
OnePlus 5: Schnell, verdreht und ohne Schnickschnack

Billiger iPhone-Klon oder harte Konkurrenz zum Apfel aus dem Android-Lager? Das OnePlus 5 wird kontrovers diskutiert. Ich habe das Phone mal genau unter die Lupe genommen. Meine Erkenntnis: Das OnePlus 5 hat enorm Power und weiss diese auch zu nutzen.
Schon beim Auspacken des OnePlus 5 fällt mir eines auf: Ich erwarte ein bestimmtes Feeling, bekomme aber ein anderes. Das neue Flaggschiff aus China sieht abgerundet aus, fühlt sich aber wesentlich eckiger an als es den Anschein hat. Erst auf den zweiten Blick fällt mir auf, dass da eine Kante ist, die von der mattschwarzen Oberfläche fast verschluckt wird.
Im Laufe meines Tests habe ich mich aber recht schnell dran gewöhnt, dass das Phone sich eckiger anfühlt als es aussieht. Denn ein Smartphone ist eigentlich etwas, das du nicht oft anschaust. Du schaust die Inhalte an, die auf dem Bildschirm dargestellt werden, aber nicht das Gerät selbst. Vielleicht gleich nach dem Kauf. Denn am OnePlus 5 gibt es einiges zu sehen. Da ist ein Extraknopf an der linken Seite. Der Knopf, eigentlich ein Schieber, kann dein Phone in drei Modi versetzen.
- Laut
- Bitte nicht stören
- Lautlos
Nett. Klar, wir kennen das Feature schon, aber trotzdem: nett. Nur weil etwas nicht besonders innovativ ist, heisst das nicht, dass es schlecht ist. Das ist etwas, an das ich mich dann und wann wieder selbst erinnern muss. Als Smartphonekritiker vom Dienst ist es einfach, zynisch zu werden.
Nach der Überraschung mit der Kante folgt der Bootvorgang… und ist auch gleich wieder fertig. Das OnePlus 5 ist wirklich fix. Von null auf betriebsbereit hat das Smartphone knapp 15 Sekunden, wenn es hoch kommt. Ich bin sehr beeindruckt.
Was zum Teufel ist OxygenOS? Ist das nicht Android?
Fans der chinesischen Marke OnePlus schwören auf OxygenOS, dem Betriebssystem der Marke. Leute, die eigentlich nur ein Phone wollen, können mit dem Begriff nur wenig anfangen oder werden schlimmstenfalls gar vom Namen abgeschreckt. Daher habe ich mich mal wieder zur Spurensuche hinter die grosse Firewall Chinas begeben und geforscht.

OxygenOS ist eine Android-Version. Im chinesischen Original heisst sie 氧OS. In Pinyin, der lateinischen Lautschrift der chinesischen Schriftzeichen heisst es yǎng OS. OxygenOS ist für den westlichen Markt entwickelt worden, was bedeutet, dass in China eine andere Version installiert wird. Die chinesische Version heisst HydrogenOS, 氢OS. In Pinyin qīng OS. Im vergangenen September hat die News- und Coding-Plattform xda-developers sich auf chinesische Quellen berufen, die sagen, dass HydrogenOS und OxygenOS hätten zusammengeführt werden sollen.
OxygenOS hingegen sieht wesentlich mehr nach Stock-Android aus und fühlt sich auch so an. Stock-Android ist die Version Androids, die von Google direkt vertrieben wird. Die meisten Hersteller nehmen Stock und ändern die quelloffene Software so ab, dass neue Features hinzugefügt, Grafikelemente verändert und Apps vorinstalliert werden.
Im Falle von OxygenOS äussert sich das vor allem darin, dass die Farbgebung der Highlights von Haus aus lila ist und die Icons der Apps verändert wurden.

Wie dem auch sei, die Android-Version ist nicht das umstrittene am OnePlus 5. Das ist die offensichtliche Ähnlichkeit mit dem iPhone 7.
Die Ähnlichkeit mit Apple
Schon als die ersten 3D-Modelle des OnePlus 5 an die Öffentlichkeit gekommen sind, haben sich erste Vergleiche zum iPhone 7 angeboten. Die Geräte sind sich zu ähnlich und ich wäre erstaunt darüber, wenn Apple nicht klagen würde. Ich wäre nicht erstaunt, wenn OnePlus genau so viel verändert hat, dass die Klage zu nichts führen wird, selbst wenn es Apple schafft, den Beklagten juristisch irgendwie aus dem chinesischen Rechtsraum zu kriegen.
Heisst das aber, dass das OnePlus 5 schlecht ist? Keineswegs, denn das offensichtliche Vorbild macht schon viel gut und es gibt nur wenige Phones, die sich so gut anfühlen wie das 188 Gramm schwere iPhone. Das OnePlus 5 ist aber mit 153 Gramm wesentlich leichter und hat die merkwürdige Kante, die optisch nicht auffällt.
Ein englisches Sprichwort besagt: Imitation is the sincerest form of flattery. Imitation ist die ehrlichste Form des Lobes. Und das OnePlus 5 beweist wohl, dass Apple mit ihrem Formfaktor einiges richtig macht. Damit bin ich einverstanden. Ob du das jetzt gut, schlecht oder belustigend findest, das überlasse ich dir. Denn auch wenn sich die Geräte ähnlich sehen, fühlen sie sich komplett anders an.
Jelly Scrolling und der verkehrte Bildschirm
Der Launch des OnePlus 5 ist aber von einem ganz anderen Skandal überschattet. Das merkwürdige Verhalten des Phones wird Jelly Scrolling genannt. Das Verhalten geht so: Wenn du in einer App wie Instagram scrollst, dann verzieht sich das Bild am Bildschirmrand. Es ist kaum bemerkbar, aber wenn du es einmal gesehen hast, dann kannst du es, ähnlich wie der Pfeil im Fedex-Logo, nicht mehr ungesehen machen.

Natürlich haben sich User und Hacker über das Phone hergemacht und haben versucht, das Verhalten zu erklären. Zu Redaktionsschluss hält sich die These hartnäckig, dass der Bildschirm des OnePlus 5 um 180 Grad verdreht eingebaut wurde.
Dafür spricht die Untersuchung auf xda-developers. Das sei aber kein Fehler, besagt die Untersuchung, sondern ein absichtlicher Entscheid beim Entwurf und Bau des Phones. Warum das so gemacht wurde, ist nicht klar, aber es deckt sich mit den Aussagen des chinesischen Konzerns, der nach wie vor behauptet, dass sein Phone so funktioniert, wie die Entwicklers es angedacht haben. Zufällig passiert so etwas nicht.
Aber: Es ist noch nicht erwiesen, dass diese Bauart zum Jelly Scrolling führt.
Das Problem aber taucht dann auf, wenn du ansiehst, wie OnePlus kommuniziert. In einem Statement sagt OnePlus folgendes:
The OnePlus 5 uses the same level of high-quality components as all OnePlus devices, including the AMOLED display. We’ve received feedback from a small number of users saying that at times they notice a subtle visual effect when scrolling. This is natural and there’s no variance in screens between devices.
Auf Deutsch:
Im OnePlus 5 sind die gleichen qualitativ hochwertigen Teile verbaut wie in allen OnePlus-Geräten, inklusive dem AMOLED-Display. Ein kleiner Teil unserer User hat berichtet, dass sie einen subtilen visuellen Effekt bemerken, wenn sie scrollen. Das ist so angedacht und es gibt keine Unterschiede von Gerät zu Gerät.
Blöderweise aber berichten nur einige Nutzer von Jelly Scrolling. Andere bemerken den Effekt nicht. Die Untersuchung geht weiter. Der Quellcode des OnePlus 5 wird auseinandergenommen. Angespornt durch die Entdeckung, dass Jelly Scrolling imitiert werden kann, indem einige Smartphones auf den Kopf gedreht werden und der Bildschirm rotiert, haben sie im Quellcode nach Zeilen gesucht, die irgendwas mit der Text- und Bildausrichtung zu tun haben.
- qcom,mdss-dsi-panel-orientation: String used to indicate orientation of panel "180" = panel is flipped in both horizontal and vertical directions "hflip" = panel is flipped in horizontal direction "vflip" = panel is flipped in vertical direction
und
//qcom, mdss-tear-check-start-pos= <1920>; /* Height */
//qcom, mdss-tear-check-rd-ptr-trigger-intr = <1921>; /* Height +1 */
qcom,mdss-dsi-panel-orientation = "180";
qcom,mdss-dsi-high-brightness-panel;
qcom,mdss-dsi-panel-acl-command = [15 01 00 00 00 00 02 55 00];
Gefunden hat dies das xda-developers-Mitglied Sultanxda. Das beweist, dass OnePlus nichts an der verbauten AMOLED-Bildschirmtechnologie verändert hat, sondern einfach den Bildschirm um 180 Grad gedreht hat. Ob dies nun für das Jelly Scrolling verantwortlich ist, oder nicht, ist noch nicht bewiesen. Der Verdacht erhärtet sich aber. Vor allem auch darum, weil auch die Lautsprecher laut pocketnow.com um 180 Grad verdreht eingebaut sind. Dies zumindest kann aber locker softwareseitig behoben werden.
Eine Anmerkung: Das Phone, auf dem ich getestet habe, hat den Jelly Scrolling Effekt nicht.
Jetzt aber: Das OnePlus 5 im Gebrauch
OnePlus hat beim Bau des OnePlus 5 viel gewagt und da und dort gespart, was ihnen jetzt ein Bitzli ins Füdli beisst. Vor allem im Hinblick auf die, sagen wir mal kreativen Entscheide bei der Ausrichtung der Bauteile. Trotzdem, am Ende zählt nicht ein Display, dessen Richtung geändert wurde, sondern das Phone im Gebrauch. Und die Antwort auf die Frage: Lohnt sich der Kauf?
Das OnePlus 5 ist etwas teurer als seine Vorgänger, aber rein den Systemspecs nach bekommst du immer noch ganz viel Phone für recht wenig Geld. Vor allem die RAM machen sich doch bemerkbar. Ich habe viel versucht, doch das Phone ist einfach nicht langsamer geworden. Da gibt es nicht viel mehr zu sagen, abgesehen davon, dass das OnePlus 5 ein echtes Kraftpaket ist. Egal, was du machen willst, es geht schnell. Sehr schnell.
Die Kamera schiesst auch tolle Bilder, auch sehr schnell und ohne Schnickschnack. Klar, Schnickschnack kann eingestellt werden, aber wenn du die Kamera aufstartest, dann geht das praktisch im Nullkommanichts. Wenn du irgendwo eine Wartezeit findest, dann lass es mich wissen.

Trotz all der Kontroversen und kleinen Skandale und alles: Ich mag das OnePlus 5. Es leistet viel, kostet wenig, liegt gut in der Hand und sieht schick aus. Einzig könnte kritisiert werden, dass OnePlus zwar ein neues Phone rausbringt, aber nichts neu erfindet. Wir leben im Jahr des Formatwechsels, der Infinity Displays und der Biometrie. OnePlus könnte da mitmischen, will das aber nicht. Der Kritiker in mir, der Tech-Fan, der will neue Features. Ich frage mich, was die Chinesen tun würden, wenn sie denn einfach mal werkeln und probieren würden. Einblicke in dieses Mindset habe ich am MWC in Barcelona gesehen und das war sehr, sehr spannend.

OnePlus liefert ein solides Phone. Denn alles, was es tut, tut es sehr gut und sehr schnell. Es macht genau das, was ich will, wann ich will und verzichtet auf Überflüssiges. Die Android-Version kommt ohne grosse Deko aus. Das Phone ist von Haus aus minimalistisch gehalten und das gefällt mir sehr gut.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.