Hintergrund

Apple Car: Der Konzern, der ein Auto machen muss

Apple verrät nichts über seine Fahrzeugpläne. Doch ein Blick in die Patente des Konzerns und die Stellenbesetzungen in Cupertino verraten viel. Denn wenn Apple auch in den Automarkt vordringen will, dann muss die Firma ein Auto bauen.

Leser NeXus-9 hat in meinem Artikel zu Android Automotive folgenden Kommentar hinterlassen:

Also wenn das Android dann so
toll" und "effizient" funktioniert, wie das in den TV's der Fall ist, dann hoffe ich schwer auf einen guten Konkurrenten. @Apple: Hallo?! ^^ "NeXus-9, 4. Februar 2021

Wenn Google etwas in der Pipeline hat, dann ist Apple entweder der Sache schon voraus, oder nicht weit hinterher.

Analyst und Gerüchteverbreiter Ming-Chi Kuo glaubt zu wissen, dass Apple an einem Auto arbeitet. Wenn Ming-Chi Kuo sowas sagt, dann ist da meist was dran. Kein anderer Leaker und Kaffeesatzleser hatte bis dato so oft Recht wie der Analyst.

Ming-Chi Kuo sagt, dass Apple mit Hyundai gemeinsame Sache macht und an einem Apple-Auto arbeitet.

Damit sieht sich der Konzern aus Cupertino einem riesigen Projekt gegenüber, für das er zu Recht einen Partner mit Erfahrung ins Boot geholt hat.

Was Ming-Chi Kuo sagt

Apple soll also laut Kuo irgendwann zwischen 2023 und 2025 ein Auto auf den Markt bringen. Das Fahrzeug soll auf der Basis von Hyundais E-GMP Elektroplattform gebaut werden.

Soll. Denn die Geschichte um die Plattform, auf der Apple sein Apple Car, oder iCar – ich freue mich ja auf das iCar 8 Pro Max –, oder wie auch immer das Teil dann heissen wird, ist etwas verwirrend. Sollte das Apple Car iCar denn je existieren.

Apple soll also, angenommen alles stimmt, mit Hyundai über eine auf Canoo-Basis hergestellte Technologie verhandeln. Und gleichzeitig soll Apple mit Canoo über eine auf Canoo-Basis hergestellte Technologie verhandeln.

Darauf basierend kann Ming-Chi Kuo mit unbekanntem Insider-Wissen ableiten, dass zwischen 2023 und 2025 ein Apple Car auf den Markt kommt. MacCar Pro, vielleicht?

Woran Apple arbeitet

Apple hält sich als Teil seiner Kommunikationsstrategie stets bedeckt, wenn es um tägliche News oder «Dinge, die da kommen könnten» geht. Anfragen werden stets mit einem «Kein Kommentar» beantwortet. Fair enough.

Das aber führt dazu, dass eine Art Mythos Apple entsteht. Den Konzern, den sich Fans, Kritiker und der Rest der Welt in ihren Köpfen zusammenreimen.

Oder halt auch Stellenbesetzungen und Recruiting. Und genau das ist es, was am stärksten auf ein Apple Car hinweist.

Project Titan kann, sollte es dann tatsächlich das Auto-Projekt sein, zusammengestückelt werden aus Patenten, die Apple eingereicht hat:

Und das sind noch nicht ganz alle Patente, die Apple eingereicht hat, die auf ein Fahrzeug hinweisen. Viele sind auch Patente, die anderswo gebraucht werden könnten. Da ist eines, das eine Art «smart hinge», also ein smartes Scharnier zeigt, das auch in Macbooks Anwendung finden könnte. Doch die Liste zeigt, dass die Patente weit mehr umfassen, als das Feature Set CarPlays.

Es ist aber unklar, ob all die Features, die in den Patenten beschrieben werden, tatsächlich im theoretischen Apple Car verbaut werden. Oft reichen Firmen Patente ein für den Fall, dass sie dereinst mal gebraucht werden könnten. Es kann also sein, dass die Rückspiegel mit Projektoren, die Daten auf die Scheibe projizieren, erst im Apple Car 2 kommen werden. Oder gar nie.

Die Idee eines Apple-Autos beflügelt aber die Fantasie von Fans und Designern weltweit. In einem Wettbewerb der Site Freelancer.com haben über 200 Designer ihrer Fantasie freien lauf gelassen. Einige Designs habe ich zur Illustration dieses Artikels verwendet.

Apropos QNX. Die Software aus dem Hause Blackberry dürfte im Rennen um das Smart Car der grosse Verlierer sein. Denn bis dato war QNX mehr oder weniger der Platzhirsch. Wenn Google und Apple da einsteigen, dann dürfte die Luft für die alternde Software QNX dünner werden.

Warum Apple ein eigenes Auto bauen muss

Apple ist kein Team Player. Das hat einen guten Grund. Im Smartphone-Bereich ist es so, dass es am Ende nur Zufall ist, dass Apple und Google je ein Betriebssystem für Phones herausbringen, die am Ende dasselbe tun. Denn der Weg dahin ist radikal anders.

Apple hingegen schwurbelt gerne öffentlich etwas von «physischen Objekt, das in der Erfahrung verschwindet» und «Die gemeinsame Entwicklung von Phone und Display definiert eine komplett neue Integration» daher. Das aber ergibt, bei genauerem Hinsehen und abseits dem pseudo-esoterischen Gerede von Ex-Apple-Designer Jony Ive, durchaus Sinn.

Das Konzept funktioniert sehr gut.

Die Implementation neuer Features dauert daher in der Regel ewig. Jüngst hat Apple Widgets unter iOS eingeführt. Android hat dieses Feature schon lange und es wurde schon x-mal totgesagt. Zu fragmentiert unter Android. Die Einheitlichkeit und Integration soll es bei Apple zum Erfolg verhelfen. Dazu testet der Konzern aus Cupertino seine neuen Features rigoros und lässt sie erst auf die Menschheit los, wenn ein hoher Standard an Sorgenfreiheit erreicht ist.

Kurz: Wenn du dir ein Apple-Produkt kaufst, dann sollst du es auspacken, die Packung recyceln und dir nie wieder Sorgen um die Technologie machen.

Bei Android hingegen geht das zwar auch, aber wenn du Updates willst, wird das schwierig. Wenn du Features willst, dann kannst du unter Umständen lange warten. Dafür aber hat Android mehr Reiz für Bastler und Pioniere.

Auf Autos umgemünzt lässt das nur einen Schluss zu: Apple muss ein eigenes Auto bauen.

Das Auto als Part des Ökosystems

Zu all dem gehört das Hardware Design. Wenn Apple auch beim Auto seinen Kurs beibehält, dann wird der Konzern aus Cupertino genau wissen, was das Steuerrad tut, wie es sich anfühlt und unter so ziemlich allen möglichen Bedingungen reagiert. Dasselbe gilt für Pedale und so ziemlich jeden Knopf, der das Apple Car haben dürfte.

Bei Elektrofahrzeugen hat sich die Industrie vorerst mal auf den Combined Charging Standard CCS geeinigt. CCS2 hat sich zumindest in Europa gegen CHAdeMO und GB/T durchgesetzt. Japan setzt auf CHAdeMO, China mag GB/T und Tesla hat seine eigene Charger-Technologie, die CCS2 aufs Haar gleicht aber einen Zacken mehr im Stecker hat, der ihn inkompatibel mit irgendetwas ausser Tesla macht.

Droht uns Apple Car Charge?

Nettes kleines Detail: Bisher gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass ein Apple Car mit Benzinmotor gebaut werden soll oder in Entwicklung ist.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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