieht er nach Seattle, heiratet, studiert psychologie und unterrichtet an der Universität von Washington.

Hier wird sein Interesse am Tippen geweckt. Eine Lehrerin will von ihm wissen, wieso ihre Schülerinnen meist Wörter mit vier Buchstaben oder weniger verpatzen. Dvorak geht der Sache nach und stellt fest: Die 13 am häufigsten falsch geschriebenen Wörter in Englisch sind kurz und einfach: the, to, of, and, is, which, it, that, when, for, with here und be.

Dvorak selbst kann das Zehnfingersystem nicht. Aber er weiss, wie er herausfinden kann, wieso sich Menschen vertippen. Gemeinsam mit seinem Schwager William Dealey analysiert er alle Aspekte des Tippens: Von häufig verwendeten Buchstaben-Kombinationen bis zur Handphysiologie. Sie setzen gar Zeitlupen-Filmtechniken ein, um die Bewegungen von Schreibkräften zu untersuchen.

Die Lösung

Dvorak ist sich sicher, dass eine Tastenbelegung, welche die am meisten verwendeten Buchstaben und Buchstabenkombination gruppiert, effizienter ist. Er und Dealey tüfteln eine Belegung aus, bei der die Vokale auf der linken und häufige Konsonanten-Kombinationen auf der rechten Seite der Heimreihe liegen. Die Heimreihe ist die Startreihe – jene Reihe einer Tastatur oder Schreibmaschine, auf der die Finger beim Zehnfingersystem ruhen.

Dvoark ist geboren. Durch diese Anordnung werden mehr als 3000 geläufige englische Wörter auf der Heimreihe getippt. «The», das häufigste englische Wort, liegt bei Dvorak komplett auf der Heimreihe. Bei QWERTY muss die Reihe sowie die Hand zum Tippen zweimal gewechselt werden.

Dvorak findet heraus, dass Menschen, die dem Zehnfingersystem nicht mächtig sind, Dvorak dreimal so schnell lernen wie QWERTY. Dealy und er machen 1932 einen Patentantrag für Dvorak, der 1936 genehmigt wird. Sie können die Tastenbelegung auch einigen Schreibkräften beibringen. Die sind an den zu jener Zeit aktuellen Tippwettbewerben auch äusserst erfolgreich. Es gelingt ihnen jedoch nicht, im grossen Stil Schreibmaschinen mit Dvorak-Tastenbelegung zu verkaufen.

Nicht durchsetzungsfähig

Nach dem Krieg kehrt Dvorak an die Universität zurück und versucht weiter seine Tastenbelegung durchzusetzen. Es gelingt ihm sogar, die US-Regierung davon zu überzeugen, das Layout auszuprobieren. Der Test fällt jedoch negativ aus. Die Begründung: Die Verbesserungen seien geringer und die Umschulungen aufwändiger als versprochen.

Dvorak sieht sich als Opfer der Schreibmaschinenhersteller. Die hätten Druck gemacht, weil eine effizientere Tastenbelegung auch weniger Schreibmaschinen nötig gemacht hätten. Auch die Presse-Berichterstattung zur Tastenbelegung von Dvorak ist zu jener Zeit meist sehr negativ. Unterstützer hat Dvorak wenige.

Weitere Studien, die über die Jahre gemacht werden, zeigen jedoch ein ähnliches Bild wie jenes der US-Regierung: Die Effizienzsteigerung gegenüber QWERTY ist zwar vorhanden, aber gering. Zudem seien Personen, die bereits im Zehnfingersystem mit QWERTY geübt sind, sehr schwierig umzupolen. Etwas, dem sich aber auch Dvorak damals bewusst ist.

Enttäuscht und resigniert

Dvorak stirbt 1975 in Seattle. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits seit mehreren Jahren aufgegeben, seine Tastenbelegung durchsetzen zu wollen. 1962 soll er gesagt haben:

Ich habe es satt zu versuchen, etwas Sinnvolles für die Menschen zu tun – sie wollen sich einfach nicht ändern!

35 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


Computing
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Dvorak oder doch Colemak: So schräg sind Tastaturlayouts

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Sergej Lebedev und der erste sowjetische Computer

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Wie ich mit einer 65-Prozent-Tastatur (nicht) klarkomme

    von Martin Jud